#106

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 11.05.2017 16:39
von Annika • Nesthäkchen | 22 Beiträge



Ihr Verstand war noch so klar, um zu erkennen, dass er eindeutig ein wenig überwältigt von den Nachrichten war. Ein wenig verwunderte es sie doch, wie sein Kopf das verarbeiten konnte, vor allem nachdem er gerade erst aufgewacht war. Mehr als ein wenig nicken und gähnen hätte sie kaum zustande bekommen, vielleicht noch ein verschlafenes Lächeln. Allmählich holte sie dann aber die Müdigkeit ein, ihre Gedanken wanderten langsam aber sicher zu ihrem Bett. Was sie noch mitbekam, war die Verabschiedung von Astraea, die ihre Gedanken wohl auch ihrem Bett gewidmet hatte und sich auf den Weg zu diesem machte. „...Wie ist Erasmus...?“, „...Wer ist denn...“, lediglich Fetzen seiner Worte schafften es bis in ihr Gehirn. Sie wollte ihn unterbrechen, bis die kleine Meldung „Ich glaube, mir wird gleich schlecht“, kam. Mit einem kleinen Blinzeln fand sie wieder zurück zu ihm. Ja, das dachte sie sich auch nach dem ganzen Laufen, wirklich wohl war ihr nicht zumute. Als er ihr dann aber bestätigte, dass es mit seinem Kopf schon ginge, war sie erleichtert. Immerhin eine gute Neuigkeit. "Ich werde schon wieder. Mein Dickschädel steht das durch. Darin ist sowieso nichts, was man kaputt machen könnte", nach dieser Meldung lächelte sie und es fühlte sich gut an, etwas anderes als eine traurige Miene mit sich herum zu tragen. „Freut mich“, sie klopfte ihm sachte auf die Schulter, sich fast schon schlecht fühlend, ihn erneut alleine zu lassen. „Aber ich fürchte, ich muss dich wieder alleine lassen. Du bist nicht der einzige mit Kopfweh momentan“, meinte sie, immer noch lächelnd. „Gute Nacht, Rowan. Und gute Besserung“, mit diesen letzten Worten machte sie sich auf zu ihrem Zelt. Nachdem sie sich ihrer Kleidung entledigt hatte, ließ sie sich in ihr Bett fallen, hüllte sich in ihre Decke und schloss die Augen mit der Hoffnung, bald in einen tiefen Schlaf zu fallen und nicht von diesem Abend zu träumen. Leider wurde ihr dieser Wunsch nicht gewährt, zumindest nicht sofort. Sie lag eine gefühlte Ewigkeit wach, so fühlte es sich auf jeden Fall für sie an. Wie spät war es denn mittlerweile? Pola hatte mittlerweile aufgehört zu zählen, es sollte zur Ablenkung dienen. Auch war keine Position nur annähernd gemütlich. Ohne Decke war es zu kalt, mit Decke zu heiß. Ein Bein raus? Nein, auch nicht. Irgendwann reichte es ihr. Frustriert stand sie wieder auf, sich auf ihrem Schrank abstützend. „Ich will doch nur meinen Schlaf“, seufzte sie und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Ein Blick in den Spiegel würde ihr bei der Dunkelheit ebenfalls wenig bringen. Wie und wann sie wieder in ihr Bett gekommen war, konnte sie sich nicht erinnern. Nur, dass der Schlaf sie dann doch irgendwann eingeholt hatte.


zuletzt bearbeitet 11.05.2017 19:19 | nach oben springen

#107

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 11.05.2017 22:12
von Pummel • Eumelchen <3 | 295 Beiträge



Wieviele Azallen hatten heute Nacht ihr Leben gelassen? Wieviele unnötige Tode, die ich hätte verhindern können, wäre ich nur wachsamer gewesen. Hatte ich das beißende Gefühl in meinem Inneren zuerst mit Angst verwechselt, war mir mittlerweile klar, dass dem etwas ganz anderes zu Grunde lag. Schuld.
Meinen Kopf gegen die kalte, feuchte Kerkermauer gelehnt, lauschte ich den herannahenden Schritten, ohne mir über deren Herkunft Gedanken zu machen. Was spielte es jetzt noch für eine Rolle, was als nächstes passierte? Doch als eine Stimme meinen Namen flüsterte, mit der ich nicht gerechnet hatte, zwang ich mich aus meiner Trance und richtete mich langsam auf. "Ich bin hier."
Der Gestank von verbranntem Fleisch lag in der Luft und meine eigenen Erinnerungen versetzten mich einige Jahre zurück, ehe ich meine Aufmerksamkeit wieder auf das Hier und Jetzt richtete. "Sie haben dir das Mal verpasst...", stellte ich nüchtern fest, aus Mangel der Dinge, die ich sagen konnte, die dieser Situation angemessen waren. Bedächtig näherte ich mich meinem Mitinsassen, der die schmerzhafte Empfindung in mir noch steigerte. Und obwohl ich wusste, dass es bedeutungslos war, rutschten mir die Worte über die Lippen, noch ehe ich in der Lage war sie zurückzuhalten. "Es tut mir so leid..."

~~~

Ich hielt inne, als jemand tatsächlich auf meine Worte reagierte. Aneela. Sie war hier. Ein erleichterter Laut entfuhr mir, während ich darauf wartete, dass meine Augen sich an die Dunkelheit in der Zelle gewöhnt hatten. Der bleierne Geschmack von Blut lag immer noch auf meiner Zunge, der Kiefer fühlte sich so an, als hätte jemand versucht ihn gewaltsam aus meinem Schädel zu reißen. An den schmerzenden Arm wollte ich gar nicht erst denken. Aneelas nächste Worte brachten etwas Aufschluss über die Geschehnisse. Man hatte mich also als Azallen gebrandmarkt. Ähnlich wie das manchmal bei Viech üblich war. Keine besonders tröstende Vorstellung. Aber andererseits eine amüsante Anekdote, falls ich es irgendwann aus dieser Stadt raus schaffen sollte.
Allmählich erkannte ich die Umrisse der Frau, die sich mir langsam näherte. Unvermittelt entschuldigte sie sich bei mir für das, was uns zugestoßen war. Eine Reaktion die mich, trotz der Schmerzen, kurz auflachen ließ.
„Schon gut. Lad mich einfach auf ein Bier ein, wenn das hier vorbei ist. Dann sind wir quitt.“
Ein halbherziger Scherz, der mir half problematische Empfindungen gedanklich zu überbrücken. Ich hatte zumindest noch nicht vor das Handtuch zu werfen. Ächzend strich ich mir kurz über den schmerzenden Kiefer und richtete Meine Augen anschließend zur Dunkelhaarigen vor mir.
„Bei dir alles gut? Wir kommen hier raus, okay? Ist nicht das erste Mal, dass ich mich bis zum Hals in die Scheiße geritten habe...“
Während ich auf eine Antwort wartete, kam ich wackelig auf die Beine und trat zur Zellentür. Sie war robuster als erhofft. Es würde nicht leicht sein sie aufzubrechen. Ein kurzer Blick zur mit Gittern besetzten Öffnung kurz unterhalb der Decke an der gegenüberliegenden Seite war ebenfalls nicht erfolgversprechend. Keiner von uns würde sich dort hindurch zwängen können. Und der Boden unter meinen Füßen fühlte sich zu hart an, um durchdrungen zu werden. Vielleicht ließe ja eine der Wachen mit sich reden? Falls es eine Lücke gab, war ich dazu entschlossen diese zu finden. Doch für den Augenblick war es wohl ratsam Kräfte zu sparen.
„Okay, es wird vielleicht nicht so leicht, wie erhofft... warst du schon mal hier? Oder irgendwer anders, der es raus geschafft hat...“

