#181

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 18.06.2017 23:16
von Neyl • Admin | 37.081 Beiträge



„Ich habe meine Eltern nie kennen gelernt.“
Während Ethan nun ebenfalls aus dem Wasser stieg, bemühte ich mich darum, meine Augen auf seinem Gesicht haften zu lassen und fragte mich unweigerlich, wie man sich wohl fühlte, wenn man nie die Gelegenheit gehabt hatte, seine Familie kennenzulernen. Angesichts des Schmerzes über den Verlust meiner eigenen Eltern, kam mir der Gedanke, ob mir dieser Umstand nicht lieber gewesen wäre. Zeitgleich fühlte ich mich jedoch schuldig, so etwas überhaupt zu denken, weshalb es mir schwer fiel, sein amüsiertes Lächeln zu erwidern, als seine Geschichte ein Ende fand. „Kann ich dir sonst noch etwas verraten?“
Während ich meinen Gegenüber einen Moment schweigend musterte, verflüchtigte sich das mulmige Gefühl in meiner Magengegend, was mich zu einem ehrlicheren Lächeln verleitete, ehe ich leicht mit dem Kopf schüttelte. "Nein, nicht jetzt. Es wird Zeit, dass ich endlich meiner Pflicht nachkomme.", erwiderte ich leise, ehe ich mich von Ethan abwandte und nach der frischen Kleidung griff, die ich zuvor fein säuberlich auf einem der Hocker abgelegt hatte. "Aber später, wenn du magst.", fuhr ich mit einem kurzen Seitenblick zu ihm fort, ehe ich den Knoten des Handtuchs wieder lockerte und dieses dann zu Boden gleiten ließ. "Ich habe im Gefühl, dass ich heute Abend ein wenig Aufmunterung gebrauchen könnte. Und wer wäre da besser geeignet als du?", gab ich meine Gedanken schmunzelnd preis, während ich mich wieder anzog. "Das war wirklich bitter nötig.", ließ ich verlauten, während ich die Schnürsenkel meiner Stiefel stramm zog und daraufhin lächelnd den Blick zu meinem Begleiter hob. "Sieh an, da ist ja der hübsche Kerl, den ich im Wald aufgegabelt habe.", stellte ich schmunzelnd fest und war mir nicht ganz sicher, ob ich mit meinem Verhalten das Bevorstehende kaschieren wollte, oder die Erleichterung wieder hier zu sein gerade überwog. Diese Frage erstmal beiseite schiebend, richtete ich mich auf, trat abermals auf ihn zu und ersparte ihm eine erneute Bitte, indem ich ihm ungefragt das frische Hemd hochhielt. "Du kannst dich ruhig fürs erste in meinem Zelt ausruhen, wenn du magst. Ich denke ich werde mir diesen Luxus erstmal nicht gönnen können. Aber zuerst musst du deine Verletzungen ansehen lassen.", schlug ich ihm vor, während meine Fingerspitzen die Knöpfe an ihre vorgesehene Position beförderten und ungefragt weitere alberne Gedanken in meinem Kopf auftauchten. Vermutlich hatte der Schlag mehr Auswirkungen, als zuerst angenommen. Augenblicklich wurde meine Miene wieder ernster und ich unterdrückte ein Seufzen, ehe ich meine Habseligkeiten vom Boden einsammelte und wir gemeinsam zurück ins Lager kehrten.


Liebe ist nur eine weitere Methode anderen Leid zuzufügen <3
zuletzt bearbeitet 19.06.2017 01:07 | nach oben springen

#182

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 22.06.2017 00:08
von Arrabella • Team Zyr | 78 Beiträge



„Enngelin!“, rief jemand fröhlich und ehe ich mich versah, stand Luca vor mir, der an meiner Kleidung zupfte. „Was machst du hier?“, fragte er. Erleichterung überkam mich. Ich musste die aufkommenden Tränen unterdrücken und nahm Luca in den Arm. Er war hier und ihm ging es gut. Ich konnte gar nicht in Worte fassen, wie glücklich ich in diesem Moment war. „Du hast mir Sorgen bereitet. Ich habe dich gesucht.“, sagte ich. „Lauf nie wieder weg, ja? Du musst mir versprechen, dass du mir nächstes Mal Bescheid sagst, wenn du irgendwohin gehen möchtest, ist das klar?“, meinte ich etwas strenger, wuschelte ihm dann aber durch die Haare. Ich könnte es nicht ertragen, wenn er noch einmal weglaufen würde.
„Ihr kennt euch? Woher?“, fragte mich eine fremde Frau und ich sah auf. Ich hatte sie gar nicht bemerkt.
„Ich hab sie lieb.“, antwortete Luca und ich lächelte leicht. Ich bewunderte seine Ehrlichkeit und ich mochte, dass er immer das sagte, was er gerade dachte und fühlte.
„Die Sache ist ein wenig kompliziert. Er hat mich gestern im Wald gefunden und seitdem passe ich auf ihn auf.“, erklärte ich meine Situation, da Lucas Antwort wenig aufschlussreich war. Obwohl ich Luca erst seit gestern kannte, hatte ich den Jungen bereits in mein Herz geschlossen. Wer konnte denn so ein liebliches Kind nicht mögen?
Der restliche Tag verging wie im Fluge. Ich half mit, die Kranken zu versorgen und verbrachte Zeit mit Luca und meinen anderen Freunden. Natürlich war uns allen Aneelas und Ethans Verschwinden nicht entgangen, aber ich musste hier bleiben und mein Bestes geben. Das war ich den Azallen schuldig. Bei der Suche nach den beiden Vermissten konnte ich nicht mitwirken, bei dieser Aufgabe würde ich vermutlich mehr schaden als nützen. Anstatt also den Suchern zur Last zu fallen, tat ich hier alles, was in meiner Macht stand.

Als am nächsten Morgen ein Azalle in das Krankenzimmer kam und uns von Aneelas und Ethans Rückkehr erzählte, war ich irrsinnig froh. Ich schmierte meinem Patienten schnell die restliche Kräuterpaste auf seine Wunde, ehe ich aufsprang und nach draußen lief.
Es dauerte nicht lange, bis ich die beiden gefunden hatte. Die meisten Menschen hatten sich versammelt um Aneela und Ethan auszufragen oder ihnen zu ihrem Überleben zu gratulieren. Ich verzog ein wenig das Gesicht, wenn ich letzteres hörte, es klang ein wenig eigenartig. Ich jedoch war nicht nur aus diesen Gründen hierher gekommen, ich machte mir vielmehr um etwas anderes Sorgen. Zügig drängte ich mich an ein paar Leuten vorbei, ehe ich vor Ethan und Aneela zu stehen kam.
„Seit ihr schwer verletzt?“, fragte ich sofort und musterte die beiden von oben und unten. Beide hatten einige blaue Flecken davongetragen. Mehr Sorgen machte mir allerdings Ethans Brandwunde am Arm, die sah richtig übel aus.
„Ich bin froh, dass ihr wieder hier seid. Ich hatte Angst um euch.“, sagte ich ehrlich. Ich hatte mich mit Arbeit beschäftigt um nicht an das Verschwinden der beiden denken zu müssen. Jetzt, wo sie wieder da waren, war ich irrsinnig dankbar und ich sandte ein Dankesgebet an die Götter.




Aneelas und Ethans Verschwinden war im Dorf hier ein großes Thema. Ich machte mir hierbei mehr Gedanken um Aneela. Wie konnte sie bloß schon wieder geschnappt werden? Wie leichtsinnig war diese Frau bitte schön? Wusste sie denn nicht, dass ich NICHT immer ihren Beschützer spielen konnte oder zu ihrer Rettung eilen konnte. Ich selbst hatte auch noch ein Leben, ich konnte mich nicht immer um diese naive Azalle kümmern. Ich schüttelte wütend den Kopf. Einfach nur rumstehen und nichts tun, war nicht meine Art. Daher würde ich - obwohl es wahrscheinlich sinnlos war - den Wald absuchen.
„Ich geh kurz raus.“, sagte ich an die Wächter gewandt, die mir zunickten. Ich hoffte bloß, dass sie mich später auch wieder rein lassen würden, aber notfalls musste ich wohl ein bisschen nachhelfen. Wie erwartet verlief die Suche erfolglos, ich konnte ja schließlich nicht den ganzen Bereich abdecken und auch wenn doch waren sie vermutlich schon weit über alle Berge. Oder im Schloss. Je nachdem.
Bei meiner Rückkehr wurde ich ohne Einwände wieder rein gelassen, ich musste wohl einen bleibenden Eindruck bei den Wächtern hinterlassen haben. Erst jetzt wurde mir richtig bewusst, wie müde und erschöpft ich eigentlich war. Ich hatte in der Nacht nicht wirklich viel geschlafen und die Erlebnisse hingen mir immer noch nach. Ich beschloss ein Zelt aufzusuchen und als ich nach kurzer Zeit ein leeres mit einer Liege gefunden hatte, war ich unendlich dankbar. Ich ließ mich auf das Gestell fallen und es dauerte nicht lange, bis ich einnickte.

Am nächsten Morgen war ich durch aufgeregtes Getratsche und Herumgelaufe aufgeweckt worden. Waren Azallen normalerweise nicht Künstler im lautlosen Fortbewegen? Wieso konnten sie das nicht mal nutzen, um mir ein klein wenig mehr Schlaf zu gönnen?
Mühsam rappelte ich mich hoch. Ich ging nach draußen um nachzusehen, wieso alle so aufgeregt waren. Schützend hielt ich mir eine Hand vor die Augen, die Sonne blendete mich und ich musste mich erst an die Helligkeit gewöhnen. Ich blinzelte ein paar Mal, ehe ich der Menschenmasse folgte. Aneela und Ethan waren zurückkehrt, das war alles, was ich aus den Schreien der Menschen erkennen konnte. Der Rest war nur wirres Zeug und ich schüttelte den Kopf. Schön und gut, dass sie wieder zurück waren, aber so weckten die Azallen noch den ganzen Wald auf.
Als ich neben Aneela und Ethan stand, meinte ich: „Schön, dass noch alle Gliedmaßen dran sind.“ Bevor ich jedoch noch mehr sagen konnte, kam meine Cousine hergeeilt und fragte nach deren Befinden. Sie standen doch hier, lebend, also ging es ihnen gut.

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#183

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 22.06.2017 21:03
von Annika • Nesthäkchen | 22 Beiträge



Das Gras unter meinen Füßen fühlte sich weich an, noch warm von der bereits untergegangenen Abendsonne. Mit einem Korb und ein paar frischen Blumen machte ich mich auf den Weg nach Hause, es dürfte nicht mehr lange dauern. Meine Augen hatten bereits den Fluss entdeckt, welcher unser Dorf vom Rest des Waldes trennte und als eine Grenze diente, von dem die Bewohner ihr Wasser schöpften. Doch noch bevor ich ihn erreicht hatte, drang ein unangenehmer, immer stärker werdender Geruch von Rauch in meine Nase ein. Unbewusst beschleunigten sich meine Schritte, immer schneller und schneller. Mit großem Entsetzen stellte ich fest, dass es nicht nur der unangenehme Geruch war, welcher mir Sorgen bereitete, meine Augen bestätigten es mir auch noch. Dicker, schwarzer Rauch zog sich über mehrere Häuser und Straßen, verbreitete sich langsam nach außen hin. Der zuvor so ruhige Wald schien plötzlich aufgewühlt, Schreie drangen in meine Ohren. Alles fing an sich zu drehen, die Luft um mich herum wurde stickig und immer wärmer. Ich fühlte mich hilflos, unnütz als die Flammen drohten, nie wieder zu ersticken, die Luft nie wieder rein werden würde. Feste Hände packten meine Schultern und plötzlich...

...fand ich mich am Waldboden wieder. Schmerz zog sich durch meine Glieder und ich war wie gelähmt als ich die raue Stimme eines Soldaten hörte. Wo zur Hölle war ich? Die Welt hörte langsam auf sich zu drehen, es fühlte sich an, als hätte ich viel mehr Kontrolle über das Hier und Jetzt als ich es damals gehabt hätte. Ein weiteres schmerzvolles Ereignis bahnte sich an, als ich nur kurz vor Eintreten noch aus meinem Augenwinkel sehen konnte, wie mein Angreifer sein Bein hob und sein Ziel meine Rippen waren. Ich biss die Zähne zusammen als ich das Knacken hörte, gab aber sonst keine Reaktion, die darauf schließen könnte, dass er mich hart getroffen hätte. Es würde ihn doch freuen meine Schmerzen zu sehen, würde es nicht? Ich konnte Soldaten nur schlecht einschätzen, ob sie ihren Feinden freiwillig und aus Spaß Schmerzen bereiteten, oder ob sie es taten, weil man es ihnen befahl. Im dichten Gras erregte jedoch etwas meine Aufmerksamkeit. Es schimmerte silbern als die Sonne darauf traf und es reflektierte. Mit zusammen gekniffenen Augen konnte ich einen ledernen Griff ausmachen, ein Dolch etwa? Meine Behauptung bewahrheitete sich als meine zitternde Hand sich darum legte. Von Kontrolle hatte ich gesprochen. Die wollte ich. Jetzt. „Was haben wir denn Schönes gefunden?“, mein Magen drehte sich als ich hörte, wie seine Schritte direkt neben meinem Kopf Halt machten. Mein Griff festigte sich, sodass meine Knöchel schon weiß hervortraten. Langsam begab er sich in die Hocke, wollte gerade den Mund aufmachen und etwas von sich geben. Mit einer fließenden Handbewegung stützte ich meinen Körper auf eine Hand und durchdrang sein weiches Fleisch. „Fahr doch zur Hö-“ Ich wusste nicht, was mit meinen Gesichtszügen plötzlich los war, als sie mir entgleisten und das warme Blut langsam aus dem Sterbenden herausrann. Aber irgendwoher kannte ich diese Person nur all zu gut. Ein Drücken machte sich in meiner Brust breit, die Kontrolle, die ich so sehr wollte schien mich nun zu verlassen. Die Kontrolle über die Schnelligkeit meines Herzschlags, die Kontrolle über die Situation. Die Kontrolle über die Konsequenzen.