~~~

Ethans Versuch diese Situation mit einer scherzhaften Bemerkung zu überspielen, quittierte ich lediglich mit einem leicht gequälten Lächeln, ehe ich meinen Gegenüber näher in Augenschein nahm - und es augenblicklich bereute. Dass er überhaupt noch atmete, war einem Umstand zu verdanken, der vermutlich ein noch schlimmeres Ende mit sich bringen würde. Und auch, wenn der Azalle dies nach außen hin leichtfertig abtat, fiel es mir bedeutend schwerer, meine wirklichen Gefühle zu verbergen und die Tatsache zu ignorieren, dass wir sehr wahrscheinlich beide nicht mehr lebend aus dieser Zelle kommen würden.
Meine Gedanken wurden jedoch unterbrochen, als Ethan sich nach meinem Befinden erkundigte und mir im selben Atemzug versicherte, dass ich keinerlei Grund zur Sorge hatte. Nur mit Mühe schaffte ich es, ihn nicht anzusehen, als würde ich an seinem Verstand zweifeln. Optimismus schön und gut, aber in unserer heiklen Lage, waren seine Worte leer und unbedeutend. Nun, zumindest fast.
"Dann haben wir ja was gemeinsam...", erwiderte ich deshalb nur leise und beobachtete dann meinen Gefängnisinsassen schweigend bei seiner kleinen Erkundungstour. Es dauerte nicht lange, bis der junge Mann zu dem Entschluss kam, dass meine Bedenken vielleicht nicht gänzlich unbegründet waren. Bei seiner Frage schüttelte ich kaum merklich meinen Kopf, ehe ich seinem Beispiel folgte und mich nun ebenfalls erhob. Noch etwas wacklig auf den Beinen, ging ich hinüber zu den Gittern und versuchte zu erhaschen, was am Ende des langen Ganges besprochen wurde. "Nein. Niemand, der hierher gebracht wurde, kam je wieder zurück.", antwortete ich nun leise und fragte mich, ob es an diesem Punkt nicht besser gewesen wäre, die Wahrheit ein wenig zurechtzubiegen. Das leichte Lächeln, dass ich ihm daraufhin zuwarf, konnte meine Worte jedoch auch nicht hoffnungsvoller gestalten. "Sie reden über uns...", bemerkte ich nach einigen Sekunden und war selbst erstaunt darüber, wie resigniert sich meine Stimme anhörte. Ablenkend richtete ich meine Aufmerksamkeit deshalb wieder zu Ethan. "Heute ist nicht dein Glückstag, hm?"

~~~

Der Versuch die gedrückte Stimmung aufzulockern misslang. Meine Zellengenossin zeigte kaum Reaktion auf meine Worte. Ehrlich gesagt konnte ich es ihr nicht wirklich verübeln. Für mich waren die unzähligen toten und verletzten fremde gewesen. Doch für Aneela war jedes der Gesichter Teil einer großen Familie, die sie heute endgültig verloren hatte. Ich konnte beim besten Willen nicht nachempfinden, was sie gerade fühlen musste. Und als ob das noch nicht genug wäre, waren wir in einem Kerker gelandet, aus dem es scheinbar kein Entkommen gab. Seufzend betrachtete ich die Dunkelhaarige, die wohl versuchte die gedämpften Gespräche am Ende des Ganges herauszuhören.
"Sie reden über uns...", hörte ich sie nach einigen Augenblicken resigniert sagen. Ob sie sich diese Tatsache nur einbildete? Oder hatten die Azallen in den hiesigen Wäldern allesamt verschärfte Sinne? Denn im Gegensatz zu ihr konnte ich nichts Verständliches heraushören. „Wollen wir mal hoffen, sie kommen in absehbarer Zeit auf keine komischen Ideen.“
Aneela lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf sich, als sie ein weiteres Mal die Stimme erhob.
"Heute ist nicht dein Glückstag, hm?"
„Achwas... na okay... vielleicht... aber immerhin stehe ich noch... im Gegensatz zu den armen Teufeln auf der Lichtung.“
Dies war keine gute Überleitung. Aber andererseits brachte es wohl auch nichts die Tatsachen zu beschönigen. Den Azallen auf der Lichtung konnte nicht mehr geholfen werden. Doch wir waren noch am Leben. Also mussten wir uns darauf konzentrieren so schnell wie möglich zu entkommen. Es wurde an der Zeit die Sache ein wenig zu beschleunigen.
„Hey, ihr da hinten!“, rief ich den Wachen entgegen, deren Gespräch augenblicklich verstummte. Um sie nicht gänzlich vor den Kopf zu stoßen, zwinkerte ich Aneela kurz zu und deutete ihr mit einer kurzen Handbewegung still zu bleiben. „Ich glaube ich habe da etwas, was euch interessieren könnte! Hey, hört mich kurz aus, ihr habt doch nichts zu verlieren, oder? Kommt schon Jungs... lasst mich nicht hängen!“
Kurz befürchtete ich, dass sie mich vollkommen ignorieren würden. Doch dann hörte ich schleifende Schritte, die uns näherkamen. Bis schließlich ein kräftig gebauter Mitt-Vierziger vor der Zelle auftauchte und verärgert zu uns blickte. Enthusiastisch und mit einem schelmischen Lächeln auf den Lippen führte ich einfach weiter.
„Als Wachen wisst ihr doch sicher, wozu wir Azallen in der Lage sind? Ganz zufällig verfüge ich über eine Fähigkeit, die euch vielleicht von Nutzen sein könnte.“
Verschwörerisch beugte ich mich zu den Gittern vor und wollte gerade, etwas leiser, weitersprechen, als der Mann mich unvermittelt am Hals packte und meinen Kopf dabei gegen die Stäbe schlug, ehe er mich angeekelt von sich stieß. Hustend landete ich auf meinem Allerwertesten und nahm seine knurrende Stimme dabei nur am Rande wahr.
„Ein Wort mehr und ich drehe dir persönlich den Hals um. Behaltet eure schönen Geschichten für den Henker auf, Abschaum.“
Der Kerl hatte mehr Kraft, als ich anfangs angenommen hatte. Als ich aufblickte, war der Mann bereits wieder aus meinem Sichtfeld verschwunden. Ich hörte nur noch seine schlürfenden Schritte, die zunehmend leiser durch den Gang hallten. Auf meinen Lippen bildete sich ein Grinsen, als ich Aneela im nächsten Augenblick einen hölzernen Kamm entgegenhielt.
„Besser, als nichts...“
Nicht gerade zimperlich brach ich einige Borsten an einem Ende des Gebrauchsgegenstandes ab und begann diesem mithilfe eines passenden Steines eine spitze Form zu verleihen. Die provisorische Waffe würde uns zwar nicht aus der Zelle helfen. Aber sie würde uns zumindest einen Vorteil verschaffen können. Zumindest hoffte ich das.

~~~

Mein Magen verkrampfte sich schlagartig, als Ethan von den Opfern des vorherigen Angriffs sprach und augenblicklich kehrten die schrecklichen Bilder zurück, die ich so rigoros zu verdrängen versuchte. All diese blutüberströmten Körper jener, die ich zu meiner Familie zählte und deren Anblick sich in der Zeit unseres Aufbruchs schmerzhaft in mein Gedächtnis gebrannt hatte. Selbst jene Menschen, die ich nicht entdeckt hatte, vermochten dieses Gefühl nicht zu verbessern. Immerhin waren einige der Soldaten nachträglich zu uns hinzugestoßen und hatten ihrem Befehlshaber Bericht erstattet. Namenlose Opfer, die für die Soldaten keinerlei Bedeutung hatten.
Die Stimme meines Begleiters beförderte mich unerwartet zurück in die Gegenwart und verwirrt erwiderte ich seinen Blick, als er mir signalisierte, mich nicht einzumischen, bei was auch immer er vorhatte. Ich widerstand dem Drang es dennoch zu tun nur ungern, doch war es ohnehin zu spät, sein Handeln rückgängig zu machen. Also verharrte ich folgsam an Ort und Stelle und hoffte einfach, dass Ethan wusste, was er da tat. Auch wenn ich zugegebenermaßen nicht davon überzeugt war, dass er begriff, wie heikel unsere Situation tatsächlich war. Als der Soldat sich kurz darauf dem Gitter näherte, spürte ich die Unruhe in mir aufkeimen und musste mich dazu zwingen, Ethans stumme Bitte weiter zu befolgen. Als der Kerl jedoch nach seinem Hals griff, bereute ich meine Entscheidung augenblicklich.
Untätig musste ich mit ansehen, wie dem Azallen seine Handlung zum Verhängnis wurde und besseren Wissens, stieß ich dem Wächter einen Fluch hinterher, ehe ich mich besorgt umwandte. Unerwartet heiter, erwiderte der Blondschopf meinen Blick und präsentierte mir im nächsten Atemzug auch schon seine ergaunerte Beute.
"Man kann zumindest nicht behaupten, dass du dir leicht die Stimmung vermiesen lässt..", bemerkte ich mit einem kleinen Seufzen und beobachtete ihn dann stillschweigend bei seiner Arbeit. Ob nun durch Ethans unerschütterlichen Optimismus, oder den neu geschürten Hass auf Eochaid und seine Männer; in mir regte sich ein gewisser Trotz, nicht so gebrochen meine letzten Stunden zu verbringen und nachdenklich begann ich die kleine Zelle auf und ab zu gehen. Dann verharrte ich plötzlich wie erstarrt, als ich eine neue Stimme ausmachte, die mir nur allzu bekannt war. "Ethan..." Ich ging vor dem Azallen in die Hocke und blickte ihn eindringlich an, um den Ernst meiner nachfolgenden Worte zu unterstreichen. "Der Mann der jeden Moment kommt, wird keine Sekunde zögern, dich zu töten. Also folge auf keinem Fall meinem Beispiel, okay?", bat ich ihn mit gedämpfter Stimme, damit der Herannähernde unter keinen Umständen etwas davon mitbekam.
"Sieh mal an, wen haben wir denn da?", ertönte es nur wenige Sekunden darauf süffisant hinter mir und ich festigte meine Miene, ehe ich wieder auf die Beine kam und mich langsam zu Corboz umdrehte. "Wahrlich ein Anblick, an den ich mich gewöhnen könnte."
Angewidert erwiderte ich die Blicke des Hauptmanns, der in Begleitung zweier weiterer Wachen vor der Zelle zum Stehen gekommen war und sichtlich zufrieden wirkte. "Corboz...das Alter steht dir gut. Hält mich gerade noch davon ab, mein Essen wieder hoch zu würgen, wenn ich dich ansehe.", erwiderte ich und verschränkte die Arme abwehrend vor meiner Brust, um meine Haltung zu bewahren. "Kommst du dir ansehen, wie ein anderer geschafft hat, was du seit Jahren versuchst? Muss ziemlich erniedrigend sein, oder?", grinste ich und konnte dabei beobachten, wie ein dunkler Schatten über sein Gesicht huschte, ehe auch seine Mundwinkel in die Breite gingen. "Oh, ich werde dir dein freches Mundwerk schon noch austreiben. Verlass dich drauf. Und dieses Mal, wirst du deine Erinnerungsstücke nur an einen Ort mit hinnehmen können..."

~~~

"Man kann zumindest nicht behaupten, dass du dir leicht die Stimmung vermiesen lässt.." Eine Bemerkung, die das Grinsen auf meinen Lippen in die Breite gehen ließ. „Dafür ist das Leben zu kurz.“, entgegnete ich leichtfertig, ohne meine Tätigkeit dabei zu unterbrechen. Aneela beobachtete mich kurz bei meiner Arbeit. Dann ging sie dazu über die Zelle auf und ab zu laufen. Gerne hätte ich ihr eine produktivere Tätigkeit angeboten. Doch unter den jetzigen Umständen erwies es sich schwer etwas Passendes zu finden. Ich blickte auf, als sie nach einiger Zeit meinen Namen nannte und sich vor mir herunter hockte. "Der Mann der jeden Moment kommt, wird keine Sekunde zögern, dich zu töten. Also folge auf keinem Fall meinem Beispiel, okay?", bat sie mit gedämpfter Stimme, die eine alarmierende Dringlichkeit vermittelte. Anscheinend war der Dunkelhaarigen ihr Anliegen sehr ernst. Also nickte ich knapp und verstaute den Kamm an einer sicheren Stelle, sobald ich näher kommende Schritte vernahm. Dann tauchte auch schon der Mann vor der Zelle auf, vor dem mich die Azalle zuvor gewarnt hatte. Auf den ersten Blick sah er nicht besonders auffällig oder interessant aus. Zumindest, wenn man von seiner Rüstung absah, die sich derer von gewöhnlichen Soldaten unterschied. Er war also ein hohes Tier.
Stumm verfolgte ich das darauf folgende Gespräch zwischen der Gefangenen und ihrem Peiniger. Wieso provozierte Aneela ihn, wenn er so gefährlich und skrupellos war? Gehörte das so? Hatten die beiden eine Vergangenheit, die solchen Umgang erforderte? Oder versuchte das dumme Mädchen mich mit ihrem Verhalten aus der Schusslinie zu bringen? Vielleicht wusste sie, dass man ihr vorerst nichts tun würde? Denn im Gegensatz zu ihr war ich ein Niemand, der keinen interessierte. Unzufrieden presste ich die Lippen aufeinander und wartete auf eine Gelegenheit.

~~~

Corboz Drohung nahm ich äußerst unbeeindruckt entgegen. Bereits auf der Lichtung hatte ich gewusst, wo das alles enden würde, weshalb seine Worte nur bewirkten, dass ich mich an unseren Zusammenstoß vor zwei Jahren zurückerinnerte. Damals war ich Dank Gabriels Hilfe meinem Schicksal entkommen. Doch dieses Mal, würde niemand kommen, um mich zu retten. Innerhalb dieser Mauern, war jeder auf sich gestellt. Nicht, dass wir es nicht versucht hätten. Einmal. Danach nie wieder.
"Bist du fertig?", fragte ich, nachdem der Hauptmann mich einige weitere Sekunden abwartend angeblickt hatte und entlockte ihm damit ein unzufriedenes Knurren. "Wir fangen gerade erst an...Aufschließen."
Bei seinem letzten Wort versteifte ich mich unwillkürlich und während eine der Wachmänner an dem Schloss hantierte, flackerte mein Blick zu Ethan, der zum Glück meiner Bitte nachgekommen war. Bis jetzt. Ich war mir nicht sicher, ob er diese Gelegenheit nicht ergreifen würde, um sein neues Spielzeug auszuprobieren. Und obwohl meiner Fantasie, was spektakuläre Rettungsaktionen anbelangte, kaum Grenzen gesetzt waren, gab es kein Szenario, dass ich mir vorstellen konnte, indem wir mit einer provororischen Waffe an drei Soldaten vorbeikommen konnten. Ganz zu Schweigen von den restlichen Wachen, die überall postiert waren und vermutlich nicht zimperlich wären, wenn sie uns erwischen würden. Andererseits, was hatten wir zu verlieren?
Doch bevor wir überhaupt mehr, als diesen Blick tauschen konnten, wurde uns diese Möglichkeit bereits geraubt. "Haltet mir den da vom Hals.", befahl Corboz und die beiden übrigen Männer fackelten nicht lange, stürzten sich sofort auf meinen Zellengenossen und drückten ihn mit aller Kraft gegen die feste Steinmauer, wie man ihnen aufgetragen hatte.
"Und wir zwei werden uns jetzt mal ein bisschen unterhalten...", grinste der Hauptmann mit einem Flackern in den Augen, bei dem sich mir der Magen umdrehte. Reflexartig wich ich nach hinten aus, doch mein Gegenüber packte mich, noch ehe ich überhaupt zum Schlag ausholen konnte. "Lass deine elenden Griffel von mir! Ich werde dir ohnehin nichts sagen.", keifte ich und versuchte mich mit aller Kraft aus seiner Umklammerung zu befreien. Doch ich war ihm körperlich bei Weitem unterlegen und ihn schien meine Gegenwehr sogar noch weiter anzustacheln. "Das werden wir noch sehen...", stieß er heiser aus und angewidert versuchte ich mich weiter freizukämpfen. Ein Schmerzensschrei entwich Corboz, als mein Hinterkopf gegen seinen Kiefer krachte und zornig stieß er mich von sich, sodass ich schmerzhaft auf dem Boden aufprallte. "Du..", zischte der Hauptmann und rieb sich das Kinn, ehe er abermals auf mich zukam.
"Was ist hier los?"
Mein Blick flackerte an Corboz vorbei und ich schluckte, als ich den Mann erkannte, der uns erst in diese missliche Lage gebracht hatte und anders als der Hauptmann nicht so einfach seine gesamte Aufmerksamkeit auf mich ziehen lassen würde. Das hatte er mit seinen Worten nur allzu deutlich gemacht.
"Wonach siehts denn aus?", gab Corboz gereizt zurück, ehe er sich wieder zu mir umwandte.
"Niemand außer mir, sollte sich mit den Gefangenen befassen. Das schließt euch mit ein, Hauptmann.", erwiderte Callum kühl und ein wenig irritiert folgte ich dem weiteren Wortwechsel.
"Für wen haltet ihr euch eigentlich? Ich werde mit ihnen tun, was mir gefällt!", keifte der Hauptmann sichtlich aufgebracht und langte abermals in meine Richtung, ehe er plötzlich erschrocken erstarrte. Mit klopfendem Herzen bemerkte ich die Klinge, die sich gegen seinen Hals drückte und wagte es nicht einmal zu atmen. "Das wagt ihr nicht!", zischte mein Gegenüber wutentbrannt. Doch in seinen Augen erkannte ich deutlich die Furcht, weil er sich seiner Worte offenbar nicht ganz sicher war.
"Mit Vergnügen, wenn ihr mich dazu zwingt.", entgegnete Callum, ehe er mehr Druck auf die Klinge ausübte und Corboz damit zwang sich aufzurichten. "Der König wird euch dafür hängen lassen!", giftige Corboz, als sein Angreifer nun um ihn herumging und sich zwischen uns platzierte. "Oh, es würde mich freuen, wenn ihr ihm hiervon erzählt. Besonders, nachdem ich ihm die Azalle gebracht habe, die ihr wie oft entwischen lasst habt?", grinste unser Ergreifer zurück und ließ dann langsam sein Schwert sinken. Bebend vor Zorn sah der Gedemütigte zu seinen Soldaten, die sich jedoch erst rührten, als Callum ihnen befahl, Ethan loszulassen. "Euer überhebliches Grinsen wird euch noch vergehen!", drohte Corboz, spuckte auf den Boden und verließ dann eilig den Zellentrakt.
"Gut, jetzt wo wir den los sind. Wer ist dafür verantwortlich?"
Verwirrt beobachtet ich, wie der Mann zu Ethans Kopfwunde nickte, die er sich kurz zuvor bei dem Zusammenstoß mit dem Soldaten zugefügt hatte. Reflexartig richteten sich meine Augen auf den Verantwortlichen und ich keucht erschrocken auf, als sich einen Bruchteil später Callums Klinge tief in dessen Rachen bohrte und alle Anwesenden mit einem Blutschwall übergoss. "Räum das weg.", sagte Callum gleichgültig und noch immer fassungslos sah ich dabei zu, wie wir wieder alleine eingesperrt wurden. Doch Callum verschwand noch nicht. Stattdessen betrachtete er mich einige Augenblicke schweigend durch die Gitterstäbe hindurch und als sich seine Mundwinkel hoben, lief es mir eiskalt den Rücken hinunter.
"Ich hoffe deine Nacht wird angenehm. Wir werden eine Menge Zeit haben uns zu unterhalten. Und mit deinem Freund fange ich an."