Selbst im wachen Zustand hämmerte mein Herz noch so, als würde es gleich aus meiner Brust springen. Auch das unangenehme Drücken blieb noch eine Weile, so wie die Übelkeit. Ich wusste nicht wie lange es war und ich hatte definitiv jegliches Zeitgefühl, aus welchem Grund auch immer verloren, aber es war bestimmt einige Zeit vergangen seitdem ich ohne mit der Wimper zu zucken an das Dach meiner Jurte gestarrt hatte. Mit schweren Gliedern schleppte ich mich aus meinem viel zu bequemen Bett und richtete mich so her, dass ich unter die Leute treten konnte. Sie sollten nicht glauben, dass ich eben wieder von den Toten auferstanden war, ich wollte ihnen ja keinen Schrecken einjagen. Meinen Umhang legte ich mir zusätzlich um die Schultern, falls ich heute auch wieder einen Ausflug wagen sollte. Nachdem ich mir das Kleid glatt gestrichen hatte, trat ich aus meiner Jurte und staunte nicht schlecht, als ich den bald nicht mehr so fremden Mann dort stehen sah. Dennoch war er nicht der einzige, der meine Aufmerksamkeit errungen hatte. Ein breites Grinsen zog sich von Ohr zu Ohr als ich mich auf die Dunkelhaarige zu bewegte. „Aneela!“, ich breitete meine Arme einladend aus und verwickelte sie in eine herzliche Umarmung. „Es ist so gut, dich wieder hier zu haben“, gab ich ehrlich zu als ich fühlte, wie mir ein Stein vom Herzen fiel. Als ich sie wieder befreit hatte, wich mein Blick wieder zurück zu dem vorhin erwähnten, jungen Mann. Wie auch Aneela war er nicht ganz unbeschadet, etwas Anderes hatte ich nicht erwartet. Als ich meinen Blick wieder hob, schenkte ihm ein Lächeln und fand es am Besten, ihm erst einmal meinen Namen zu nennen. „Ich glaube, wir hatten noch nicht das Vergnügen. Ich bin Pola.“


zuletzt bearbeitet 23.06.2017 13:35 | nach oben springen

#184

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 23.06.2017 14:58
von Neyl • Admin | 37.081 Beiträge




Kaum hatten wir das weiträumige Gewölbe wieder erreicht, wurden wir abermals von einer großen Gruppe in Empfang genommen. Unter ihnen befand sich auch Gabriel, dessen Aussage ich mit einem erleichterten Lächeln quittierte. Doch noch ehe ich dazu kam, etwas auf seine Worte zu erwidern, tauchte auch seine Cousine zwischen den übrigen Azallen auf und leise auflachend, gab ich ihre Umarmung ebenso froh sie wohlauf zu sehen, zurück. Wäre Ihnen etwas zugestoßen, hätte ich noch mehr Schuld verspürt, als ohnehin schon. Immerhin war ich es gewesen, der beide zum See eingeladen hatte. Ein Fehler, den ich nicht zu wiederholen gedachte. Deshalb musterte ich die zwei besorgt, als ich mich wieder von der Blonden löste und atmete zufrieden aus, als ich keine offensichtlichen Verletzungen bemerkte. "Ich bin froh, dass ihr hier seid.", gestand ich aufrichtig, ehe ich bereits an die nächste Brust gedrückt wurde. "Na, jemand muss doch dafür sorgen, dass Kilian und Astra sich nicht gegenseitig an die Gurgel springen.", gab ich halb erstickt von mir, ehe sich Pola an meinen Leidensgenossen wandte. Das erinnerte mich daran, dass es einiges zu erledigen galt, weshalb ich mit einem leichten Lächeln zu der Brünetten sprach. "Könntest du Ethan vielleicht zu Serena begleiten? Jemand sollte sich um seine Wunden kümmern und Enngelin sieht bereits ziemlich erschöpft aus." Wie um meine eigenen Worte zu bestätigen, blickte ich zur besagten Heilerin, falls sie irgendwelche Einwände aufzubringen gedachte. So, oder so wäre er bei beiden Frauen in besten Händen, weshalb ich dem Azalle kurz zunickte, ehe ich meine Augen nachdenklich über das Lager schweifen ließ. Dann sah ich ihn. Kilian stand in einiger Entfernung und als sich unsere Blicke trafen, verharrte er ungläubig. Ein Anblick, der mich zum Lächeln brachte und ich entschuldigte mich kurz bei den Anwesenden, um ihm die letzten Meter entgegenzukommen.


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zuletzt bearbeitet 23.06.2017 15:00 | nach oben springen

#185

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 23.06.2017 20:51
von Fionien • Giftzwerg | 63 Beiträge

Finn


Ich starrte zwischen das Geäst hindurch in die spärlichen Flecken des Himmels, ohne ihn wirklich wahrzunehmen. Mein Kopf war leer, nur gelegentlich kamen die Bilder vom See und weiter zurückliegende Erinnerungen hoch. Dann wurde die Leere zum alles zehrenden Feuer und das Moos unter mir breitete sich aus, während es vom mich inzwischen überwuchernden Efeu zur Seite gedrängt wurde.
Aneela war nicht zurückgekommen. Ich hatte auf sie gewartet, in der Hoffnung, sie gehöre zu den Nachzüglern, aber es hatte keine Spur von ihr gegeben. Aber niemand hatte ihre...ihre Leiche gefunden. Ich hatte selbst suchen wollen, aber ich hatte es nicht fertig gebracht... ich war im Angesicht der vielen Menschen am Boden umgekehrt und hätte beinahe den Boden unter den Füßen verloren.
Ich hörte Schritte, sah aber nicht auf, bis sich ein bekanntes Gesicht mein eigenes vor den wenigen Sonnenstrahlen abschirmte. Ich blinzelte müde.
„Du bist gar nicht so leicht zu finden“, sagte Jon und zog mich am Arm hoch. Ich zuckte mit den Schultern. Früher als Kind hatte niemand mit mir Verstecken spielen wollen, da mir der Wald immer recht freundlich gesonnen gewesen war. Ich kratzte mich im Nacken und sah auf den Fleck zurück, auf dem ich eben gelegen hatte. Zu gern hätte ich mich einfach wieder hingelegt.
„Finn. Aneela ist zurück. Ich dachte, ich sags dir.“
Mit großen Augen sah ich ihn an, öffnete den Mund. Dann riss ich meinen Arm los und stürmte ins Lager, so hektisch, dass ich beinahe von dem Abhang in den Fluss fiel, ehe ich nach einem kurzen Blick auf Aneela zulief. Kilian neben ihr ignorierte ich völlig, er war nicht wichtig. Es zählte nur, dass ihr nichts zugestoßen war.
„Aneela! Wo warst -“, fing ich mit einem erleichterten Lächeln an, das langsam verblasste, als ich sah, dass sie keinesfalls wohlbehalten wiedergekommen war. „Was ist passiert?“
Vorsichtig legte ich ihr die Hände auf die Schultern, ehe ich sie an mich zog und umarmte.
„Ich bin froh, dass du wieder da bist“, sagte ich leise.

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#186

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 25.06.2017 11:39
von Neyl • Admin | 37.081 Beiträge





Ich wusste nicht, wie lange ich meine Arme um Kilian geschlungen hatte. Womöglich vergingen nur wenige Augenblicke, in denen die Zeit für mich stillzustehen schien. Ein Moment, der die letzten verbleibende Bruchstücke einriss und meinen unterdrückten Gefühlen erlaubte auszubrechen. Unauffällig wischte ich die verräterischen Spuren von meinem Gesicht, ehe ich mich langsam löste und meinem Bruder etwas gefasster entgegenblickte. Ich hatte noch nicht entschieden, ob ich ihm die Geschichte in allen Einzelheiten erzählen sollte, doch dies war ohnehin nicht der richtige Ort für so ein Gespräch. Also beschränkte ich mich auf das Wesentliche, um seine Besorgnis auszumerzen und beobachtete, wie seine Augen nach Beendigung meiner Erklärung zu der kleinen Gruppe huschten. "Ein dankbarer Blick wäre angemessener.", bemerkte ich leicht amüsiert, ehe meine Aufmerksamkeit von jemand anderem in Beschlag genommen wurde. "Finn..." Mit einem Lächeln sah ich dem Azallen entgegen, dessen entgleisende Gesichtszüge mich daran erinnerten, welchen Anblick ich noch immer bot. Ein unwichtiges Detail bedachte man, wie dieses Ereignis eigentlich hätte enden sollen. "Du weißt doch, dass ich mich immer irgendwie aus dem Schlamassel befreie, in das ich mich rein manövriert habe.", flüsterte ich erleichtert, während ich die nächste wohltuende Umarmung genoss und mich nur widerwillig wieder von der Wärme des vertrauten Körpers entfernte. "Es geht mir gut.", versicherte ich meinem Gegenüber, während ich aus den Augenwinkeln den missmutigen Blick meines Bruders beobachten konnte. Doch wie Finn, ignorierte ich die unzufriedene Miene und offenbar entschied Kilian, dass dies nicht der Moment für alte Fehden war und verließ uns, nicht ohne sich noch einmal zu versichern, dass ich ihn momentan nicht brauchte. "Es ist alles in Ordnung.", wiederholte ich und allmählich schien dieser Satz an jeglicher Bedeutung zu verlieren. Doch ich konnte ahnen, wie die vergangen Tage für Kilian gewesen sein mussten, auch wenn der Dunkelhaarige versucht hatte, bei seiner Erzählung äußerst neutral zu wirken. Nachdenklich blickte ich ihm kurz hinterher, ehe ich mich wieder an Finn wandte und diesen nun meinerseits aufmerksam betrachtete. "Wie geht es dir?", hörte ich mich leise fragen und unweigerlich kam mir der Gedanke, was passieren würde, wäre ich nicht mehr hier, um ihn im Notfall zu beruhigen. Ein weiteres Problem, dass es zu lösen galt. Resigniert glitten meine Augen wieder unbewusst zu der kleinen Menschenansammlung zurück und blieben an dem Mann haften, der in den vergangenen Tagen eine ähnliche Wirkung auf mich gehabt hatte. Ein Umstand, der mich irritiert die Stirn runzeln ließ, ehe ich meine Augen wieder auf meinen Gegenüber richtete.


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#187

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 25.06.2017 23:49
von Pummel • Eumelchen <3 | 295 Beiträge



Während wir gemeinsam die Richtung einschlugen, aus der wir vor nicht allzu langer Zeit gekommen waren, dachte ich über Aneelas vorige Worte nach. Ich konnte mir vorstellen, dass sie gerade viel zu erledigen hatte. Vor allem in Anbetracht der Ereignisse der letzten Tage und der Tatsache, dass sie die Verantwortung über die hier lebenden Menschen irgendwie schultern musste. Vorerst würde ich ihr Angebot wahrscheinlich annehmen. Sie war bisher die einzige Person im Lager, der ich Vertrauen entgegenbrachte. Außerdem hatte die Aussicht sie nachher auf andere Gedanken bringen zu können etwas Tröstliches an sich. Ein Teil von mir begrüßte es mehr Zeit mit der Dunkelhaarigen verbringen zu können und mehr über sie zu erfahren. Aber zunächst musste ich wohl meine Wehwehchen versorgen lassen.
Wie nicht anders erwartet dauerte es nicht lange, bis sich erneut eine Menschentraube um uns herum versammelte. Diesmal konnte ich jedoch manche der Gesichter zuordnen. Da war zum Beispiel der grimmig dreinblickende Verwandte von Enngelin, der seine Freude darüber ausdrückte, dass wir bei unserer Reise keine Gliedmaßen verloren hatten. „Seid ihr schwer verletzt?“ Anscheinend gab es die beiden meist im Doppelpack. Sichtlich besorgt zwängte die Heilerin sich zwischen einigen der Anwesenden hindurch und musterte uns kurz von Kopf bis Fuß, ehe sie ihrer Erleichterung und Sorge durch weitere Worte Ausdruck verlieh. „Es könnte schlimmer sein. Aber ist wohl nochmal gut gegangen.“, erwiderte ich ehrlich und mit einem schiefen Lächeln, als auch schon die nächste Person auftauchte und Aneela in die Arme schloss. Diesmal konnte ich die Züge der jungen Frau jedoch nicht zuordnen. Kurz spürte ich ihren Blick auf mir, dann stellte sich die Fremde bereits vor. „Ich glaube, wir hatten noch nicht das Vergnügen. Ich bin Pola.“
„Ethan.“, entgegnete ich ein wenig perplex, ohne mein Lächeln dabei abzuschwächen. „Nein, ich komme nicht von hier. Bin auf Durchreise. Die Kerker des Schlosses in Cerandíl kann ich jetzt von meiner Sightseeing Liste streichen… würde ich niemandem empfehlen. Ziemlich mangelhafter Service dort.“
Kaum, dass die Worte meine Lippen verlassen hatten, bat Aneela die Brünette bereits darum mich zu einer gewissen Serena zu begleiten. So, wie es aussah, hatte sich Enngelin in den letzten Tagen ziemlich verausgabt. Nachdenklich wanderten meine Augen zu der Frau, die tatsächlich nicht sehr erholt wirkte. Ich zweifelte nicht daran, dass sie ihre eigene Gesundheit gefährdete, um den Verletzten im Lager zu helfen. Schließlich hatte sie mir damals am See auch ohne jegliche Widerworte geholfen. Sie war sogar so weit gegangen ihre Fähigkeiten einem Fremden zu offenbaren. Anscheinend waren die Damen in dieser Stadt im Allgemeinen ziemlich leichtsinnig.
Dieses Stichwort verleitete mich automatisch dazu mich nach dem unvernünftigsten Wesen umzusehen, welches mir bisher untergekommen war. Kurze Zeit später machte ich Aneela etwas abseits bei ihrem Bruder und einem weiteren Mann aus. Die beiden wirkten ziemlich vertraut. Und zu meiner eigenen Überraschung war ich mir nicht sicher, ob mir diese Tatsache gefallen wollte oder nicht. Anscheinend hatte ich während meiner Gefangenschaft mehr Schaden genommen, als vermutet. Stirnrunzelnd lenkte ich meine Aufmerksamkeit zurück zu den Damen an meiner Seite und schenkte ihnen ein entschuldigendes Lächeln.
„Okay. So, wie es aussieht, bin ich gerade auf euch angewiesen. Ich brauche jemanden, der sich meiner annimmt. Wie hieß sie nochmal… Serena? Wo finde ich die Gute?“
Mein fragender Blick wich recht schnell einer schuldbewussten Miene, als ich mich daran erinnerte, dass es etwas gab, was ich der Heilerin offenbaren musste. Kurz kratzte ich mich am Hinterkopf, ehe ich meine Augen auf die Frau richtete und zu erläutern begann.
„Achja… ich entschuldige mich jetzt schon für die Unordnung, die wir in deiner Hütte hinterlassen haben. Wir mussten wegen mir und meinem kümmerlichen Zustand dort nächtigen und… naja… du wirst es ja sehen… für mögliche Schäden übernehme ich natürlich die Verantwortung.“

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#188

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 02.07.2017 21:56
von Pummel • Eumelchen <3 | 295 Beiträge



"Es war dumm von dir zurückzukommen.", bemerkte ich nicht zum ersten Mal, als das Schloss in Sichtweite geriet und mich damit zum Stillstand bewegte. "Cerandil ist kein sicherer Ort für euresgleichen." Die junge Frau ließ ein hörbares Schnauben verlauten, während sie die Arme vor der Brust verschränkte und mich vorwurfsvoll musterte. "Ich glaube nicht, dass du in der Position bist, mir das vorzuwerfen.", entgegnete Lexy halb amüsiert, halb besorgt und ich erwiderte diesen widersprüchlichen Blick betont gleichgültig. Wir hatten uns auf dem Weg hierher lang und breit gerechtfertigt, weshalb ich darauf verzichtete mich diesbezüglich zu wiederholen und stattdessen meine Augen zu ihrem Bauch wandern ließ. "Im Gegensatz zu dir, bringe ich nur mich selbst in Gefahr.", erwiderte ich brüsk und spürte augenblicklich, dass ich einen empfindlichen Nerv getroffen hatte. Unberührt musterte ich meine Gegenüber, die unzufrieden die Lippen zusammenpresste. Vermutlich um sich daran zu hindern, etwas falsches zu sagen. "Schweigen steht dir nicht.", setzte ich kühl nach und für einen Moment glaubte ich, ihren Geduldsfaden zum Zerreißen gebracht zu haben. Doch dann entspannten sich die Züge der Azalle, was mich mehr beunruhigte, als ich deutlich werden ließ. "Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein richtiges Arschloch sein kannst?", lächelte die junge Frau und ich zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Hin und wieder. Seltener in letzter Zeit, aber nicht, weil ich mich zu einem herzensguten Samariter entwickelt habe.", erwiderte ich mit einem angedeuteten Schmunzeln und richtete mein Augenmerk dann wieder gen Osten. Es war ziemlich riskant von der Azalle, mich hierher zu begleiten. Besonders in Anbetracht der aktuellen Umstände. Dennoch schien die junge Frau selbst für ihre Verhältnisse recht entspannt zu sein, oder täuschte dies zumindest perfekt vor. "Weißt du, ich könnte das Problem auch anders lösen.", gab ich zu bedenken, woraufhin Lexy abermals schnaubte. "Damit deine Liste noch länger wird? Nein, ich bekomme das schon hin."

~~~

Es war bereits einige Zeit her, dass einer von uns die Stille durchbrochen hatte. Mit verschränkten Armen und gesenktem Blick setzte ich einen Fuß vor den anderen und hatte gelegentlich Mühe dabei mit ihm Schritt zu halten. Verglichen mit dem hochgewachsenen Mann wirkte ich ja fast schon wie eine Kleinwüchsige. Bei jedem anderen wäre mir diese Tatsache wahrscheinlich kaum aufgefallen. Doch das hier war anders. Selbst nach all den Jahren konnte ich die Vergangenheit nicht einfach so hinter mir lassen.
„Oh, ist das nicht dein Spielgefährte?“
Irritiert hob ich meinen Kopf und folgte dem Blick des Dunkelhaarigen, der abrupt stehen geblieben war. Ich versteifte mich augenblicklich, als ich in einigen Metern Entfernung Callum mit weiblicher Begleitung ausmachte. Was um alles in der Welt hatte er ausgerechnet hier verloren? Ohne, dass ich es wirklich verhindern konnte, wanderten meine Augen prüfend über die Fremde, die offensichtlich schwanger war. Schnaubend warf ich dem Mann neben mir einen genervten Blick zu.
„Er ist nicht mein Spielgefährte. Seine Angelegenheiten gehen keinen von uns etwas an. Komm…“, nuschelte ich trocken, ehe ich seinen Ärmel mit meinen Fingern umschloss und versuchte meinen Begleiter weiter in Richtung Schloss zu ziehen. Doch zu meinem Leidwesen schienen seine Pläne sich schlagartig geändert zu haben. Das bewies er mit seinen nächsten Worten. „Seine nicht… aber ihre vielleicht.“ Ohne mich weiter zu beachten, löste er sich aus meinem Griff und steuerte sein neues Ziel an. „He!“, rief er den beiden munter entgegen, was ihre Aufmerksamkeit spätestens jetzt auf uns lenkte. Mir entwich ein genervtes Stöhnen, ehe ich ein wenig überfordert zu ihm aufschloss. Bereits nach wenigen Schritten ließ ich mich jedoch wieder ein Stück zurückfallen, weil mir die Situation überhaupt nicht gefallen wollte. Mit einem mulmigen Gefühl betrachtete ich, wie mein Begleiter die anderen beiden erreichte und seine Augen erst zu Callum und dann der Frau wanderten. Das breite Grinsen auf seinen Lippen versetzte mich in Alarmbereitschaft. Erst jetzt wurde ich mir der Bedeutung seiner vorigen Worte bewusst. Meine Gesichtszüge entgleisten.
„Welch Zufall.“, entwich ihm amüsiert, bevor er Callum zunickte und sich anschließend zu Lexy vorbeugte, um ihr Kinn zu umfassen und seine Lippen auf ihren Mundwinkel zu setzen. Die Worte, die er ihr daraufhin zu nuschelte, konnte ich nicht mehr heraushören. „Mit dir hätte ich heute wohl am allerwenigsten gerechnet.“
Die Finger an der Wange der Blonden behaltend, wandte er sich nun Callum zu und schenkte ihm ein warmherziges Lächeln. „Ich bin eigentlich wegen Arbeit hier.“

~~~

"Wenn du meinst...", erwiderte ich nicht gänzlich überzeugt, ehe meine Aufmerksamkeit schlagartig auf die näher kommende Gestalt gelenkt wurde, deren Anwesenheit mir bis dahin entgangen war. Als ich jedoch den Mann erkannte, der uns so dreist anvisierte, entspannte ich mich schnell wieder. Jedenfalls bis zu dem Moment, an dem mein Blick an der Nachzüglerin hängen blieb, die dem Störenfried in einigem Abstand folgte. Was führte ausgerechnet diese zwei zusammen zum Schloss? Zufall? Ein zu beruhigender Gedanke, als dass er wahr sein könnte. Missmutig richtete ich meine Augen auf meine Begleiterin, die erschrocken zu den Neuankömmlingen blickte. Doch mir bot sich keine Gelegenheit der Azalle zu versichern, dass von diesen Leuten keine unmittelbare Gefahr ausging, da der Wildling bereits vor uns zum Stillstand kam. Schweigend betrachtete ich unseren Gegenüber, dessen Augen zu meinem Unmut auf die Frau an meiner Seite fielen. Das darauffolgende breite Grinsen verstärkte dieses Gefühl zusätzlich und ließ mich missbilligend die Stirn runzeln. Doch noch ehe ich entschieden hatte, wie ich mit der jetzigen Situation verfahren wollte, schaffte es der Kerl mich für einige Augenblicke irritiert verharren zu lassen. Vermutlich hätte ich ihm Bewunderung entgegengebracht, wäre ich von den Geschehnissen nicht so irritiert gewesen. „Ich bin eigentlich wegen Arbeit hier.“
Der Ausdruck auf meinem Gesicht verfinsterte sich, als der Mann mir so frech entgegenlächelte und dabei die Verbindung zu Lexy aufrechterhielt, die noch immer wie erstarrt an Ort und Stelle verweilte, als könnte sie ebenfalls nicht fassen, was gerade passiert war. Eine Empfindung, die ich durchaus nachvollziehen konnte und noch ehe ich es verhindern konnte, fand ich mich plötzlich unmittelbar vor dem Sonderling wieder. "Du solltest deine Finger lieber bei dir behalten, wenn du sie morgen noch benutzen willst.", knurrte ich, die Hand in seinem Kragen vertieft, ehe die Azalle scheinbar wieder zu sich fand und ich einen unsanften Stoß gegen die Brust kassierte. "Verdammt Kol, lass ihn los!", forderte sie energisch und erst Sekunden später fiel mir auf, welchen Fehler meine Freundin begangen hatte. Meinen Gegenüber noch immer mit verengten Augen fixierend, ließ ich widerwillig von ihm ab und wandte mich unzufrieden zur Seite. Sie war erst wenige Stunden wieder hier und schon brachte das Mädchen aus meiner Vergangenheit mich dazu, meine hart erarbeitete Fassade ein Stück weit aufzugeben. Nur mit Mühe unterdrückte ich ein Fluchen, als mein Blick auf die Dunkelhaarige fiel, die diese Szene zu meiner Unzufriedenheit verfolgt hatte. "Was treibst du eigentlich hier?", fuhr ich sie schroff an, ehe ich kurz wieder zu meiner Freundin blickte, um ihr zu signalisieren, dass sie von jetzt an besser den Mund halten würde.

~~~

Wie in Zeitlupe verfolgte ich die Geschehnisse, die mein Begleiter mit seinem Auftritt heraufbeschworen hatte. Ich sah, wie Callums Miene sich verdüsterte. Und dann schnellte er bereits vor und packte den anderen am Kragen. Fast so, als hätte er damit gerechnet, hob der Idiot seine Hände in einer entschuldigenden Geste, ohne dabei auch nur das kleinste Anzeichen von Nervosität an den Tag zu legen oder das dämliche Lächeln auf seinen Lippen abzuschwächen. Ganz im Gegensatz zu mir. Meine Beine setzten sich von selbst in Bewegung, die Finger umschlossen bereits den Griff eines meiner Messer. Wäre der Eingriff der Blonden nicht gewesen, die Callum gegen die Brust stieß und ihn dazu aufforderte von ihm abzulassen, hätte ich wahrscheinlich etwas Unüberlegtes getan. So blieb ich einige Schritte von den dreien entfernt wieder stehen und bekam die Gelegenheit das Erlebte ansatzweise zu verarbeiten. Wie hatte sie ihn gerade genannt? Ich zuckte zusammen, als Callums anklagenden Worte ertönten, welche zweifelsohne an mich gerichtet waren und begegnete seinem schroffen Blick mit einer mindestens genauso unzufriedenen Miene.
„Das könnte ich genauso gut dich fragen!“, keifte ich augenblicklich zurück und straffte dabei die Schultern, während mein Begleiter ein wenig irritiert zwischen den Anwesenden hin und her blickte und schließlich vorwurfsvoll und mit einem kläglichen Seufzen auf den Lippen zu der Blonden blickte.
„Er? Du hast mich mit dem da verglichen?“, wollte er entrüstet wissen und deutete dabei demonstrativ mit einem Finger in Callums Richtung. Kols. Wie auch immer er genannt werden mochte. Als seine Augen kurz darauf auf mir zur Ruhe kamen und ich den Ausdruck darin erkannte, hätte ich ihn am liebsten mir irgendwas abgeworfen. Erst jetzt merkte ich, dass ich die Hände zu Fäusten geballt hatte. Die Lippen aufeinanderpressend lockerte ich meine Finger wieder und zwang mich dazu meine Aufmerksamkeit wieder auf den Mann zu richten, mit dem ich mir heute Nacht das Bett geteilt hatte.
„Ich war auf dem Weg zum Schloss.“, setzte ich zu einer Erklärung an, die ich ihm eigentlich gar nicht schuldig war. Doch irgendwie musste ich diese bizarre Situation überspielen, um mich ihr wieder entziehen zu können. „Wenn ihr nicht zusammen gesehen werden wollt, solltet ihr nicht in der Nähe des Schlosses herumlungern.“

~~~

Da meine harschen Worte lediglich ein Ausdruck meines Unmuts waren, ignorierte ich Kates selbigen Ausruf, der vermutlich auf die selbe Empfindung zurückzuführen war und ließ nur ein leises Schnauben vernehmen. Ich musste mich schnell wieder unter Kontrolle bringen, was sich angesichts der nächsten Offenbarung als äußerst schwierig erwies. Alarmiert zuckte mein Kopf zu Lexy, die kurz verwirrt wirkte, ehe Erkenntnis sich auf ihrem Gesicht breit machte, gefolgt von Verwunderung und einer Prise peinlicher Berührung. Was hatte sie diesem Kerl nur erzählt? Unbewusst verkrampfte sich jeder Muskel in meinem Körper, was die Azalle zu spüren schien, weshalb sie ausnahmsweise mal ihre Zunge im Zaum hielt, ehe Kate die Situation durch eine Erklärung, die ich gar nicht hören wollte, zu entschärfen versuchte. "Dann haben wir ja das selbe Ziel.", bemerkte Lexy bemüht gelassen und ich presste unzufrieden meine Lippen aufeinander. Ihr Schweigen hatte ja lange angehalten...
Während die Blonde abwechselnd die beiden betrachtete, entschied sie wohl, dass Kate die größere Bedrohung war, weshalb sie sich der Dunkelhaarigen lächelnd näherte. Misstrauisch beobachtete ich meine Freundin, die sich der Brünetten vorstellte, doch noch ehe sie die Gelegenheit bekam ihre Gegenüber zu berühren, schnellte mein Arm aus der abwehrenden Haltung und ich umschloss nachdrücklich ihr Handgelenk. "Das ist nicht nötig.", brummte ich leise und nickte stattdessen in Richtung Schloss. "Wir sollten los."

~~~

Entgegen meiner Erwartungen, war die Blonde diejenige, die etwas auf meine Worte erwiderte. Anscheinend hatten wir alle im Augenblick dasselbe Ziel. Missmutig warf ich einen kurzen Blick zum Schloss. Mit einem Mal erschien mir die verbleibende Strecke schmerzlich lang. Und erneut war die Fremde diejenige, die die Initiative ergriff und sich mir mit einem Lächeln näherte. Mit gemischten Gefühlen musterte ich die Frau, die sich mit ihrem Namen vorstellte und gerade die Hand nach mir ausstreckte, als ihr Begleiter sie augenblicklich daran hinderte, indem er bestimmt ihr Handgelenk ergriff und zum Aufbruch drängte. Langsam zog ich die Finger zurück, die ich ihr automatisch entgegengestreckt hatte und richtete meine Augen anschließend auf den Dunkelhaarigen, der mich abwartend von der Stelle aus betrachtete, an der ich ihn zuletzt gesehen hatte. Mittlerweile hatte sich sein Gesichtsausdruck gewandelt. Ich war mir nicht sicher, ob mir die Ernsthaftigkeit in seinen Zügen gefallen wollte.
„Wir sollten auch weiter.“, stellte ich mit einem schwachen Schulterzucken fest, ohne mich dabei selbst von der Stelle zu bewegen. Abwesend strich ich den Stoff meines Oberteiles glatt und wischte einige verirrte Strähnen aus meinem Gesicht, ehe ich mich, darauf hoffend, dass mein Begleiter mir diesmal folgen würde, abwandte und meine Schritte zum Schloss lenkte. Zu meiner Erleichterung schloss er kurze Zeit darauf tatsächlich zu mir auf und sparte sich ausnahmsweise weitere Kommentare. Das bot mir etwas Zeit, um das Erlebte zu verarbeiten. Trotz des unweigerlichen Dranges, blickte ich mich nicht noch einmal nach Callum und der Frau um.