zuletzt bearbeitet 26.05.2017 22:50 | nach oben springen

#108

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 12.05.2017 21:48
von Neyl • Admin | 37.081 Beiträge





Kilian wartete in Gedanken versunken auf Rodricks Rückkehr und verließ dann das provisorische Gefängnis, ohne eine weitere Frage an die Soldatin gerichtet zu haben. Er konnte sich ohnehin nicht sicher sein, ob ihre Worte der Wahrheit entsprachen, weswegen er sich erst um dringlichere Angelegenheiten kümmern wollte. Nicht ohne vorher sicherzustellen, dass Astraea nicht abermals getürmt war, betrat er, nach einem kurzen Blick in ihr Zelt, sein eigenes und entledigte sich seiner blutverschmierten Kleidung. Die Spuren des heutigen Abends beseitigt, trat der Azalle wieder hinaus und fand sich wenig später am Ausgang wider, wo er einige Worte mit den beiden Spähern wechselte, ehe er zielsicher gen Osten marschierte. Der Wald war trügerisch still und vermittelte nicht ansatzweise, was sich nur wenige Stunden zuvor zugetragen hatte. Das änderte sich jedoch, je weiter er sich dem See näherte. Zum Glück hatten sich die Wolken verzogen, andererseits wäre er wohl über den Körper gestolpert, der unvermittelt vor ihm auftauchte und ihn erschüttert innehalten ließ. Ein Knabe, kaum älter als 14, den sie vor einiger Zeit aus der Stadt hatten bringen müssen, weil bekannt geworden war, dass sein Vater zu den Azallen gehört hatte. Jemand würde seiner Mutter Bescheid geben müssen...
Vorsichtig hob er den geschundenen Körper hoch und setze seinen Weg fort, bis er kurz darauf zwischen den Bäumen hinaus auf die Lichtung trat und abermals verharrte. Wie in Trance bettete Kilian den Jungen auf den feuchten Waldboden, ehe er zwischen den anderen Leichen hindurchging und jeder einzelne leere Blick ihm einen schmerzhaften Stich verpasste. "Margerie...", flüsterte der Dunkelhaarige heiser und kniete sich neben die Älteste, die einen entsetzlichen Anblick bot. Obwohl er ihren Tod befürchtet hatte, wurde ihm jetzt erst bewusst, dass er all das auf eine gewisse Weise verdrängt zu haben schien. An diesen Ort zurückzukehren machte ihm jedoch die Tragweite dieses Massakers deutlich.
Es dauerte einige Minuten, bis er sich wieder aufrichtete und es wagte seinen Weg fortzusetzen. Dann sah er Rami und der Anblick seines toten Freundes, der wie ein Bruder für ihn gewesen war, raubte ihm den Atem. Kilian wusste nicht mal, wie er an die Seite des jungen Mannes gekommen war. Registrierte seinen bebenden Körper nicht, sondern starrte einfach fassungslos in das bleiche Gesicht seines Kindheitsfreundes. Die Leere in seinem Inneren füllte sich mit jeder weiteren verstreichenden Minute mit loderndem Hass und er musste sich dazu zwingen, die übrigen Körper zu untersuchen. Von Annela war keine Spur zu entdecken. Auch nicht von dem Fremden, den sie vor wenigen Stunden erst ins Versteck geführt hatte. Doch er wagte es nicht zu hoffen, dass sie den Angriff überlebt hatte. Und was noch schlimmer wäre, wenn sie dem Feind in die Hände gegangen war.
Nachdem der Azalle die Umgebung abgesucht hatte, fiel ihm auf, dass er eine weitere Person vermisste. Artminea war im Versteck, aber wo war Annie?
Mit noch immer zittrigen Knien, machte sich Kilian daran, jeden einzelnen Toten an das Ufer des Sees zu legen. Es war nicht möglich sie so zu verabschieden, wie die Azallen es Brauch hielten. Aber sie hatten etwas Besseres verdient, als vor sich hinzurotten oder von wilden Tieren verspeist zu werden. Deshalb reihte er die Körper bedachtsam nebeneinander, ehe er jeden einzelnen von ihnen mit Wasser und Erde beträufelte. Schweiß perlte seine Stirn hinunter, doch er unterbrach seine Tätigkeit für keine Sekunde. Dann wiederholte er Margeries Worte von zuvor, zog sein Schwert und fügte sich selbst eine tiefe Schnittwunde zu, um die Prozedur zu wiederholen.
"Sie werden nicht ungestraft davongekommen.", murmelte er hasserfüllt und es kostete ihn keinerlei Anstrengung das Feuer so stark aufflammen zu lassen, dass innerhalb weniger Augenblicke jeder Leichnam in Flammen stand. Einige Augenblicke starrte Kilian noch in das grelle Licht, dann richtete er seine Schritte wieder Richtung Wald, über dem der Morgen allmählich graute.









Der Boden war trotz Decke sicherlich nicht der bequemste Schlafplatz, den ich jemals gehabt hatte. Mein Körper schmerzte stärker als nach meiner Heimreise, die ich größtenteils auf einem Pferderücken verbracht hatte. Nachdem der, der mir die Decke zugeworfen hatte, gegangen war, war mein Bewacher, der mir keine Bewegung erlaubt hatte, zurückgekommen. Ich hatte entschieden, dass man mich bereits hätte töten können, wenn man gewollt hätte, und hatte mich schlafen gelegt. Nun war mein ganzer Körper steif und durchgefroren. Meine Schultern und Handgelenke schmerzten. Mein Bewacher war eingenickt und ich setzte mich auf, fragte mich, wie spät es wohl sei. Ich überlegte, ob Corboz wohl irgendwann nach mir suchen ließ. Momentan war es dafür noch zu früh. In ein, zwei Tagen vielleicht...

~~~


Ohne das Wort an jemanden zu richten oder die fragenden Blicke zu beachten, kehrte ich in unser Lager zurück, das zumindest bisher vor weiteren Angriffen verschont geblieben war. Hofften wir, dass die Gefangene tatsächlich alleine über den Eingang gestolpert war und wir wenigstens dieses Übel umgehen konnten. Doch was sollten wir als nächstes unternehmen? Was war mit Aneela und den anderen, die verschwunden waren? Ein kleiner Teil von mir hatte anscheinend gehofft, dass meine Schwester mir um den Hals fallen würde, sobald ich das Gewölbe betrat, doch abermals wurde ich enttäuscht.
Ich hatte meine Eltern vermutlich noch nie so sehr vermisst, wie in diesem Augenblick. Aneelas Vater hätte gewusst, was zu tun war. Erasmus hätte es gewusst. Ja selbst meine Schwester, auch wenn sie diesen Posten bis jetzt ebenso verweigert hatte, wie ich es tat. Doch sie alle waren fort. Tot oder verschleppt. Und auch, wenn ich die Verantwortung gerne jemand anderem übertragen hätte, wusste ich, dass es meine Pflicht war zu entscheiden, wie wir mit dieser Situation umgehen sollten.
Als ich mich wie wenige Stunden zuvor schon einmal, vor der Soldatin wiederfand, scherte es mich recht wenig, was ich für einen katastrophalen Anblick darbieten musste. Mein Zorn war zwar ungebrochen, dennoch wurde mir in dem Moment, als ich in diese großen, blauen Augen blickte, klar, dass ich niemals einer Frau dieselben Gräueltaten antun könnte, wie ihresgleichen uns.
"Wir haben ein Problem.", hörte ich mich selbst sagen und fand mich kurz darauf in gleicher Augenhöhe mit ihr vor. "Wir können dich nicht gehen lassen." Mein Blick ruhte nachdenklich auf ihrem Gesicht, während ich mir vorstellte in ihrer Lage zu sein.
"Und ich kann dich auch nicht einfach frei im Lager herum spazieren lassen..."