~~~

Erst als sich Kate und der Vagabund in sicherer Entfernung befanden, ließ ich wieder von Lexy ab, deren Miene plötzlich merkwürdig verschlossen wirkte. Spiegelte sie gerade meine eigene wider? "Sag mir bitte nicht, dass er derjenige ist, für den ich ihn halte.", seufzte ich kaum hörbar, doch die Azalle ignorierte meine Aussage und schritt an mir vorbei, um den anderen zu folgen. Unzufrieden massierte ich meine Stirn mit Daumen und Zeigefinger, ehe ich mich ebenfalls in Bewegung setzte und hoffte, dass nicht noch mehr unerfreuliche Überraschungen auf mich warteten. Doch schon nach wenigen Metern konnte ich beobachten, wie Lexy erschrocken zusammenfuhr und augenblicklich holte ich zu ihr auf, um den Grund dafür zu erfahren. "Was ist los?" Doch als ich in das Gesicht der Blonden blickte, erübrigte sich jede weitere Frage. "Sag bitte, dass du dir gerade einen Scherz erlaubst.", hörte ich mich einen Moment später sagen, woraufhin ich einen wütenden Blick erntete. "Sehe ich aus, als wäre mir nach Späßen zumute?", zischte Lexy zurück, ehe sie sich gegen einen Baumstamm lehnte und beide Hände in den Rücken stemmte. "Nur ein Fehlalarm. Stress, kann sowas auslösen.", murmelte sie mehr zu sich selbst, woraufhin ich ungläubig eine Augenbraue hob. Schon im nächsten Moment verzog die Schwangere abermals das Gesicht, was mich zu einem leisen Fluchen verleitete. "Du darfst nicht, hörst du! Du hast kein Recht...", stieß sie aus und ich konnte beobachten, wie ihre Panik allmählich an die Oberfläche trat. "So eine verdammte Scheiße."

~~~

Und wieder einmal kam es ganz anders, als erwartet. Kaum, dass wir einige Meter hinter uns gebracht hatten, blieb mein Begleiter abrupt stehen. Ich hatte zwar das Stimmgewirr hinter uns wahrgenommen, mir jedoch nichts weiter dabei gedacht. Erst jetzt, nachdem ich mich irritiert umgewandt hatte, merkte ich, in welch prekäre Lage ich mich ohne mein wirkliches Zutun reingeritten hatte. Die einfachste Lösung wäre wahrscheinlich nichts zu tun. Die Angelegenheiten dieser Menschen gingen mich nichts an. Nicht wirklich. Und wie Callum zuvor unbestreitbar klar gemacht hatte, wollte er auch nicht, dass ich irgendwie darin verstrickt wurde. Unschlüssig blickte ich zu dem Dunkelhaarigen neben mir, der der Situation weiterhin den Rücken zugekehrt hielt und mit ausdrucksloser Miene den Boden unter sich anstarrte. Zu gerne wüsste ich, was sich derzeit in seinem Kopf abspielte. Wahrscheinlich hätte die sonderbare Situation noch länger angedauert, wenn nicht unerwartet eine hitzige Diskussion zwischen der Schwangeren und Callum entbrannt wäre. Offenbar hatte die werdende Mutter etwas dagegen ihr Kind im Schloss zur Welt zu bringen. Das, oder sie traute keinem der Anwesenden zu dieser Aufgabe gerecht zu werden. Ehrlich gesagt hätte ich ihr zweites nicht einmal wirklich verübeln können. „Bringt ja alles nichts…“ Die resignierten Worte meines Nebenmanns rissen mich aus meinen Überlegungen. Ihm entwich ein leises Seufzen, ehe er einen Arm nach mir ausstreckte und ich seine Finger kurz an meiner Schulter spürte. Dann wandte er sich bereits um und schritt dem diskutierenden Pärchen entgegen. „Ich hasse diesen Tag.“, nuschelte ich mit einem Schnauben, ehe ich unzufrieden die Arme vor der Brust verschränkte und ihm in einem gewissen Abstand folgte. Viel Anderes blieb mir unter diesen Umständen schließlich nicht übrig. Diese beiden Männer konnte man nicht unbeaufsichtigt aufeinander loslassen.
„Oi, Stress ist nicht gut für den kleinen Scheißer!“, rief er den beiden Erwachsenen entgegen, ehe er die letzten Meter überbrückte und sich, Callum ignorierend, mit einer Hand an dem Baum abstützte, an dem Lexy derzeit Halt fand. Einige Augenblicke lang betrachtete er die junge Frau ernst, bevor er weitersprach.
„Mir ist ziemlich egal, wo du dir die Seele aus dem Leib schreien willst. Aber wenn es hier, mitten im Wald sein soll, muss jemand sich zum Schloss bemühen und ein paar Sachen besorgen. Oder willst du das Neugeborene in ein Farnblatt einrollen und Callum die Nabelschnur durchbeißen lassen?“
Angestrengt strich der Dunkelhaarige sich mit den freien Fingern über die Stirn, ohne seine Augen dabei von der Blonden zu lösen. Währenddessen stand ich unschlüssig in der Gegend herum und fragte mich, wieso ich immer noch hier war. Keiner der eigentlichen Gründe rechtfertigte mein Verhalten. Und doch wusste ich, dass ich mich nicht vom Fleck rühren würde, ehe die Situation überstanden war.

~~~

Ich ließ einen genervten Laut los, als erneut die Stimme des Sonderlings unser Gespräch durchbrach. Als würde es nicht reichen, dass Lexy mir mit ihrer Sturheit gerade den letzten Nerv raubte, musste sich auch dieser Kerl erneut in unsere Angelegenheiten einmischen. Und was mich am meisten störte, war die Erkenntnis, dass er -sollte ich recht behalten- darauf sogar ein Anrecht hatte. Deshalb und um die Azalle nicht noch mehr heiklen Umständen auszusetzen, ließ ich den Mann vorerst gewähren und richtete mein Augenmerk auf die Dunkelhaarige, die sich uns ebenfalls genähert hatte. Vielleicht schaffte der Kerl es ja die Blonde zur Vernunft zu bringen. Seine nachfolgenden Worte ließen mich jedoch abermals an seinem Verstand zweifeln. Und auch Lexy schien nicht angetan von dieser Idee zu sein. "Nicht nötig...", presste sie atemlos hervor, weil offenbar eine neue Wehe von ihrem Körper Besitz ergriffen hatte. Sie wartete, bis der Schmerz vorbei war, ehe sie tief einatmete und sich aufrichtete, ohne den Mann neben ihr direkt anblicken zu können. "Ich werde einfach zurückgehen und ihr könnt weiter treiben....was ihr halt immer so treibt!" Lexy gestikulierte kurz abwinkend mit der Hand, ehe sie sich von dem Baum löste und angestrengt versuchte gefasst zu wirken. Ein Unterfangen, dass ihr nur bedingt gelang. "Großartige Idee.", murmelte ich und verdrehte kurz die Augen, ehe ich diese abermals Richtung Osten lenkte. "Niemand weiß wer du bist, also lass uns zum Schloss gehen. Selbst wenn ich dich tragen würde, kämen wir vermutlich niemals rechtzeitig an eurem Versteck an.", appellierte ich an die schwangere Frau, die entschieden den Kopf schüttelte, ehe sie sich bereits ein weiteres Mal keuchend zusammenkrümmte. Doch diesmal war ich rechtzeitig an ihrer Seite, um sie zu stützen und unschlüssig sah ich von meiner Freundin zu der einzigen anderen weiblichen Person, als würde diese Tatsache Grund genug sein, dass sie eine Lösung parat hatte.

~~~

Seine Worte bewirkten am Ende das Gegenteil vom Bezweckten. Die Schwangere behielt ihren sturen Kurs bei und schob sich von dem stützenden Stamm weg, um auf eigene Faust zurück zu ihrem Versteck zu finden. Da halfen auch Callums Einwände nichts. Die Erkenntnisse, die seine Worte mit sich brachten erst einmal beiseite schiebend, verfolgte ich mit zunehmender Nervosität, wie der Dunkelblonde seine Freundin auffing, kurz bevor diese gänzlich das Gleichgewicht verlieren konnte. Urplötzlich befand ich mich im Zentrum der Aufmerksamkeit, als ich Callums Augen auf mir spürte, fast so, als suche er, anderer Alternativen beraubt, bei mir nach Rat.
„Ernsthaft?“, entwich mir schrill, noch ehe ich diesen Impuls unterbinden konnte. Leise auflachend blickte ich zur Blonden, ohne dabei einen weiteren Laut raus zu bekommen. Denn was sollte ich schon sagen? Hey, an deiner Stelle würde ich wahrscheinlich genauso denken, aber mach dieses Mal eine Ausnahme? Frustriert über diesen Umstand blickte ich zu dem Schwertkämpfer zurück. „Nur weil ich einen Uterus habe, weiß ich nicht automatisch, was man in solchen Situationen sagen muss!“
„Lass sie. Wenn sie dumm genug ist das Baby zu gefährden, dann hat sie es nicht anders verdient.“, mischte mein eigensinniger Begleiter sich ins Gespräch ein. Er lehnte immer noch an dem Baum von zuvor und wirkte nun deutlich abweisender, als noch vor einigen Augenblicken.
„Warten wir einfach, bis sie sich nicht mehr auf den Beinen halten kann. In ihrem Zustand kann sie uns kaum abschütteln. Den Rest erledigt Mutter Natur.“

~~~

"Ihr seid wirklich wahnsinnig hilfreich.", knurrte ich unzufrieden, ehe ich meine Augen auf die Azalle richtete, die ihrerseits den vermeintlichen Kindsvater anstarrte. "Hör zu Lexy. Er ist zwar ein Bastard, aber er hat recht." Ich legte meine Hände an die Oberarme der jungen Frau und zwang sie mich anzusehen. "Ich werde nicht zulassen, dass euch etwas passiert.", versprach ich ihr eindringlich und für einige Momente blickten wir uns einfach nur abwartend an. Kurz befürchtete ich, dass sie trotz aller Vernunft nicht einlenken würde, doch dann nickte meine Gegenüber und erleichtert lehnte ich meine Stirn gegen ihre, ausblendend, wie viele Einblicke meine Geste gewährte. "Alles wird gut.", fuhr ich leise fort, ehe ich mich wieder von ihr löste und sie dann vorsichtig auf meine Arme hob. Erst jetzt wurde mir wieder die Anwesenheit der beiden anderen bewusst und augenblicklich verhärteten sich meine Züge. "Sorg dafür, dass deinem Freund klar wird, was passiert, wenn er seine Klappe nicht halten kann.", knurrte ich Kate zu als ich an ihr vorbeiging und ohne weitere Worte Richtung Schloss aufbrach.

~~~

Letztlich erwies sich unsere Anwesenheit als unnötig. Unter Aufbietung seines geballten Charmes schaffte Callum es letztlich die Blonde zur Vernunft zu bringen. Natürlich ließ er es sich nicht nehmen eine Drohung in unsere Richtung auszusprechen, sobald er mit der Schwangeren in seinen Armen an mir vorbei trat und ohne weitere Verzögerung in Richtung Schloss marschierte. Ich hielt es nicht für nötig etwas auf seine Worte zu erwidern, sondern betrachtete seine Rückenansicht schweigend dabei, wie sie sich stetig von uns entfernte. Erst jetzt erlaubte ich es mir langsam die bis dahin unterdrückten Gefühle mit einem frustrierten Seufzen an die Oberfläche treten zu lassen. Was war das gerade gewesen? Während ich krampfhaft nach einer Antwort auf diese Frage suchte, trat der Dunkelhaarige an meine Seite und ließ ein leises Lachen verlauten. In einer unwirschen Bewegung schüttelte ich seine Hand ab, die daraufhin an meinem Rücken zur Ruhe kam. „Du wirst von Jahr zu Jahr kratzbürstiger. Oder hat dir der Anblick nicht bekommen?“ Das nächste Schnauben entwich mir. „Ja, klar. Willst du nicht lieber deiner Prinzessin nachjagen?“
„Nah. Sie vertraut mir nicht. Zurecht.“
Aus den Augenwinkeln betrachtete ich kurz seine leicht angespannten Züge, in denen ich auch Trauer zu erkennen glaubte. Vielleicht bildete ich es mir aber auch nur ein.
„He, wie sieht es nun mit Arbeit aus?“
Nachdenklich richtete ich meine Augen wieder nach vorne. Ich beschloss dass dieser Vorsprung ausreichen musste und brachte den Dunkelhaarigen mit einem kleinen Stupser dazu sich mit mir in Bewegung zu setzen.
„Musst du die Soldaten vor Ort fragen. Du weißt, dass ich nicht für sowas zuständig bin.“

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#189

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 04.07.2017 12:06
von Pummel • Eumelchen <3 | 295 Beiträge



Unentschlossen starrte ich auf die verschlossene Tür, hinter der man Lexy in diesem Augenblick versorgte. Vermutlich hätte ich darauf bestehen sollen bei ihr bleiben zu dürfen. Doch sobald Komplikationen aufgetreten waren, hatte man von mir verlangt den Raum zu verlassen und ich war dieser Anweisung aus verwirrenden Gründen gefolgt. Jetzt bereute ein Teil von mir nicht bei ihr geblieben zu sein und frustriert stieß ich meine Faust gegen die Wand zu meiner Linken. Ich konnte nicht untätig hier rumstehen, doch noch immer hinderte mich etwas daran, mir wieder Zutritt zu verschaffen. Die aufkeimende Unruhe prophezeite jedoch nichts Gutes und nach einem letzten Blick zurück, schritt ich von dannen und fand mich wenige Augenblicke später auf dem Hof wieder. In meinem jetzigen Zustand war es undenkbar meine eigentlichen Vorhaben anzugehen und der wachsende Unmut in meinem Inneren, machte mir deutlich, dass ich etwas dagegen unternehmen musste. Erst jetzt meine Umgebung wahrnehmend, suchte ich den Platz nach einem ganz bestimmten Haarschopf ab und setzte mich ohne weitere Überlegungen augenblicklich in Bewegung, als ich Besagten nur unweit von mir entfernt ausmachte. "Ich muss mit dir reden.", forderte ich knapp, als ich Kate erreicht hatte und zog sie ohne auf eine Antwort zu warten etwas abseits, wo wir vor den meisten neugierigen Blicken geschützt waren. Eine Hand an ihrem Kopf vorbei gegen das Mauerwerk abstützend, gab ich sie wieder frei und konzentrierte mich auf die dunklen Iren meiner Gegenüber, ehe ich ein leises Seufzen zuließ. "Du musst mich davon abhalten etwas wirklich Dummes zu tun. Schaffst du das?"

~~~

Ich hatte nicht damit gerechnet Callum so schnell wieder zu sehen. Daher versuchte ich gar nicht erst meine Überraschung zu verbergen, als er mir nichts dir nichts vor mir auftauchte und verkündete mit mir reden zu wollen. Schon wurde ich in eine günstige Ecke verfrachtet und spürte die kühle Mauer am Rücken. Nach den Ereignissen der letzten Tage hatte diese Position fast schon etwas abstrus Vertrautes an sich, vor allem in seiner Gegenwart. Missmutig presste ich die Lippen aufeinander und blickte zu dem Dunkelblonden hinauf. Ich erwartete die nächste Warnung. Vielleicht eine Zurechtweisung oder weitere Befehle. Doch stattdessen entwich Callum ein leises Seufzen, gefolgt von einer ungewöhnlichen Bitte. Nach allem wandte er sich ausgerechnet an mich? Kurz fragte ich mich wer von uns beiden der gestörtere war.
„Wie kommst du auf die Idee, dass ich dir überhaupt helfen will?“
Unzufrieden senkte ich denk Blick ein Stück weit und betrachtete meine eigenen Finger, die ich behutsam an seiner Brust abstützte. Einen kurzen Moment des Zögerns später ließ ich meine Hand bereits hochstreichen, bis ich seinen Nacken umschlossen hatte. Mit zusammengezogenen Augenbrauen zog ich den Mann vor mir in einer fließenden Bewegung an mich, sodass seine Stirn schlussendlich auf meiner Schulter zur Ruhe kam. „Hier, besser?“, brummte ich ihm leise entgegen, während meine Finger unschlüssig über seinen Nacken fuhren. Sobald ich mich daran gewöhnt hatte, legte ich nun auch den zweiten Arm um seine Schultern und lehnte meine Wange dabei seufzend an seinen Kopf. Meine Augen fixierten dabei einen nicht vorhandenen Punkt auf seiner Schulter.

~~~

Ich wusste selbst nicht genau, was ich von der jungen Frau erwartet hatte. Oder warum ich ausgerechnet sie aufsuchte. Vielleicht um mir Erklärungen zu ersparen, die ich ohnehin nicht in Worte fassen konnte. Die Berührung ihrer Finger an meiner Brust, gepaart mit ihrer Aussage ließen mich jedoch darauf schließen, dass ich mich geirrt hatte und automatisch senkte ich den Blick, um ihre Abweisung zur Akzeptanz zu nehmen. Umso überraschter war ich deshalb, als ihre Hand anstatt meinen Körper von sich zu drücken, diesen genau in die gegensätzliche Richtung zog. Vermutlich war diese unerwartete Geste auch der Grund, warum ich unfähig war dem Impuls nachzugehen, mich augenblicklich von ihr loszureißen. Unschlüssig verharrte ich also vorerst in dieser Position und registrierte nach einer kleinen Weile, wie die Anspannung langsam von mir abfiel. Irritiert runzelte ich die Stirn, ohne mich dabei von der Stelle zu rühren. Die ungewohnte Nähe noch einen Moment auskostend, entwich mir plötzlich ein leises Lachen, das mich wieder wachrüttelte und mir half mich wieder aufzurichten. Mit einigem Widerwillen, wie ich feststellte, als ich damit die Verbindung zwischen uns unterbrach. "Nicht das, was ich erwartet habe.", bemerkte ich nun wieder ernster und strich meiner Gegenüber beiläufig eine verirrte Haarsträhne zurück. "Du bringst mich noch in Verruf, mit diesem sentimentalen Mist.", fuhr ich fort und konnte nicht verhindern, dass meine Mundwinkel dabei verräterisch zuckten. Doch schon im nächsten Augenblick kehrten die Erinnerungen zurück und ich wandte mühselig meinen Blick von der jungen Frau ab, die schon jetzt zuviel wusste. Zeit gleiche Verhältnisse zu schaffen. "Dieser Streuner und du...Muss ich mir Sorgen machen, falls meine Befürchtungen sich bewahrheiten und er der Vater von Lexys Baby ist?"

~~~

Ein tonloses Seufzen entfuhr mir, als Callum auch nach einigen Augenblicke keine Anstalten machte sich aus meiner unbeholfenen Umklammerung zu lösen. Offenbar schien ich nicht ganz daneben zu liegen, oder eher: der erste Impuls hatte sich als annehmbar herausgestellt. In Angesicht dessen, wen ich gerade vor mir hatte, wartete ich geduldig ab, bis der Dunkelblonde als erster eine Reaktion zeigte. Ich blinzelte, als sein leises Lachen an meine Ohren drang und zog meine Arme langsam wieder zurück, sobald er sich wieder aufrichtete. Sein kleines Zugeständnis bewirkte, dass sich meine Mundwinkel entgegen meiner Absichten kurz erhoben. Denn er war nicht der einzige, der nicht mit so einem Verlauf der Dinge gerechnet hatte. Abwartend sah ich ihm dabei zu, wie er die Distanz zwischen uns erneut durchbrach und eine meiner Strähnen zurückstrich, ehe er fast schon amüsiert weitersprach. "Du bringst mich noch in Verruf, mit diesem sentimentalen Mist."
„Solange es den Zweck erfüllt.“, erwiderte ich mit einem angedeuteten Schulterzucken und verfolgte dabei seine sich verändernden Miene, bis er schließlich seine Augen von mir abwandte, um unliebsamere Gesprächsthemen anzuschneiden. "Dieser Streuner und du...Muss ich mir Sorgen machen, falls meine Befürchtungen sich bewahrheiten und er der Vater von Lexys Baby ist?"
Meine Gesichtszüge entgleisten augenblicklich und ich konnte wohl von Glück sprechen, dass er mich gerade nicht ansah. Diese Tatsache gab mir etwas Zeit, um mich wieder zu fangen. Oder es zumindest zu versuchen. „Nein.“, antwortete ich knapp und folgte nun seinem Beispiel, indem ich zur Seite schaute. „Das letzte, was er will, ist sich unnötig in etwas zu verstricken, was er nicht kontrollieren kann... auch, wenn es vielleicht nicht danach aussieht.“

~~~

"Tut es nicht.", pflichtete ich der Dunkelhaarigen zweifelnd bei, während ich mein Gesicht wieder in ihre Richtung drehte. Nachdenklich betrachtete ich meine Gegenüber, die mich bisweilen vor einige Rätsel stellte, ehe ich noch immer misstrauisch fortfuhr. "Du scheinst dir da ja sehr sicher zu sein.", bemerkte ich, die Augenbrauen leicht zusammenziehend und ließ sie dabei keine Sekunde aus den Augen. Bisher hatte mich der Wildling reichlich wenig interessiert. Doch spätestens jetzt, konnte er sich meiner Aufmerksamkeit gewiss sein. Ein Privileg, das sich vermutlich niemand wünschte, obwohl der Mann gerne mit dem Feuer zu spielen schien. Das erklärte zumindest, warum er sich gleich mit beiden Frauen eingelassen hatte. Und auch Lexys Leichtsinn war weniger überraschend, auch wenn es nichts an der Tatsache änderte, dass allein die Vorstellung mich schockierte. Und dabei hatte ich schon geglaubt, dass ihre Rückkehr an Unverantwortlichkeit nicht mehr zu überbieten war. Doch wie immer schaffte die Blonde es einen ein weiteres Mal zu überraschen. Etwas, das ich zugegeben in den vergangenen Jahren nur bedingt vermisst hatte. Mich aus meinen Gedanken befreiend, konzentrierte ich mich wieder auf die Frau vor mir, die mir noch eine Antwort schuldete und bedauerte den Umstand, sie nicht an einen anderen Ort gebracht zu haben.

~~~

„Bin ich.“, erwiderte ich schließlich mit einem leisen Seufzen, ehe ich mich dazu durchrang seinem prüfenden Blick zu begegnen. Ich war mir nicht ganz sicher, was er sich von diesem Gespräch erhoffte. Er glaubte doch nicht ernsthaft ich würde ihn bereitwillig von meinem Verhältnis zu dem Dunkelhaarigen erzählen? Wie weit wäre mein Gegenüber bereit zu gehen, um seine offensichtliche Neugier zu stillen? Was würde es ihm überhaupt bringen mehr zu erfahren? Abgesehen von der Gelegenheit dieses Wissen gegen mich einzusetzen natürlich. „Ich kann ihn mittlerweile ziemlich gut einschätzen. Dein Mädchen wird keine Schwierigkeiten bekommen. Zumindest nicht wegen uns.“
Das war es doch, was er hören wollte? Seufzend verschränkte ich die Arme vor der Brust und betrachtete Callum einige Augenblicke lang mit leicht erhobenen Augenbrauen, ehe ich mich zur nächsten Frage durchrang. „Läufst du immer noch Gefahr Dummheiten anzustellen?“

~~~

Dass mir Lexy im Gegensatz zu so ziemlich jedem anderen nicht gleichgültig war, hatte die Dunkelhaarige recht offensichtlich vorgeführt bekommen, weshalb ich gar nicht erst versuchte diese Tatsache abzustreiten und lediglich stumm auf ihre Erwiderung reagierte. Da das jedoch nicht das einzige war, was wir ihr gegenüber preisgegeben hatten, veränderte sich meine Miene nicht maßgeblich, auch wenn ich zumindest einen Funken Erleichterung verspürte. Dennoch hatten sich mehr Fragen als Antworten aufgetan und dieser Umstand missfiel mir zusehends. Doch noch ehe ich dazu kam, einigen davon auf den Grund zu gehen, kam mir meine Gegenüber zuvor und ihre unerwarteten Worte ließen mich abermals die Stirn kraus ziehen. "Das lässt sich noch nicht mit Gewissheit sagen.", entgegnete ich tonlos, ehe meine Augen sich in die Richtung bewegten, aus der ich gekommen war. Warum hatte die Azalle nur wieder in mein Leben treten müssen? Wieviel besser war ich jetzt, als ihr idiotisches Volk? Was unterschied mich noch von den beiden Gefangenen, deren spurloses Verschwinden noch immer für Aufruhr sorgte? Ich konnte förmlich spüren, wie meine Züge sich verfinsterten und mit einem frustrierenden Laut wandte ich Katelyn den Rücken zu. Es war dumm gewesen sie gerade in diesem Zustand aufzusuchen und doch stand ich trotz dieser späten Erkenntnis noch immer hier. "Ich muss dich um einen Gefallen bitten.", hörte ich mich plötzlich sagen, ohne meine Position zu verändern. "Jemand sollte nach Lexy sehen und ich...hab Dinge zu erledigen."

~~~

Die Antwort auf meine recht einfache Frage fiel, wie nicht anders zu erwarten, recht kryptisch aus. Das wäre eigentlich das Stichwort gewesen mich der beklemmenden Situation zu entziehen. Doch ich zögerte einen Augenaufschlag zu lange und verfolgte stattdessen reglos, wie seine Züge sich erneut verdüsterten. Kaum, dass er mir den Rücken zugewandt hatte, bat der Dunkelblonde unerwartet um einen weiteren Gefallen. Er wollte, dass ich nach der Blonden sah. Eine Bitte, die mich maßlos überforderte. Ernsthaft? Entgeistert starrte ich den Rücken des Mannes vor mir an, der andere Dinge zu erledigen hatte, als seiner Freundin beizustehen. „Natürlich hast du das.“, entwich mir perplex, während ich meine Finger unmerklich in den Oberarmen vergrub. Was sollte dieser plötzliche Sinneswandel? Offenbar blieben ihm wirklich keine anderen Optionen, wenn er sich ausgerechnet an mich wandte. Schnaubend ließ ich die Luft aus meinen Lungen entweichen und versuchte die Tatsache zu verdrängen, dass seine Bitte im Grunde eine verkappte Forderung war. „Wo ist sie?“

~~~

"Im Krankenflügel. Es gab Komplikationen, deshalb..." Ich zuckte leicht mit den Schultern, ehe ich meine Mimik festigte und wieder zu Katelyn umdrehte. Natürlich verstand sie nicht, warum ich sie um diesen Gefallen bat, aber im Grunde war mir das auch recht. "Ich komme nach, sobald ich kann." Zögerlich verharrte ich einige Augenblicke, in denen ich meine Gegenüber schlichtweg ansah, dann streckte ich meine Finger nach ihrem Gesicht aus und strich mit dem Daumen behutsam über ihre Wange. "Sie ist alles, was ich an Familie habe...", sagte ich und zog meinen Arm irritiert zurück, weil nichts davon gerade zu dem Bild passen wollte, das alle Welt in mir sah. Unzufrieden straffte ich mich wieder, dann verließ ich die Brünette, der ich wider jeder Vernunft etwas entgegenbrachte, das ich mir selbst nicht erklären konnte.

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Komplikationen. Ein Begriff, der es leichter machte das Verhalten des Dunkelblonden einzuordnen. Seufzend strich ich mir mit den Fingern übers Gesicht und verharrte, als er sich wider Erwarten ein weiteres Mal zu mir umdrehte. Callum versprach nachzukommen, sobald er konnte. Worte, die ich ihm irgendwie nicht abnehmen konnte. Während seine Augen beharrlich auf mir ruhten, senkte ich langsam meine Hand und kam nicht umhin meine jetzigen Optionen gedanklich durchzugehen. Doch spätestens als er einen Arm nach mir ausstreckte und mein Gesicht in einer sanften Geste gefangen nahm, lösten sich auch die letzten Reste meines Widerwillens auf und ich spürte mich selbst zu meiner Unzufriedenheit nicken. Offenbar nagte die Situation tatsächlich an seinen Nerven. Also blieb mir vorerst wohl nichts anderes übrig, als dafür zu sorgen, dass seiner Familie bei ihrem Aufenthalt hier nichts zustieß. Noch am Vortag hatte er so getan, als könne er nicht nachvollziehen, weshalb ich mein Leben für andere aufs Spiel setzte. Und nun sowas. Kopfschüttelnd blickte ich kurz seiner sich entfernenden Rückenansicht hinterher. Dann machte ich mich bereits auf den Weg zum Krankenflügel. Zu meiner Erleichterung bereitete es mir keine allzu großen Probleme zu der Frau zu finden. Mit ernster Miene ließ ich mich von einem der Ärzte über ihren und den Zustand ihres Ungeborenen informieren, ehe ich meine Schritte zu dem Raum lenkte, in dem die Blonde untergebracht worden war. Nachdem ich mich mit einem kurzen Klopfen bemerkbar gemacht hatte, trat ich bereits hinein und blieb zunächst entrüstet in der offenen Tür stehen, als ich Lexy auf dem Bett entdeckte. Mit einem Räuspern versuchte ich die peinliche Stille zu überbrücken. Wieso hatte ich mich noch einmal dazu breitschlagen lassen? „Dein... Freund hatte etwas zu erledigen.“, erklärte ich knapp, ehe ich die Tür hinter mir zuschob und mich mit verschränkten Armen an die nächst gelegene Wand lehnte und meine Augen auf sie richtete. „Falscher Alarm, hm...“