~~~


Eine Weile später saß der freundlichere der beiden Azallen vor mir. Er sah zermürbt aus, ziemlich übel. Ich sah ihm entgegen und hatte das Gefühl, als würde seinen Zorn auf mich zumindest beiseite schieben. Er hockte sich auf Augenhöhe und ich nahm mir vor, mich das nächste Mal hinzustellen, wenn er kam. Stehend redete ich lieber.
Er schien mich zu mustern, während er mir überraschend freundlich mitteilte, dass wir ein Problem hätten. Er tat mir beinahe leid.
"Ich fürchte, dies ändert sich nicht, wenn ich Euch mein Wort gebe, nichts zu verraten?" Ein schiefes Lächeln huschte über meine Lippen. Es war mehr Posse als tatsächliche Frage, schließlich war mir klar, dass das nicht so einfach vonstatten ging.
"Die Frage ist nur, was Ihr mit mir vorhabt", sagte ich nachdenklich und legte den Kopf schief, um ihn, wieder ernst, anzusehen. "Ein Gefangener ist lebendig nur eine Last."
Dieser Mann schien recht friedfertig zu sein und ich glaubte nicht wirklich, dass er mich töten würde, ansonsten wäre ich eventuell weniger offen gewesen. Mich störte diese Unklarheit. Ich wollte Antworten, und wenn diese mein Tod war, so wusste ich wenigstens, dass ich Corboz nie mehr ertragen musste.

~~~


"Nein", erwiderte ich zustimmend, als mich die Gefangene fragte, ob ihr Wort allein ausreichen würde, um sie frei zu lassen. Ich bezweifelte natürlich, dass sie so naiv war, dass auch nur in Erwägung zu ziehen. Ihre Mimik ließ jedoch darauf schließen, dass sie den Ernst ihrer Lage wohl verkannte. Seltsam, wo wir doch nach ihrer Aussage solche Barbaren waren.
Ihre Fortführung brachte mich jedoch dazu, endlich eine Regung auf meinem Gesicht anzudeuten und beinahe hätte ich sogar gelächelt. "Ich weiß nicht, ob diese Last so groß ins Gewicht fallen würde.", entgegnete ich ruhig,ehe meine Züge ernster wurden. "Aber ja, dich zu töten wäre die einfachste Lösung.", pflichtete ich ihr bei und versuchte die aufsteigenden Erinnerungen zu unterdrücken.


Liebe ist nur eine weitere Methode anderen Leid zuzufügen <3

zuletzt bearbeitet 14.05.2017 19:09 | nach oben springen

#109

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 12.05.2017 22:29
von Annika • Nesthäkchen | 22 Beiträge



Ihre Glieder waren schlapp, die Augen schwer und ihre Haare ein einziges Durcheinander. Noch immer zwischen Schlaf und Realität gefangen, rollte sie sich unruhig auf dem Bett umher. Beinahe schaffte sie es sogar, aus dem Bett zu fallen und auf eine eher unsanfte Art und Weise zu erwachen. Doch schaffte sie es irgendwann aus ihrem Halbschaf und rieb sich verschlafen die Augen. Ein Gähnen entwich ihr ebenfalls. Mit Mühe hievte sie sich aus ihrem Bett. Pola schwankte hin und her, sah wohl möglich wie eine völlig Betrunkene aus. Nicht nur einmal wäre sie beinahe umgekippt, ihre Beine wollten sie momentan einfach nicht tragen. Nach sorgfältigem durchkämmen ihrer Haare und nachdem sie sich wieder angezogen hatte, warf sie einen kurzen Blick in den kleinen Handspiegel, welcher auf dem Schrank lag. Sie hatte tatsächlich schlimmeres erwartet, außer kleinen Ringen unter den Augen konnte man ihrem Gesicht nichts anmerken, was auf eine unangenehme Nacht schließen ließ. Auf ihrem Weg nach draußen konnte sie noch nicht sehr viele Gesichter ausmachen, es schien noch zu früh zu sein. Auch Tristan war noch in seinem Traumland wie es schien, ein kleines Schmunzeln breitete sich auf ihren Lippen aus als sie ihn sah. Schließlich fand sie sich draußen wieder. Als ihre Augen den Wald erblickten, kamen die ganzen Erinnerungen von gestern hoch. Doch diese wollte sie zumindest für den Moment beseitigen, ihr Morgen sollte nicht schon jetzt verdorben werden. Mit dem Versuch, sich dem See nicht all zu sehr zu nähern, gelang es Pola schließlich, einen entspannten Spaziergang zu genießen. Den Rand des Waldes erreicht, lehnte die Frau sich an einen Baum, Cerandil aus der Ferne beobachtend. Sie wusste nicht, ob in dieser Nacht noch Azallen angekommen waren, wenn ja, wer diese Azallen waren. Langsam aber sicher ließ die Brünette sich mit ihrem Rücken den Baum entlang hinunter rutschen, bis sie schlussendlich zum Sitzen kam. Mit ihren Knien angezogen und den Armen verschränkt saß sie da, ihren Kopf an den Stamm lehnend. Gedankenverloren spielte sie mit vereinzelten Haarsträhnen. Auch wenn ihre Gedanken nichts Bestimmten galten, starrte sie einfach nur vor sich hin. Irgendwann allerdings bemerkte auch sie, dass das Gras noch feucht war. Mit einem genervten Stöhnen erhob sie sich, sich die Hose abklopfend und Grashalme herunter pflückend, die sich fest geklebt hatten. Aber was genau wollte sie hier im Wald eigentlich? War es nicht eher unklug, sich momentan hier herum zu treiben? Zurück wollte sie allerdings noch gar nicht, sie wollte nicht in dem Versteck hocken und in die Luft starren, das könnte sie auch ein anderes Mal tun. Also entschloss sie sich dazu, ihren Spaziergang weiterzuführen und zu sehen, was sie so finden würde.

nach oben springen

#110

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 14.05.2017 17:34
von Eriana • Grünschnabel | 15 Beiträge



Enngelin hielt mich lange fest, während ich schluchzte und unverständige Klagen von mir gab. Sie verlor nie die Geduld mit mir und versuchte, mich zu trösten. Irgendwann schaffte ich es, Luft zu holen und mich zu beruhigen. Die Tränen hatten mir bloß noch mehr Kopfschmerzen gemacht und ich war schrecklich müde. Was sollte ich jetzt bloß machen?
Enngelin nahm mich bei der Hand und führte mich durch die Fremden. Ich folgte ihr mechanisch und fand mich schließlich in einem Bett wieder. Jemand hatte mich zugedeckt. Enngelin lag neben mir und hatte die Augen geschlossen. Völlig erschöpft kuschelte ich mich an sie und schlief schließlich ein.

Verschlafen blinzelte ich und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Enngelin lag noch neben mir und atmete gleichmäßig. Ihr Gesicht wirkte friedlich und ich fragte mich, ob meine Mutter im Schlaf auch so ein Gesicht gemacht hatte. Dann schüttelte ich den Gedanken ab und krabbelte unter der Decke hervor. Ich hatte Hunger und Durst und würde bestimmt etwas auftreiben können.
Vor dem Zelt, in dem ich geschlafen hatte, blickte ich mich staunend um. Es schien alles voller Zelte zu sein. Es war noch sehr still im Lager. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war, aber ich folgte einfach dem rötlichen Schein eines Feuers, bis ich ein Lagerfeuer entdeckte, an dem ein paar Leute saßen. Eine nette Frau gab mir ein Stück Brot, einen Apfel und einen Tee und fragte mich, wo ich herkam und wie ich hieß. Etwas verunsichert murmelte ich meinen Namen und erklärte, dass Enngelin und Gabriel sich um mich kümmerten.
Dann flüchtete ich und streifte weiter. Hier und da lugte ich in eines der Zelte, aber die meisten schliefen noch. Einmal wurde ich von einem Mann finster angestarrt und verjagt. Daraufhin ließ ich das bleiben und lief weiter. Schließlich fand ich einen dunklen Gang, der ein wenig abseits vom Lager war. Neugierig blickte ich hinein. Ich konnte genug erkennen, um zu sehen, dass der Gang später wieder größer wurde. Ein Mann stand Wache, aber es war leicht, an jemandem vorbei zu schlüpfen, wenn man klein war.
Ich kam in eine Art Gewölbe. Dort saß eine blonde Frau, die die Arme seltsam hinter dem Rücken verschränkt hatte. Neben ich war ein Mann, der mit dem Rücken zu mir stand und mit ihr sprach. Sie sprachen so leise, dass ich sie erst nicht verstand, also schlich ich näher heran bis ich sie besser sehen konnte und stockte dann überrascht.