~~~

Ausdruckslos starrte ich zu der kahlen Decke hinauf und versuchte das derzeitige Chaos in meinem Kopf zu richten. Unerklärlicher Weise hatte die Panik sich gelegt und mein Herzschlag ging trotz der beunruhigenden Lage gleichmäßig und ruhig. Ein Zustand, der mich verwirrte und doch dafür sorgte, dass mir manches klarer erschien. Oder täuschte mich lediglich die Erschöpfung nach der ganzen Aufregung?
Das Geräusch der knarzenden Tür ließ mich meinen Kopf ein wenig zur Seite drehen und als ich die junge Frau erkannte, die in Begleitung des Vaters meines ungeborenen Kindes gewesen war, weiteten sich meine Augen überrascht. Ihre Erklärung folgte jedoch rasch und brachte mich zu einem matten Lächeln. Während sie sich eine Position suchte, folgte mein Blick der Dunkelhaarigen, die deutlich ihre Abneigung darüber hier zu sein vermittelte. Möglicherweise war diese auch gegen mich gerichtet, schließlich hatte ich keinerlei Ahnung, was sie mit den beiden Männern verband. "Hat es sich offenbar nochmal anders überlegt ja.", antwortete ich mit einem leicht gequälten Grinsen, weil die Wahrheit wesentlich unangenehmer war. Unbewusst legte sich eine meiner Hände auf die deutliche Wölbung meines Bauches und ein Schatten huschte mir übers Gesicht, als die erhoffte Bewegung ausblieb. "Es wäre vielleicht klüger ihm zu sagen, dass er mich nicht los ist.", bemerkte ich, den Kopf wieder auf das Kissen sinken lassend. Womöglich bot sich hier gerade die letzte Gelegenheit meinen Fehler wieder gut zu machen, auch wenn ich noch nicht sicher war, ob ich dadurch nicht einen weiteren beging. "Ich bin so wie es aussieht erstmal an dieses Bett gefesselt.", fuhr ich erklärend fort. "Dir scheint die Botin zu spielen ja nicht unbedingt zu gefallen." Etwas, das ich durchaus nachvollziehen konnte, besonders weil man sich bei Kol nie sicher sein konnte, auf welche Weise er darum gebeten hatte. Ein Seufzen entfuhr mir und frustriert strich ich mir über die Schläfe, weil ich nicht sicher war, wie sie meine nächsten Worte aufnehmen würde. "Der Mann mit dem du gekommen bist...Ist er noch im Schloss?"

~~~

Ich bemühte mich um eine möglichst ausdruckslose Miene, während die Frau vor mir meine vorigen Worte aufgriff, um die Situation, in der wir uns befanden, erträglicher zu machen. Zwei Fremde, die sich eigentlich nichts zu sagen hatten, verbunden durch einen Umstand, den jede von ihnen auf irgendeine Weise zu verantworten hatte. Ich wusste, dass das alles ziemlich schwer für sie sein musste. Genauso, wie sie zutreffend meine Abneigung meiner jetzigen Rolle gegenüber erkannt hatte. Bei ihrer Frage nach meinem Begleiter unterdrückte ich ein Seufzen. „Er war es zumindest vorhin noch.“, antwortete ich in Gedanken und senkte meinen Blick zu ihrem Bauch. „Stimmt es? Dass er der Vater sein soll...“

~~~

Meine Gegenüber bemühte sich sichtlich darum keine ihrer Gedanken oder Empfindungen preisgeben und erinnerte mich damit unweigerlich an den Mann zu dem Kol geworden war. "Er ist der einzige der in Frage kommt.", bestätigte ich ihre Vermutung und bemühte mich wieder in eine aufrechte Position, um diese skurrile Unterhaltung angemessener fortführen zu können. "Auch wenn ihm das vermutlich schwer fallen könnte zu glauben, angesichts unserer Begegnung.", fügte ich mit einem schiefen Grinsen hinzu und ließ meinen Blick dann langsam zur Tür gleiten. Noch vor wenigen Stunden hätte ich die Anweisungen der Ärzte ignoriert und mich selbst um meine Angelegenheiten gekümmert. Doch das vergangene Erlebnis hatte mir zum ersten Mal wirklich deutlich gemacht, das dieses Leben in mir sehr wohl Realität war. "Er hat wirklich ein mieses Timing."

~~~

Ich behielt den Blick gesenkt, während die Blonde Callums Worte ohne Zögern bestätigte. Sofern sie die Wahrheit sagte, kam also nur mein Bekannter für die Vaterschaft in Frage. Ich versuchte mir vorzustellen, wie er solche Neuigkeiten wohl auffassen würde. Ob er bereits etwas geahnt und deshalb versucht hatte sie aus der Reserve zu locken? Oder hatten seine Bemühungen alleine mir gegolten? Am Ende konnte ich nur mutmaßen. Die überflüssigen Gedanken verdrängend hob ich den Blick und betrachtete Lexys schiefes Grinsen, während sie ihre Ausführungen fortführte. „Ich glaube ich will das alles gar nicht so genau wissen. Es geht mich nicht wirklich etwas an.“, gab ich resigniert zu, ohne meine Haltung dabei zu verändern. Wenn man es von dieser Seite betrachtete, dann hatte jeder einzelne von uns ein schlechtes Timing an den Tag gelegt. Seufzend strich ich mir mit einer Hand übers Gesicht, ehe ich meine Augen wieder auf sie richtete. „Also... du willst wahrscheinlich, dass ich ihm etwas ausrichte? Oder brauchst du etwas Anderes?“

~~~

Ich konnte den Gedanken nicht verwehren, dass ich mich gerade in fremde Territorien bewegte und doch schien mir diese Tatsache ein unwichtiges Detail zu sein. Ich hatte immerhin keine Erwartungen. Würde nichts verlangen und ihm lediglich die Möglichkeit einräumen, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Ein Unterfangen, das auch mir noch bevorstand. "Es wird reichen, wenn du ihm sagst, dass ich hier bin und nach ihm gefragt habe. Der Rest liegt bei ihm.", erwiderte ich noch immer ein wenig gedankenverloren, ehe ich meine Augen langsam wieder auf die Dunkelhaarige richtete. "Das ist schon mehr, als ich von dir verlangen kann.", fuhr ich leicht lächelnd fort und hoffte einfach darauf, dass sie meine andere Bitte von sich aus erfüllen würde. Viele Dinge ließen mich jedoch daran zweifeln und wer könnte es ihr schon verdenken? Ich selbst konnte mir nicht sicher sein, inwieweit Kol bereit war alles Menschliche abzulegen, um sein Ziel zu erreichen. Nachdenklich betrachtete ich die Frau, die vermutlich nicht ahnte, wie weitreichend diese tatsächlich waren. Oder war der Umstand, dass sie mich bisher noch nicht verraten hatte darauf zurückzuführen, dass sie bereits tiefer drin steckte, als sie selbst vielleicht ahnte. "Du solltest gut auf dich aufpassen.", bemerkte ich, ließ mich dann abermals zurücksinken und gab dem Drang nach, meine müden Augen zu schließen. "Und nein, das war keine Drohung, sondern meine Art mich zu bedanken."

~~~

Einige Augenblicke lang betrachtete ich die Blonde, die alles gesagt zu haben schien, was ihr auf dem Herzen lag. Zumindest das, was sie mir gegenüber offenbaren wollte. Mit einem leichten Nicken an mich selbst nahm ich diese Tatsache zur Kenntnis. „Das kann ich nicht versprechen. Aber danke... nehme ich an.“, nuschelte ich noch in den Raum hinein, ehe ich mich abwandte und das Zimmer verließ, um meine Schritte wieder nach draußen zu lenken. Auf dem Weg dorthin dachte ich über ihre Worte nach und darüber, was ich ab jetzt erwarten konnte. Offenbar liebte das Schicksal unwillkommene Verstrickungen. Abwesend strich ich mit meinen Fingern über die wunde Lippe und verzog das Gesicht, als einige Sonnenstrahlen mich blendeten, kaum dass ich nach draußen getreten war. Dann erkannte ich bereits den Dunkelhaarigen in einigen Metern Entfernung, dessen Augen auf mich gerichtet waren. Das ersparte mir zumindest nach ihm zu suchen. Mit wenigen Schritten überbrückte ich die Distanz zwischen uns und blieb unmittelbar vor ihm stehen.
„Sie hat nach dir gefragt.“
Der Angesprochene hob kurz die Augenbrauen, ohne den Ausdruck auf seinem Gesicht sonderlich zu verändern. „Du solltest nach ihr sehen.“, setzte ich erneut an, was seine Mundwinkel zu einem kurzen Zucken verleitete. Noch während mir ein Seufzen entwich, setzte er sich bereits in Bewegung; nicht ohne mir vorher mit einer flüchtigen Bewegung durch die Haare zu strubbeln. Mit gemischten Gefühlen blickte ich ihm kurz hinterher und strich mir anschließend schnaubend das Haar zurück. Ich wusste nicht, was dieses Treffen nach sich ziehen würde. Doch wie ich bereits zuvor festgestellt hatte, lagen diese Dinge wohl außerhalb meines Verantwortungsbereichs. Das versuchte ich mir zumindest einzureden. Außerdem hatte ich weitaus kompliziertere Angelegenheiten vor mir, die es zunächst zu lösen galt.

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#190

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 07.07.2017 22:49
von Pummel • Eumelchen <3 | 295 Beiträge



Wie Kate bereits zuvor, brauchte er nicht lange, bis er das richtige Zimmer ausgemacht hatte. Selbst, wenn seine Methoden etwas unkonventioneller waren als die der Brünetten. Ohne Scheu schob er die Tür auf und lugte hinein. Als er das richtige Gesicht auf dem Bett ausmachte, trat er einen Schritt in den Raum und schob den Zugang mit einem Fuß hinter sich zu. Seine Gesichtszüge blieben dabei entspannt. „Die Lady hat nach mir verlangt?“

~~~

Ich wusste nicht genau, ob ich es nun gehofft oder befürchtet hatte. Doch ich hatte nicht wirklich mit seinem Auftauchen gerechnet, weshalb ich mich überrascht aufrichtete, als der Mann die Tür hinter sich schloss und mich für einige Sekunden erneut sprachlos machte. Doch zum Glück fing ich mich dieses Mal recht schnell wieder und verdrängte die negativen Empfindungen fürs erste, um diese Sache nach alter Manier anzugehen. "Überrascht dich das etwa?", erwiderte ich mit einem Lächeln und rutschte mangels Bewegungsfreiheit ein wenig zur Seite, um ihm zu bedeuten, dass er sich setzen konnte. "Ich würde dir ja was anbieten, aber wie du siehst sind meine Möglichkeiten beschränkt, also...", fuhr ich fort und zuckte leicht mit den Schultern, während ich den Vater meines Kindes betrachtete, der für mich so gesehen noch immer ein Fremder war.
~~~
„Schon.“, gestand ich auf ihre Frage hin und verfolgte mit leicht erhobenen Augenbrauen, wie die Blonde etwas Platz neben sich machte damit ich mich zu ihr setzen konnte. Ihre darauf folgenden Worte ergaben in meinen Augen nicht viel Sinn, daher ließ ich sie auch unkommentiert. Eigentlich hatte ich angenommen wir wären über belanglose Floskeln hinaus. Wahrscheinlich versuchte sie nur nett zu sein und das Eis zu brechen, ehe sie ihr eigentliches Anliegen darbrachte. Noch nicht ganz sicher, was ich mir von dieser Begegnung erhoffen sollte, trat ich ans Bett und kam neben der jungen Frau zum Stillstand. In einer langsamen Bewegung streckte ich einen Arm nach ihr aus und umfasste ihr Kinn mit Zeigefinger und Daumen. Ihr Gesicht sacht zu mir drehend, beugte ich mich zu ihr vor und betrachtete ihre sichtlich erschöpften Züge abwartend. „Wieso bin ich hier?“

~~~

Aufmerksam verfolgte ich den Weg des Mannes und verspürte erneut dieses seltsame Kribbeln, als er seine Geste vom ersten Wiedersehen imitierte, ehe er sein Gesicht langsam dem meinen näherte. Offenbar hatte ich die Begegnung mit ihm noch nicht ansatzweise so gut verdaut wie gedacht, denn für einige Sekunden schien ich wieder in eine Starre zu verfallen, aus der ich mich dieses Mal glücklicherweise schneller befreien konnte. "Ich wollte mich entschuldigen...", erwiderte ich deshalb mit kurzem Verzögern und runzelte angesichts dieser ungeplanten Aussage die Stirn. "Denke ich.", fügte ich hinzu und versuchte mich dabei an einem schiefen Lächeln. Hatte ich zuvor noch genau gewusst, wie ich mein Anliegen darlegen wollte, fühlte ich mich plötzlich ein wenig verunsichert. Ein Gefühl, das mir noch fremd war und das ich nicht mochte. "Als ich von der Schwangerschaft erfahren habe, bin ich nur wenige Tage darauf aus der Stadt geflüchtet. Ich kam erst gestern wieder hier an. Vermutlich hätte ich dich sonst schon eher aufgespürt." Das Lächeln war mittlerweile fast gänzlich aus meinem Gesicht verschwunden. Stattdessen beobachtete ich meinen Gegenüber mit einer Mischung aus Interesse und Besorgnis. "Also nicht, dass ich dich beim Schloss erwartet hätte. Deshalb war ich auch ein klein wenig überrascht, als du plötzlich da standst. Was dir sicherlich nicht entgangen ist.", fuhr ich fort und grinste nun doch, wenn auch sichtlich gequält bei der Erinnerung an diesen Zusammenstoß. "Jedenfalls, denk nicht, dass ich irgendwelche Erwartungen habe oder so. Ich wollte nur, dass du es weißt und..ich weiß auch nicht. Die Möglichkeit hast was dazu zu sagen.", erklärte ich nun endlich meine Beweggründe, ehe ich noch immer unsicher lächelnd die Schultern zuckte. "Außerdem fände ich es ganz schön wenigstens deinen Namen zu kennen."

~~~

Entschuldigen wollte sie sich. Dachte sie zumindest. Ihren Zügen nach zu urteilen war sie sich da selbst nicht ganz sicher und versuchte diese Tatsache mit einem schiefen Lächeln zu kaschieren. Oder konnte sie einfach nicht anders? Ohne äußerlich eine Regung zuzulassen, ließ ich ihr Gesicht wieder frei und lauschte ihren darauf folgenden Schilderungen. Ich fragte mich, ob sie ihre Geschichte bewusst in die Länge zog, um die Beantwortung meiner Frage möglichst hinauszuzögern. Ich fragte mich so einiges, während ich ihre zunehmend ernster werdende Miene betrachtete. Doch all dies verlor an Bedeutung, sobald die eigentliche Erkenntnis zu mir durchdrang. Der Grund für meine Anwesenheit, den sie nicht einmal über die Lippen bekam und die Worte stattdessen unausgesprochen in der Luft hängen ließ. Ohne, dass ich es verhindern konnte, fielen meine Augen auf die Wölbung ihres Bauches, in dem etwas Heranwuchs, was ich mit einem mal nicht mehr nachvollziehen konnte. Es dauerte seine Zeit, bis ich mich von dem Anblick lösen und stattdessen auf das Gesicht der Blonden konzentrieren konnte.
„Ha… sehr amüsant… wirklich.“, entwich mir ohne auch nur das kleinste Anzeichen eines Lächelns, ehe sich einen Arm hob und mir mit meinen Fingern fahrig über die Stirn strich. „Du solltest das Balg lieber jemandem unterjubeln, der sich darum kümmern kann.“

~~~

Entgegen meiner Vermutung, schien der Mann den Zusammenhang zwischen unserem Kennenlernen und meiner Schwangerschaft nicht erkannt zu haben und sichtlich beunruhigt beobachtete ich, wie er eine Weile den Blick auf meinen Bauch gesenkt hielt. Eine Handlung, die mich abermals schützend die Hand darauf legen ließ, ehe sich meine Vorhersage bewahrheitete und mein Gegenüber sehr deutlich die unbestreitbare Tatsache, dass er der Vater war in Frage stellte. Eine Reaktion, die ich ihm nur bedingt übel nehmen konnte, auch wenn sich meine Nackenhaare bei der Bezeichnung für das heranwachsende Leben in mir augenblicklich aufstellten. "Denkst du wirklich, ich würde mir ausgerechnet dich aussuchen, wenn das meine Absicht wäre?", erwiderte ich tonlos, ehe ich mich mit einem leisen Seufzen wieder in die Waagerechte begab. "Ob du mir nun glaubst oder nicht ist deine Sache. Wie ich bereits sagte, ich will nichts, also spielt es keine Rolle." Müde die Augen schließend, strich ich mir über die geschlossenen Lider und legte meinen Unterarm auf meiner Stirn ab, während ich das unangenehme Gefühl in meinem Inneren verdrängte, dessen Ursprung ich erst noch ergründen müsste. "Ich wollte mich nur nicht mein Leben lang fragen, was passiert wäre, wenn ich es dir erzählt hätte. Das weiß ich jetzt, also kannst du gehen."

~~~

Einige Augenblicke betrachtete ich noch die Schwangere, die offenbar das Gespräch mit mir aufgegeben hatte. War das wirklich die Frau, der ich damals im Wald begegnet war? Dasselbe, sorglose Wesen, nach dem ich auch noch einige Zeit danach nachts unbewusst Ausschau gehalten hatte? Ungläubig richtete ich mich auf, ohne meine Augen dabei von ihr zu lösen. „Dieses melodramatische Getue steht dir nicht, Schätzchen.“, entwich mir gedämpft. Es war falsch. Und es gefiel mir nicht. Unzufrieden über so einiges winkte ich ab und ließ die Blonde mit ihren Gedanken alleine, indem ich das tat, worum sie mich gebeten hatte. Ohne mich noch einmal umzusehen trat ich aus dem Raum und lenkte meine Schritte zum nächstbesten Ausgang. Was sollte dieser Verlauf der Dinge? Ich hatte mich heute doch bloß nach Arbeit umhören wollen. Stattdessen war ich in einen kleinen Familienkrieg geraten, in dem ich ungewollt eine leidtragende Rolle spielte. Vielleicht war es ja an der Zeit nach einer neuen Einnahmequelle zu suchen. In der Stadt wurde es langsam ohnehin zu voll. Frustriert schlug ich mir eine Hand vors Gesicht und raufte mir anschließend durchs Haar. Dann kehrte ich zurück. Einige Minuten lang stampfte ich den Gang entlang, der zu ihrem Zimmer führte, bis ich das Gefühl hatte mich ansatzweise beruhigt zu haben. Mit einem schweren Seufzen schob ich die Klinke herunter, ehe ich die Tür ein weiteres Mal aufschob und ungefragt hinein trat.
„Was hast du vor, wenn es erstmal da ist?“

~~~

Ich lauschte seiner Erwiderung mit noch immer geschlossenen Augen und war mir nicht ganz sicher, ob Enttäuschung in seiner Aussage mitklang oder er sich einfach nur lustig über mich machte. Doch das spielte derzeit auch keine Rolle. Was er als Melodramatik bezeichnete, war lediglich ein Ausdruck meiner Erschöpfung und die Akzeptanz, dass meine Vermutungen sich bewahrheiteten. Das redete ich mir zumindest ein, während ich ihm dabei lauschte, wie er den Raum verließ und mir damit die Möglichkeit gab, meine Empfindungen näher zu beleuchten. Die Erkenntnis, wie gleichgültig es ihm wäre, wenn das Kind in mir durch diesen Zwischenfall einen Schaden erlitten hätte, versetzte mir einen unerwartet heftigen Stich und ich kehrte der Tür den Rücken zu, als ich mich resigniert zur Seite drehte. Vielleicht wäre es ja besser so. Mit einer Mutter wie mir, ohne Vater und in einer Welt geboren, die unsereins verabscheute...ob Sara ähnliche Gedanken gekommen waren, als sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte? Und hatte der Andere, dessen Name ich noch immer nicht kannte vielleicht doch recht und ich dramatisierte die aktuelle Lage unnötig? Als hätte ich mir nicht schon selbst etliche Male gewünscht, dass ich mich nicht in diese Lage hinein manövriert hätte und weiterhin ohne Rücksicht mein Leben genießen könnte. Ein Gedanke, der mich nun schuldbewusst die Knie anziehen ließ, als unerwartet erneut jemand den Raum betrat. Hatte Kol die Nachricht also erhalten? Doch zu meiner Verwunderung war es die Stimme von zuvor, welche die Stille durchbrach. Irritiert drehte ich den Kopf zurück und betrachtete den Dunkelhaarigen, dessen Intention mir schleierhaft war. "Das weiß ich noch nicht. Erstmal muss ich so schnell wie möglich hier weg, bevor jemand herausfindet, wer ich bin. Dann...sehe ich weiter.", erwiderte ich stirnrunzelnd und wappnete mich innerlich schon mal gegen den nächsten verbalen Angriff.

~~~

Ihre Antwort war wenig einleuchtend. Doch in Anbetracht der Umstände irgendwie nachvollziehbar. Kurz erwiderte ich den Blick, den sie mir von ihrer Position aus zuwarf. Dann lenkte ich meine Aufmerksamkeit jedoch auf ihre Körpermitte. Auch, wenn alles in mir sich dagegen sträubte, trat ich langsam ans Bett und blieb erst stehen, als meine Beine sacht gegen das Bettgestell stießen. Unzufrieden presste ich meine Kiefer gegeneinander und atmete geräuschvoll durch die Nase aus, ehe ich einen Arm nach ihr ausstreckte und meine Finger zögerlich gegen ihren Bauch lehnte.
„Meinst du... du wirst eine gute Mutter?“

~~~

Misstrauisch verfolgte ich, wie sein Blick erneut zu meinem Bauch wanderte und unterdrückte ein Augenverdrehen, ehe er sich langsam und mit einigem Widerwillen in meine Richtung bewegte. Stand mir jetzt ein weiteres Déjà-vu bevor? Doch anstatt mein Gesicht, berührten seine Finger dieses Mal die Wölbung, unter der auch sein Kind verborgen lag und einem Impuls folgend, hätte ich beinahe seinen Arm weggestoßen, wenn nicht im selben Moment die kleine Bewegung des Ungeborenen mich abgelenkt hätte. Seit dem Zwischenfall im Wald war das die erste Regung, die ich bewusst wahrgenommen hatte und Erleichterung breitete sich in mir aus. Sie ließ mich sogar kurzzeitig den Mann an meiner Seite vergessen, doch seine Frage hallte in meinem Kopf nach und noch etwas zerstreut hob ich meinen Blick zu dem Dunkelhaarigen. "Ich bin wohl nicht das, was man als den mütterlichen Typ erachtet.", entgegnete ich stirnrunzelnd und fragte mich erneut, warum er eigentlich zurückgekommen war. "Aber ich werde mein Bestes geben.", fuhr ich leise fort und strich nun ebenfalls über das kleine Wunder in mir, wobei ich seine Finger versehentlich mit meinen streifte. Das brachte mich dazu abermals zu ihm aufzublicken. "Warum bist du wieder hier?", hörte ich mich interessiert fragen und neigte meinen Kopf ein wenig zur Seite um den Unbekannten abwartend zu betrachten.

~~~

Noch während ich auf ihre Reaktion wartete, spürte ich etwas, womit ich an dieser Stelle nicht gerechnet hätte. Eine Regung des Ungeborenen, die mich überrascht die Augenbrauen heben ließ. Instinktiv zog ich meine Finger zurück; nur ein kleines Stück, um von dem Gefühl nicht überwältigt zu werden. Zum Glück setzte die Blonde nun endlich zu einer Antwort an. Noch während die ersten Worte ihre Lippen verließen, lehnte ich meine Finger erneut gegen die sichtbare Wölbung ihres Bauches, in dem tatsächlich etwas herankeimte, an dem ich beteiligt gewesen sein sollte. Ich spürte ihre Augen auf mir, störte mich jedoch nicht wirklich daran. Viel wichtiger war der Abschluss ihrer Antwort, der fast einem Versprechen glich. Doch inwieweit konnte ich mich auf das, was sie gerade sagte, verlassen? Als sie mit ihren Fingern versehentlich die meinen streifte, ahmte ich ihre Reaktion nach und blickte zu ihr auf. Die Schwangere wollte wissen, weshalb ich wieder hier war.
„Wieso nicht? Es sieht gerade ziemlich schlecht mit Arbeit aus, also habe ich ohnehin nichts Besseres zu tun.“, erwiderte ich mit einem Schulterzucken, während ich betrachtete, wie meine eigenen Finger behutsam über ihren Bauch tasteten. „Bewegung ist ein gutes Zeichen?“

~~~

Seine Antwort entlockte mir ein erheitertes Schnauben, das vorrangig jedoch meine Verwirrung kaschieren sollte. Nicht nur über das Verhalten des jungen Mannes, sondern auch über meine eigenen Empfindungen, die widersprüchlicher zu meinen Gedanken nicht hätten sein können. Andererseits zeigte sich dadurch nur, dass ich trotz all der Geschehnisse nicht dazulernte.
Verwirrt richtete ich meine Augen wieder auf den Dunkelhaarigen, dessen Finger über meine Körpermitte fuhren. Eine Geste, die sich richtig anfühlte, obwohl sie intimer war, als jede andere, die ich bisher wahrgenommen hatte. "Es fühlt sich zumindest so an.", bestätigte ich mit einem Lächeln und konzentrierte mich auf die Regungen unter meiner Haut, ebenso wie auf die Bewegung seiner Finger, die synchron verliefen, als würde das Baby sich seiner Berührung entgegenstrecken. Ein schöner Gedanke, der mich jedoch zugleich verstummte und ablenkend sah ich zu der verschlossenen Tür hinüber. Was veranstaltete Kol nun schon wieder? Oder hatte die Frau die Nachricht noch nicht überbringen können? "Ich kann hier nicht bleiben.", murmelte ich mehr zu mir selbst und legte die Stirn nachdenklich in Falten. "Aber zuerst muss ich noch etwas erledigen." Ein leises Seufzen entrang mir, ehe ich mich noch ein wenig mehr aufrichtete und dann zögerlich verharrte. Eventuell hatte Kol schon jedes Eingreifen meinerseits überflüssig gemacht. "Verdammt, wo steckt dieser Kerl nur." , fluchte ich wütend; hauptsächlich über meine eigenen derzeitigen Unzulänglichkeiten.

~~~

„Hm.“ Ich war mir nicht sicher, was ich empfand. Nur, dass die Regungen unter ihrer Bauchdecke nicht aufhörten. Eine Reaktion, die durch Vieles ausgelöst werden konnte. Der eigentliche Grund war letztlich irrelevant. Fest stand, dass das kleine Ding es offenbar kaum erwarten konnte nach draußen zu kommen. In meine eigenen Gedanken vertieft, merkte ich den Stimmungswechsel anfangs nicht. Erst, als die Blonde die Stille durchbrach und einmal mehr verdeutlichte, dass sie nicht hier bleiben konnte, löste ich meine Augen von dem beunruhigenden Anblick und konzentrierte mich stattdessen auf ihr konzentriertes und alles andere als zufriedenes Gesicht. „Etwas erledigen?“, wiederholte ich automatisch ihre Aussage und fragte mich unweigerlich, was sie wohl meinen konnte. Meine Augenbrauen rückten gegeneinander, während sie sich aufrichtete. "Verdammt, wo steckt dieser Kerl nur."
„Sie hält ihn wahrscheinlich auf Trab.“, erwiderte ich recht leichtfertig, ehe ich mir mit den Fingern über das Kinn strich. In einer flüssigen Bewegung nahm ich ihr Angebot von zuvor an und ließ mich kurzerhand an der Bettkante nieder, ohne meine Augen dabei von ihr zu lösen. Die Finger behielt ich ebenfalls dort, wo sie bis eben gewesen waren. „Was kann so dringend sein, hm?“

~~~

Da es nur eine "Sie" gab, die wir gemeinsam kannten, musste ich nicht lange überlegen, von wem der Dunkelhaarige sprach. Beinahe wäre mir sogar eine weitere Warnung über die Lippen gerutscht, doch als er sich unerwartet nun doch auf den freien Platz an meiner Seite niederließ, lenkte er meine Aufmerksamkeit schnell wieder auf sich und verwirrt erwiderte ich den Blick meines Gegenübers, der mein zügelloses Mundwerk erneut auf die Probe stellte. "Glaub mir, das willst du gar nicht wissen.", erwiderte ich mit einem gequälten Lächeln und sah ablenkend an ihm vorbei, um meine Gedanken besser sortieren zu können. "Sagen wir einfach, er hat mich um einen kleinen Gefallen gebeten und es liegt in meinem Interesse, dem nachzukommen.", fügte ich hinzu, um ihn nicht gänzlich vor den Kopf zu stoßen. Vielleicht erhoffte ich mir auch, dass er seinerseits ebenfalls ein wenig mehr von sich preisgeben würde. Eine naive Hoffnung, aber ich war wohl ein unverbesserlicher Optimist. "Kol...Callum.", verbesserte ich mich schnell. "Man ist am sichersten, wenn man sich so weit wie möglich von ihm fernhält."
Mir wieder der Hand auf meinem Bauch bewusst werdend, sah ich kurz an mir herunter, ehe ich meine Augen wieder auf den Mann richtete, der mich vor so manches Rätsel stellte und eine Mischung aus Amüsement und Verwirrung in mir hervorrief. "Sag mal, bist du da etwa festgewachsen?"

~~~

Ein Gefallen in ihrem Interesse also. Mit einem leichten Nicken nahm ich ihre notdürftige Erklärung zur Kenntnis, ohne die Absicht weiter nachzuhaken. Viel interessanter war im Augenblick ihr angestrengtes Mienenspiel, während sie nach passenden Worten suchte. Ihre darauffolgende Aussage, die fast einer Warnung glich, gepaart mit den Geschehnissen im Wald, verschaffte mir ein recht klares Bild über das Gefüge. Also nickte ich ein weiteres Mal und ließ mir die Sorge, die allmählich in meinem Inneren keimte, nicht anmerken. „So viel habe ich mir bereits gedacht. Aber du weißt ja, wie das ist... manche spielen gerne mit dem Feuer.“ Ich rundete das Gesagte mit einem leichten Schulterzucken ab und hoffte, dass Kate wusste, was sie tat. Nicht, dass ich sie wirklich daran hindern konnte. Die plötzliche Frage der Schwangeren kam mir ziemlich gelegen, um meine Gedanken wieder auf eine unkompliziertere Bahn zu lenken. Richtig. Meine Hand. Amüsiert blickte ich zu meinen eigenen Fingern und tippelte kurz demonstrativ über ihren Bauch, ehe ich erneut zu ihr schaute.
„Nicht wirklich. Ich kam bisher nur noch nicht in den Genuss eine Schwangere zu befummeln. Der Bauch fühlt sich fester an, als ich angenommen hätte. Kannst du da überhaupt noch deine eigenen Zehen sehen?“