Ich hatte sie schon mal in der Stadt gesehen. Einmal war ein Mann bei uns gewesen und hatte mir gesagt, er sei ein Prinz und würde mit dieser Frau verstecken spielen und hatte mich gebeten, ihn nicht zu verraten. Fast hätte ich gekichert, als ich mich daran erinnerte. Ob sie wieder verstecken spielte?
Neugierig ging ich das letzte Stück zu den beiden hinüber und blieb dann kurz vor der Frau stehen. „Hallo. Was macht ihr hier?" Und an die Frau gewandt fragte ich: "Bist du diesmal dran mit Verstecken?“


zuletzt bearbeitet 14.05.2017 17:43 | nach oben springen

#111

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 14.05.2017 20:58
von Fionien • Giftzwerg | 63 Beiträge



„Nein“, stimmte er mir zu und schien für einen Moment beinahe etwas wie belustigt. „Ich weiß nicht, ob diese Last so groß ins Gewicht fallen würde. Aber ja, dich zu töten wäre die einfachste Lösung.“
Ich verzichtete auf eine Antwort, sondern sah ihm nur abwartend in die Augen. Meine Worte hatten keinen Einfluss auf ihn und momentan hatte ich das Gefühl, als wäre er nicht in der Lage, zumindest aktuell tatsächlich für meinen Tod zu sorgen.
Plötzlich trat ein blonder Junge aus den Schatten, auf den ich meinen Blick richtete. Er kam hinüber und blieb mit geringem Abstand vor mir stehen.
„Hallo. Was macht ihr hier?“, fragte er und ich blinzelte perplex. Aber er war noch nicht fertig, mich zu verwirren: „Bist du diesmal dran mit Verstecken?“
Ich zog eine Augenbraue hoch. „Diesmal? Was meinst du damit?“ Ich war mir ziemlich sicher, ihn noch nie vorher gesehen zu haben. „Ich werde eher versteckt, als dass ich mich selbst verstecke. Wir beide“, ich nickte zu dem Mann mir gegenüber, „unterhalten uns. Was ist mit dir? Solltest du wirklich allein durch die Gänge streifen? Neugier ist der Katze Tod...“
Vielleicht war es die Ungewissheit, die meine Zunge lockerte und diese Gesellschaft irgendwie akzeptierte. Aber welch Ironie, dass ich gerade in meiner Situation dieses Sprichwort verwendete. Wäre ich den Azallen nicht gefolgt und hätte ich die Brücke nicht beobachtet, wäre ich nun nicht in dieser Situation. Wobei ich auch nicht damit gerechnet hatte, in den Fluss geschubst zu werden...


zuletzt bearbeitet 14.05.2017 20:59 | nach oben springen

#112

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 14.05.2017 21:50
von FutureExMsConnolly • NeylsStalker | 24 Beiträge



Am nächsten Morgen erwachte Rowan mit immer noch brummendem Schädel und stieß wie jeden Morgen seit seinem Überfall einen schmerzerfüllten Laut aus. Vier Tage waren es nun also inzwischen, seitdem er seine Schläge abbekommen hatte, aber es wurde nicht besser. War es denn möglich, dass er schwerere Schäden davongetragen hatte als er angenommen hatte. Vielleicht wäre es gar keine schlechte Idee, mal jemanden aufzusuchen, der sich seine Verletzungen ansah. Nur, um sicher zu gehen und das schlimmste zu verhindern.
Rowan schwang seine Beine mit einem weiteren Murren über die Bettkante und brauchte einen Moment, um sich zu besinne und richtig wach zu werden. Er konnte kaum die Augen offen halten. Er wusste, dass mindestens eins seiner Augen dick und blau war. Das hatte er schmerzhaft herausgefunden, als er sich aus Versehen drangegriffen hatte. An das andere wollte er lieber nicht fassen. Gebranntes Kind scheute eben das Feuer. Ansonsten war alles wie gehabt. Schmerzende Beine, brennende Arme, ein pochender Kopf und auch seine Brust fühlte sich bei jedem Atemzug so an, als würde sich eine kleine, tödliche Dolchspitze in seine Lunge bohren. Nun, kein Wunder bei den Tritten, die er abbekommen hatte. Immerhin seine Laute war unbeschadet geblieben.
Rowan erhob sich auf seine wackeligen Beine und fürchtete zunächst, sie würden ihm den Dienst versagen, weshalb er sich an dem Stuhl direkt neben seinem Bett festhielt, bis er der Meinung war, festen Stand gefunden zu haben. Dann trat er raus aus seinem Zelt und wagte einen Blick in die Runde und versuchte, sich einen Überblick über die Situation zu machen. Ein paar waren schon wach, wie er sehen konnte, unter anderem ... ein Kind? Wo kam das denn her? Ein blonder kleiner Junge wuselte umher und verschwand in die Gänge, was Rowan komisch vorkam. Verwirrt fuhr sich der Endzwanziger durchs Haar und versuchte sich zu erinnern, ob er jemals dieses Kind hier gesehen hatte, aber ihm fiel beim besten Willen nicht ein, wann. War er etwa so lange weggetreten gewesen, dass ein Kind hatte geboren und heranwachsen können? Absurd! Niemals! Aber woher.... kam es dann? Was erwartete er eigentlich? Dass allen wieder Glück und Freude im Gesicht geschrieben stand? Es wäre zu schön um wahr zu sein. Und irgendwas sagte ihm, dass es auch noch eine gute Weile dauern würde, bis wieder die Normalität einkehren würde. Falls dies überhaupt jemals wieder möglich war.
Rowan setzte sich in Bewegung. Er wollte mal sehen, ob irgendjemand in der Lage und Verfassung war, sich mit seinem Zustand zu befassen, aber er wagte es ja zu bezweifeln. Dennoch, die Hoffnung starb zuletzt.
Ehe er sich aber in Bewegung setzen konnte, oder vielmehr loshumpeln, fiel sein Blick auf seinen Nachbarn und Freund Tristan, der in sich zusammengesunken auf einem Stuhl vor dem Zelt saß. Unwillkürlich hob der brünette Man eine Augenbraue, unsicher, ob er sich zu ihm wagen sollte. Andererseits....
Rowan humpelte los und blieb vor Tristen stehen.
"Tristan?", röchelte der Sänger, "Bist du tot?"


zuletzt bearbeitet 14.05.2017 22:00 | nach oben springen

#113

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 15.05.2017 02:16
von Venhedis • Höllenfürstin | 38 Beiträge



Mich unter Bärenfell und Strickdecken rekelnd versuchte ich, mich davon zu überzeugen, keine weiteren fünf Minuten liegen zu bleiben, oder gar wieder ganz einzuschlafen. Zum dritten Mal rieb ich mir den Schlaf aus den Augen, wobei es dieses Mal deutlich etwas brachte, da ich mich aufsetzen konnte und die Beine über meine Bettkante schwang. Zwar hatte ich keine Ahnung, ob die Sonne bereits am Himmel stand, aber es war definitiv zu früh, um wach zu sein. Zumindest für normale Menschen.
Ich richtete mich in aller Ruhe, ersetzte und band mir die Kette wieder um und machte mich dann auf die Suche nach einem Korb. Entweder jetzt suchen oder gleich mehrmals laufen, dachte ich noch immer mein Bett vermissend, als ich mich umschaute. Meine Jurte müsste ich auch mal wieder aufräumen.
Irgendwo zwischen Krügen, Vasen und anderem Schnickschnack fand ich schließlich einen geeigneten Flechtkorb. Ich beugte mich über meine noch geöffnete Kleidertruhe und fing an zu wühlen. Das meiste würde der Soldatin vermutlich ein wenig zu kurz oder freizügig sein, doch war das vermutlich immer noch besser, als für noch unbestimmte Zeit die gleichen Sachen zu tragen. Zumal diese nicht grade sauber waren. Meine Wahl fiel auf ein langes, beigefarbenes Kleid, weißes Leinenhemd und eine luftige Hose, welche azallische Webmuster zeigte. Ich lachte, als mir der Gedanke durch den Kopf schoss, dass Azallen wirklich nicht die besten waren, wenn es darum ging, nicht aufzufallen, während ich die Kleidung gefaltet in den Korb legte und die Truhe wieder schloss.
Noch immer vor mich hin lächelnd legte ich den Henkel über meinen Unterarm und machte mich auf den Weg zu den Obstkisten, welche verteilt auf Tischen zwischen den Zelten standen.