~~~

Mit dem Feuer spielen...Augenblicklich kamen mir mehrere Personen in den Sinn, auf die diese Aussage zutraf. Unter anderem ich selbst. Und im Bezug auf Kol gab es vermutlich keine bessere Umschreibung. Auch wenn ich mir noch nicht ganz sicher war, in wie weit die Geschehnisse meinen alten Freund tatsächlich verändert hatten. Ein Gedanke, der mich betrübte, weshalb ich meine Aufmerksamkeit schnell auf etwas anderes lenkte und froh war, dass mein Gegenüber auf diese Weise reagierte. Den Blick auf seine wandernden Finger gerichtet, ging mein Lächeln in die Breite, ehe ich noch immer amüsiert zu ihm aufblickte. "Das größere Problem ist eher an sie ranzukommen. Schuhe anziehen gestaltet sich als äußerst schwierig.", erwiderte ich und betrachtete den Dunkelhaarigen plötzlich aus einem anderen Blickwinkel. Möglicherweise würde ich für den Rest meines Lebens in eben dieses Augenpaar blicken, jedes Mal, wenn ich mein Kind betrachten würde. Meine Überlegung ließ mich kurzzeitig die Stirn runzeln und da von Kol noch immer kein Zeichen in Sicht war, galt meine gesamte Aufmerksamkeit dem Mann vor mir. "Da du ja momentan eh nichts Besseres zu tun hast, wie wäre es, wenn du mir hilfst, hier zu verschwinden?"

~~~

Ihre Antwort verleitete mich zu einem kurzen Lachen. Das war schon eher die Frau, die ich schwammig in Erinnerung hatte. Doch zu meiner Unzufriedenheit dauerte es nicht lange, bis ihre Stirn sich wieder in Falten legte. Natürlich verriet sie mir ihre Gedanken nicht. Und ich rechnete auch nicht damit die Überlegungen einer stimmungsschwankenden Schwangeren nachvollziehen zu können. Vor allem, wenn sie etwas mit Callum verband. "Da du ja momentan eh nichts Besseres zu tun hast, wie wäre es, wenn du mir hilfst, hier zu verschwinden?" Eine sonderbare Bitte, die sie da an mich richtete. Zweifelsohne alles andere, als vernünftig. Und trotzdem lächelte ich ihr schief zu, als ich zu einer Antwort ansetzte. „Wohin soll’s denn gehen?“
Obgleich der Vorschlag interessant genug klang und die Aussicht Callum vollkommen außer sich zu erleben verlockend war, zögerte ich, als meine Augen erneut auf ihren Bauch fielen. Mit nachdenklicher Miene zog ich meinen Arm langsam wieder zurück und wägte dabei meine Optionen ab. „Wird der Wurm da drin keinen Ärger mehr machen?“

~~~

"Callum in den Arsch treten würde vermutlich nicht schaden.", entgegnete ich Augenverdrehend, ehe ich einen tiefen Seufzer verlauten ließ und nachdenklich meinen Blick auf den Dunkelhaarigen richtete. "Irgendein Soldat namens Tarly, glaube ich. Am liebsten direkt so weit wie möglich von hier weg, aber nun ja..." Ein schiefes Lächeln zierte meine Lippen, als ich leicht mit den Schultern zuckte und zu spät bemerkte, dass ich vermutlich erneut zu viele Informationen preisgegeben hatte. Doch seine nachfolgende Frage lenkte mich schnell vom diesem Gedanken ab und frustriert ließ ich mich auf meine ausgestreckten Arme zurücksinken. "Mir wurde Bettruhe angeordnet.", gab ich unzufrieden zu und unterdrückte ein weiteres Seufzen. "Deshalb muss Callum erstmal weiter Packesel spielen. Zumindest bis ich wieder Zuhause bin.", erklärte ich und ließ albern den Kopf zur Seite fallen. Dann jedoch wurde mir klar, dass ich mich schlecht von meinem Freund zum Versteck zurückbringen lassen konnte. Ein Umstand, der mich abermals verstimmte. Doch noch während ich über eine Lösung sinnierte, fiel mir plötzlich etwas anderes ein und augenblicklich saß ich kerzengerade im Bett und starrte meinem Gegenüber überrascht an. "Du hast Annie gerettet! Hast du sie gerettet? Geht's ihr gut? Gott, du hast ihr doch hoffentlich nicht diesen furchtbaren Haseneintopf vorgesetzt."

~~~

Ihre Worte verleiteten mich zum nächsten Grinsen. Wenn ich so darüber nachdachte, hätten die wenigsten wohl etwas dagegen dabei zuzusehen, wie jemand Callum den gar ausmachte. Trotz der stetigen Erfolge, die der Schwertkämpfer erzielte, erfreute er sich aufgrund seiner Methoden nicht unbedingt der größten Beliebtheit. Dieser unterschwelligen Uneinigkeit im Schloss hatten die Azallen es wohl letztlich auch zu verdanken, dass sie immer noch unentdeckt geblieben waren. Man konnte jedoch nie wissen, wie lange ihre Glückssträhne noch anhalten würde. Mit dem zweiten Namen, den die Blonde nannte, konnte ich etwas weniger anfangen. Tarly? Hatte ich den Namen schon mal gehört? Vielleicht hatte ich ja doch etwas, womit ich mir hier noch die Zeit vertreiben konnte.
Die Antwort auf meine andere Frage fiel weitaus weniger zufriedenstellend aus. Der jungen Frau wurde von den Ärzten Bettruhe verordnet. Das schloss schon mal eine waghalsige, aufregende Fluchtaktion aus. Kurzerhand hatte sie ihren Bekannten als Lastenträger umfunktioniert, schien jedoch noch selbst nicht ganz von ihrer eigenen Idee überzeugt zu sein. Meine Antwort darauf gerade abwägend, wurde ich Zeuge, wie sie abrupt in eine senkrechte Position gelangte und ihre großen Augen dabei aufgeregt auf mich richtete. Was würde denn jetzt kommen? Prompt nannte sie den Namen einer Frau, die ich gerettet haben sollte. Ich wollte diese Behauptung gerade mit erhobenen Augenbrauen abstreiten, als mir einfiel, dass ich in den vergangenen Tagen tatsächlich einer Dame in Not geholfen hatte. Ihr Name war also Annie. Interessanter war jedoch die Frage, woher die Blonde neben mir davon wusste.
„Ach... die ist mittlerweile wahrscheinlich ausgebüchst... konnte es kaum erwarten das Weite zu suchen, kaum dass sie sich auf den Beinen halten konnte. Jetzt weiß ich wohl auch, wieso.“
Einige Augenblicke lang betrachtete ich ihre Züge aufmerksam, ehe ich auf den zweiten Teil ihrer Aussage einging.
„Und im Gegensatz zu dir war sie nicht wählerisch, was meine Kochkünste anging. In ihrem Zustand konnte sie sich sowas wohl auch nicht wirklich erlauben. War mir nicht sicher, ob sie es schafft. Trotz allem scheinen euresgleichen ziemlich robust. Oder sie hatte einfach Glück. Vielleicht ja ein bisschen von beidem.“

~~~

Erleichterung durchströmte mich, als mir der Mann versicherte, dass Annie den Angriff überlebt hatte. Aufgrund der schrecklichen Bilder in meinem Kopf, hatte ich daran erhebliche Zweifel gehabt und wäre er nicht eingeschritten, hätten sich meine Befürchtungen wohl bewahrheitet. "Ja, ich weiß schon, warum sie so schnell wie möglich zurückwollte.", erwiderte ich mit einem matten Lächeln, ehe ich seinem Zusatz sichtlich amüsiert lauschte. "Nun, so ist Annie. Vermutlich würde sie aus Höflichkeit alles essen, was man ihr anbietet.", erwiderte ich nun noch breiter grinsend. Die Anspannung schien mittlerweile fast gänzlich von mir abgefallen zu sein und ich vermutete, dass auch mein Gegenüber maßgeblich daran beteiligt war. Immerhin hatten wir schon damals recht gut harmoniert und in dieser feindlichen Umgebung war er so gesehen gerade die einzige Person, die mir ein Gefühl der Sicherheit bieten konnte. Kol schien ja immer noch mit anderen Dingen beschäftigt zu sein. "Ja, vermutlich etwas von beidem.", stimmte ich dem Dunkelhaarigen murmelnd auf seine weiteren Worte zu, ehe ich mich aus meinen Gedanken riss und ihn nun offenkundig betrachtete. "Frauen in Nöten zu helfen gehört wohl zu deinem Spezialgebiet.", feixte ich wieder erheitert, ehe ich mich etwas näher zu ihm schob. "Was mich zu meiner Bitte zurückbringt. Also, hilfst du mir diesen Tarly zu finden?"

~~~

Offenbar hatte ich mit meinen Vermutungen richtig gelegen. Die Beschreibung der jungen Frau deckte sich mit dem, was die Blonde von ihr kannte. Ein höfliches Wesen voller Tatendrang. Persönlich fiel mir auf Anhieb mindestens noch eine weitere Eigenschaft ein, die beide Frauen verband. Doch ich behielt diesen Gedanken vorerst für mich und konzentrierte mich stattdessen auf ihre nächste Feststellung. "Frauen in Nöten zu helfen gehört wohl zu deinem Spezialgebiet." Überrascht hob ich die Augenbrauen, während sie den Abstand zwischen uns verringerte. „Nicht wirklich.“ Meine Antwort übergehend, kam die Blonde auf ihre vorige Bitte zurück und fragte, ob ich ihr helfen würde besagten Tarly zu suchen. Die Angelegenheit schien ihr tatsächlich ziemlich wichtig zu sein. Also sah ich davon ab sie unnötig auf die Folter zu spannen. „Wieso nicht. Klingt nach einem annehmbaren Zeitvertreib.“, erwiderte ich nickend, ehe ich das erste Problem aufwarf, welches mir in den Sinn kam. „Aber ich glaube es kommt etwas komisch, wenn ich mit einer Schwangeren auf den Armen durch die Gegend laufe und nach einem Tarly suche.“ Nachdenklich legte ich den Kopf schief, ohne meine Augen dabei von ihr zu lösen. „Worum geht es hier überhaupt? Müsst ihr was besprechen, oder ist der Kerl einfach nur ein Dorn im Auge?“, fragte ich gelassen, während ich zur Unterstreichung meiner Worte mit meinem Zeigefinger eine waagerechte Linie entlang meiner Kehle zog.

~~~

Um ehrlich zu sein, hatte ich daran gezweifelt, dass mein Gegenüber wirklich dazu bereit wäre, mir bei dieser Angelegenheit zu helfen. Weshalb sich ein ehrliches Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete, als er diese Möglichkeit nun doch einräumte. Doch sogleich bemerkte er, dass sich mein Vorhaben als schwierig erweisen konnte und allein die Vorstellung ließ meine Mundwinkel noch mehr in die Breite gehen. Doch noch ehe ich ihn darauf hinweisen konnte, dass dies nicht meine Absicht gewesen war, fuhr der Dunkelhaarige fort und ich lauschte abwartend seinen weiteren Worten. Bei seiner Geste öffnete ich überrascht den Mund und schüttelte energisch den Kopf, damit es gar nicht erst zu Missverständnissen kommen konnte. "Verdammt, nein! Ich will ja gerade verhindern, dass Kol diesen armen Jungen einen Kopf kürzer macht.", stellte ich deutlich klar und stieß noch immer Kopfschüttelnd ein stilles Seufzen aus. "Was ist nur falsch bei euch, dass ihr das als erste Lösung für jedes Problem anseht." Mit einer abwinkenden Handbewegung nahm ich meine Aussage zurück und warf einen kurzen Blick aus dem Fenster, ehe ich mich wieder zu dem rätselhaften Mann umwandte. "Bring ihn einfach her, wenn das möglich ist. Und bitte an einem Stück, ja?"

~~~

Interessiert verfolgte ich, wie der Mund der Blonden bei meinen Worten aufklappte und sie energisch mit dem Kopf schüttelte, um ihrer offensichtlichen Bestürzung Ausdruck zu verleihen. Im nächsten Augenblick folgte auch schon ein verbaler Ausbruch, der mich die Augenbrauen heben ließ. So, wie es aussah, hatte ich sie falsch eingeschätzt. Die Schwangere betrieb den ganzen Aufwand, um ein Leben zu retten. Und offenbar war ich nicht der erste, der ihr fälschlicherweise die einfachste Lösung untergebreitet hatte, ohne dabei zu bedenken, dass die einfachste Lösung in ihren Augen nicht unbedingt auch die beste war. Unschlüssig folgte ich ihrem Blick, als sie zum Fenster schaute und fragte mich dabei, weshalb sie so viel riskierte, um einem Jungen zu helfen, den sie offenbar nicht kannte. Sobald sie sich mir wieder zuwandte, richtete auch ich meine Augen auf das wirre Geschöpf, welches mich darum bat besagten Tarly möglichst in einem Stück zu ihr zu bringen. So, wie ich das Leben kannte, würde es mir nicht viel bringen sie nach weiteren Informationen zu fragen. Also nickte ich stattdessen und schenkte der Schwangeren ein zuversichtliches Lächeln, ehe ich mich schwungvoll aufrichtete.
„Okay. Tarly. Möglichst an einem Stück. Bin gleich wieder da. Rühr dich nicht von der Stelle, ja?“

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