Es waren wirklich noch nicht allzu viele wach. Einige saßen um die Kochstelle herum verteilt, unterhielten sich leise oder frühstückten mit gesengtem Kopf, andere kamen gerade aus dem größeren Zelt und machten sich mit großen Krügen auf den Weg, um wahrscheinlich frisches Wasser für die Verwundeten zu holen und wieder andere saßen auf den Bänken und flickten Stoffe, wohl in der Hoffnung, den Schaden zu minimieren. Im Vergleich zum gestrigen Morgen waren es jedoch nur eine Handvoll.
Ich strich mir den langen Zopf nach vorne über die Schulter und wandte meinen Blick dann wieder auf die Äpfel, Birnen und Möhren. Noch immer Trauernde anzustarren gehörte sich einfach nicht, dabei konnte selbst ich zustimmen. Wieder in meiner eigenen kleinen Welt legte ich ein paar Birnen und Äpfel in den Korb und macht mich dann auf den Weg zum kleinen Gewölbe, in welches die Soldatin letzte Nacht gebracht wurde. Auf dem Weg dorthin wünschte ich einigen Azallen, darunter auch Rowan und Tristan, einen guten Morgen, wobei ich meine Maske der emotionalen Unbetroffenheit mit einem Lächeln auf den Lippen versuchte zu sichern. Ich wollte meine Trauer nicht teilen, die meisten hatten bei dem Angriff sowieso mehr verloren, als ich es je könnte. Wieso diese dann noch mehr belasten? Nein, ich würde mit meiner Trauer größtenteils alleine umgehen können. Ich marschierte den langen Gang entlang und bot Rodrick prompt einen Apfel an, als er meinen Korb misstrauisch beäugte, welchen er, zu meiner Überraschung, sogar annahm. Eventuell ist er ja doch kein magischer Golem, wie ich bislang immer dachte, bei dem Gedanken musste ich fast lachen, konnte es jedoch zurückhalten, als ich seinen leicht genervten Blick sah. Ich ging an ihm vorbei und war doch sehr überrascht, Kilian und ein Kind zu sehen, welches ich zuvor noch nie hier herumrennen sah. Zwar schenkte ich Kindern generell nie viel Aufmerksamkeit aber konnte mir eines, das ich vermutlich fast täglich sehen würde, wirklich völlig aus dem Gedächtnis fallen?
Mein Blick wanderte von dem Kind zu Kilian. Hätte mir der Gedanke daran nicht auf seltsame Art gänzlich missfallen, hätte ich vermutlich scherzend gefragt, ob Kilian über Nacht eine Familie gegründet habe. "Ich dachte, dass Ihr eventuell neue Kleidung und Frühstück gebrauchen könntet", sagte ich an die Frau gerichtet, nachdem ich mich mit einem Räuspern angekündigt hatte.


zuletzt bearbeitet 15.05.2017 15:38 | nach oben springen

#114

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 15.05.2017 12:21
von Katashyna • Pingupups | 39 Beiträge



Ich spürte wie mir die Röte in die Wangen schoss, nachdem Tristan meinte er hätte mich dort nicht einfach liegen lassen können. Verlegen wand ich den Blick ab und hoffte, dass er nicht merkte, dass sich meine Wangen verfärbt hatten. Es fühlte sich seltsam und ungewohnt an mit einem quasi Fremden zu sprechen und trotzdem so vertraut mit ihm zu reden.
Sogar nachdem ich sagte er könne mich runter lassen, trug er mich noch weiter und kümmerte sich um mich. Zwar war ich ihm dankbar dafür, doch ich wollte ihm auch nicht zur Last fallen. Konzentriert darauf ihn nicht anzustarren, blickte ich immer wieder wo anders hin, konnte mich allerdings nicht wirklich auf die Umgebung konzentrieren, während mich Tristan noch immer in den Armen hielt.
Er trug mich weiter zu einer Jurte, ich vermutete, dass es seine war. Ohne zu zögern steuerte er auf das Bett zu und legte mich sanft darauf ab. Er versicherte mir, dass ich schlafen sollte und auch ruhig ausschlafen konnte. Mit der ganzen Situation etwas überfordert, nickte ich einfach nur zustimmend. Meine Kehle war so trocken, dass ich kein Wort raus brachte. Auch wenn ich es zuvor vermieden hatte, kam ich nicht mehr drum rum ihm in die Augen zu blicken. Wie hypnotisiert sah ich ihn an und nahm nur am Rande war, wie er sagte, dass er vor der Jurte sein würde, falls ich ihn brauche.
Danach drehte er sich auch schon um und wanderte Richtung Ausgang. Ich sah ihm nach und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, als er sich noch einmal umdrehte. »Vielen Dank.«, brachte ich noch hervor und sah noch mehrere Minuten zu dem Ausgang, durch den er daraufhin verschwunden war.
Da es schmerzte, wenn ich mich auf den Rücken legte, drehte ich mich auf die Seite, um zu schlafen. Doch wirklich einschlafen konnte ich nicht. Auch wenn ich schrecklich müde war, fiel es mir schwer. In meinem Kopf tummelten sich einfach viel zu viele Gedanken. Irgendwie kam ich dabei immer wieder auf Tristan zurück.
_____________________________

Irgendwann bin ich wohl doch eingeschlafen. Erneut hatte ich einen komischen Traum, in dem mein Vater vorkam, der ganz alleine an einem Fluss saß. Doch bevor ich mit ihm reden konnte, bin ich hinein gefallen und von ihm fort gespült worden. Egal wie sehr ich mich wehrte, ich konnte nicht zu ihm schwimmen und mit ihm reden.
Nachdem wieder alles schwarz wurde, wachte ich auf. Im ersten Moment war ich erschrocken und über meine Umgebung erstaunt. Doch dann erinnerte ich mich wieder wo ich eigentlich war. Alleine lag ich in einem Bett in der Jurte von Tristan. Noch schläfrig versuchte ich mich langsam aufzusetzen. Die Schmerzen in meinem Rücken waren nicht mehr so schlimm wie gestern. Mittlerweile waren es nur mehr wie kleine Stiche, die ich spürte sobald ich mich bewegte. Doch ich konnte wieder ruhig atmen und mich in verschiedene Richtungen drehen mit sehr geringen Schmerzen.
Erleichtert über diese Tatsache versuchte ich aufzustehen. Meine Beine zitterten zwar etwas, aber langsam erlangte ich wieder Stabilität.
Als ich an mir runter sah, bemerkte ich, dass ich noch immer mein Arbeitsgewand anhatte. Schnell kontrollierte ich, ob ich das Bett irgendwie mit Blut besudelt hätte. Doch da ich auf der Seite geschlafen hatte, hat es wohl nichts abbekommen. Zum Glück.
Ich wusste nicht wie spät es war, oder wo ich überhaupt war. Aber eines wusste ich sicher. Mein Vater macht sich bestimmt große Sorgen um mich, weil ich nicht nach Hause gekommen bin. Ich muss so schnell wie möglich zu ihm.
Also wollte ich aus der Jurte treten, bis ich draußen eine männliche Stimme hörte. Die Person sprach Tristan an und fragte ob er tot war? Was? Vorsichtig griff ich nach dem Stoff, schob ihn leicht zur Seite und lugte hinaus. Dort stand ein Mann, der zu Tristan blickte. Er saß auf einem Stuhl vor dem Zelt. »Hast du etwa die ganze Nacht da gesessen?«, fragte ich vorsichtig und fühlte mich schlecht bei dem Gedanken sein Bett in Beschlag genommen zu haben.


nach oben springen

#115

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 15.05.2017 21:04
von Eriana • Grünschnabel | 15 Beiträge



Ich blinzelte weil die Frau seltsame Dinge sagte. Aber das sie sich mit dem Mann unterhielt, dass verstand ich sehr wohl. Allerdings schien die Stimmung eher schlecht. Ich blickte zu dem und musste ziemlich weit hoch gucken. Warum stand er überhaupt und blickte auf so auf uns hinunter? Instinktiv fand ich die Frau netter als ihn. Das Aufschauen war mir zu anstrengend also guckte ich wieder zu der Frau. „Worüber redet ihr denn? Und wie heißt du überhaupt?“ Sie hatte die Arme immer noch so komisch. „Warum hast du die Arme die ganze Zeit hinter dem Rücken?“
Ich wollte gerade nachschauen gehen, ob sie etwas vor dem Mann versteckte, als eine weitere Frau dazu stieß und ich so nach einem Schritt wieder inne hieß. Die Neue hatte einen Korb in der Hand und brachte etwas zu essen. Super. In letzter Zeit hatte ich immer Hunger. Ich blickte zu der neuen Frau hin. „Hast du auch einen Apfel dabei?“ Dann setzte ich den niedlich, frechen Blick auf, der andere für gewöhnlich dazu brachte, mir zu geben, was ich wollte. Zumindest, wenn sie nett waren.


zuletzt bearbeitet 15.05.2017 21:09 | nach oben springen

#116

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 15.05.2017 21:49
von Fionien • Giftzwerg | 63 Beiträge



Der Kleine sah zu Kilian, der sich aufgerichtet hatte, und sah dann wieder zu mir. „Worüber redet ihr denn? Und wie heißt du überhaupt? Warum hast du die Arme die ganze Zeit hinter dem Rücken?“
Ich schwieg einen Moment und musterte ihn.
„Mein Name ist Eder“, sagte ich dann ruhig und überließ es dem Mann, den Kleinen vollständig aufzuklären.
Eine rothaarige Frau trat nun ins Geschehen ein und ich erkannte sie als diejenige wieder, wegen der ich in den Fluss gestürzt und schlussendlich hier gelandet war. Sie trug einen Korb in der Hand, musterte die zwei Jungs und wandte sich dann an mich: „Ich dachte, dass Ihr eventuell neue Kleidung und Frühstück gebrauchen könntet.“
Perplex sah ich sie an. Vielleicht war ich eigentlich schon gestorben oder träumte das alles nur? Wer würde Gefangene so behandeln? Natürlich, die Fesseln waren mehr als unbequem, aber ein Kind, das eine Gefangene aufsuchte, ein Mann, der mit mir scherzte und nun eine Frau, die mir Kleidung und Essen anbot. Vielleicht war es vergiftet. Womöglich wäre das die einfachste und sauberste Art, mich zu töten?
Allerdings war sie die Erste hier, die mich meinem Stand gemäß richtig ansprach, weshalb ich ihr leicht zulächelte. Ansonsten wartete ich darauf, dass der Mann etwas dazu sagte. Ich wollte meinen Tod, wenn er noch nicht eingetroffen war, noch ein Weilchen verschieben, und ihn zu übergehen schien mir da eine der schlechteren Varianten.

nach oben springen

#117

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 15.05.2017 22:20
von Annika • Nesthäkchen | 22 Beiträge



„Tristan? Bist du tot?“, drang es verschwommen zu ihm durch. Wie bitte? Tot? Naja, es fühlte sich ein wenig so an, das stimmte schon. Als er seine Augen öffnete wurde ihm bewusst, dass er aber noch ziemlich lebendig war. Vor ihm stand Rowan, Tristan verzog seinen Mund als er das dezent demolierte Gesicht seines Gegenübers sah. „Noch lebe ich“, lachte er. Ein wenig verwundert war er dann doch, als Astraea ziemlich gut gelaunt an den beiden Männern vorbei spazierte. Ein wenig war ihm die Verwunderung in seinem Gesicht anzusehen. Um seine trockene Kehle zu befreien, räusperte er sich und rieb sich verschlafen über den Nacken, der ziemlich steif war. Was hatte er auch anderes erwartet, wenn man die ganze Nacht lang hier sitzt? „Wie geht es dem Auge?“, fragte er und deutete mit dem Kopf darauf. Tristan streckte seine Arme und hörte ein leises Knacken, ein wenig eingerostet kam er sich momentan doch vor. War er denn wirklich schon so alt? Normalerweise müssten es erst 23 Jahre sein wenn er richtig gezählt hatte. Noch bevor er sich auf seine Füße begeben konnte, gesellte sich eine weitere Person zu ihnen. „Hast du etwa die ganze Nacht da gesessen?“, hörte er sie neben sich.„Ja... naja. Sieht wohl so aus. Es gibt besseres, aber besser, als auf dem Boden zu schlafen ist es“, grinste er und stand auf. Als ihm bewusst wurde, dass die beiden Personen hier sich noch weniger kannten als Tristan und Artminea es taten, stellte er sie sich gegenseitig vor.„Das hier ist übrigens Rowan“, meinte er und stupste ihn mit seinem Ellbogen an. „Vielleicht bringt er uns ja mal ein Ständchen“, meinte er und klopfte ihm auf den Rücken. Vielleicht ein wenig zu fest. Mit zwei Schritten hatte er sich auch schon an die Seite von Artminea begeben.„Rowan, Artminea. Der es.... hoffentlich schon besser geht?“, sprach er etwas ruhiger und kniff die Augenbrauen zusammen als er die Hand vorsichtig auf ihre Schulter legte und Besorgnis in seinen Gesichtszügen zu erkennen war. Er wusste nicht, ob es so gut für sie war, jetzt schon zu stehen. ...Tristan! Widme deine Gedanken mal etwas anderem. „Und achja, entschuldige das Bett“, er lachte verlegen. Fällt dir denn wirklich nichts besseres ein als über dein Bett zu reden? „ich habe noch nie viel Wert auf schöne Decken und Kissen gelegt“, warum entschuldigte er sich überhaupt? Immerhin war es ja seine Jurte. Und wer würde denn momentan überhaupt auf so etwas Acht geben? Naja, vielleicht könnte die Einrichtung tatsächlich eine weibliche Hand gebrauchen. „Übrigens, wie wusstest du eigentlich von der Feier am gestrigen Abend? Ich habe dich noch nie hier gesehen.“

nach oben springen

#118

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 15.05.2017 23:02
von Neyl • Admin | 37.081 Beiträge



Unsere Unterhaltung wurde jäh von einem unerwarteten Ankömmling unterbrochen. Augenblicklich richtete ich mich auf, als der kleine Junge den Bunker betrat und fragte mich, wer er war und was er hier überhaupt zu suchen hatte. Ich kannte die Leute, die hier ein und ausgingen, auch wenn sie aus der Stadt waren. Doch dieses Kind hatte ich noch nie zuvor gesehen und irritiert folgte ich dem Wortwechsel, der daraufhin zwischen den beiden stattfand. So erfuhr ich zumindest den Namen der Gefangenen, auch wenn mir diese Information zurzeit lieber erspart geblieben wäre. Sollte es wirklich zu dem Entschluss kommen, dass die junge Frau exekutiert werden musste, wollte ich sie so neutral wie möglich betrachten.
Ich war gerade dabei mich an den kleinen Besucher zu wenden, als eine weiterte Person zu uns stieß und meine Verwunderung dadurch nur noch gesteigert wurde. Meine Frage, was sie denn hier wollte, beantwortete sich jedoch von selbst, als die Rothaarige das Wort an die Soldatin richtete und ich misstrauisch die Dinge betrachtete, die Astraea bei sich trug.
Zumindest der Junge schien das Angebot als äußerst verlockend zu empfinden und noch ehe die Azalle etwas darauf erwidern konnte, trat ich zwischen ihn und die blonde Frau, fischte einen Apfel aus dem Korb und reichte ihm dem blonden Knaben. "Du solltest nicht alleine in den Gängen herumschleichen.", sagte ich deutlich freundlicher an ihn gerichtet, ehe ich meinen Blick zu Eder schweifen ließ, die aussah, als wartete sie auf eine Erlaubnis von mir. Ich nickte knapp, warf einen Blick auf die Kleidung in Astras Händen und lächelte dem Jungen abermals zu. "Wir sollten dir etwas zu essen besorgen.", schlug ich auffallend unbekümmert vor und bedeutete dem Kind schon einmal voranzugehen. Bevor ich ihm jedoch folgte, drehte ich mich zu der Rothaarigen um und brachte unsere Gesichter näher zueinander. "Pass auf dich auf. Wenn sie kann, wird sie die erste Gelegenheit nutzen zu fliehen.", raunte ich ihr zu und widerstand dem Drang ihr Gesicht zu berühren, unter dessen aufgesetzter Mimik soviele Emotionen verborgen waren. Dann warf ich der Fremden einen letzten warnenden Blick zu, ehe ich zu dem Jungen aufschloss und versuchte meine Sorge um Astraea zu vergessen. "Ich habe dich hier noch nie gesehen...Wie heißt du?", fragte ich mit einem aufmunternden Lächeln und wusste doch genau, dass dieser Tage niemand etwas Gutes zu erzählen hatte.


Liebe ist nur eine weitere Methode anderen Leid zuzufügen <3
nach oben springen

#119

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 18.05.2017 15:20
von Neyl • Admin | 37.081 Beiträge




Ein leiser, resignierter Laut entwich meiner Kehle, während ich den Boden vor meinen Füßen anstarrte und die verstreichenden Augenblicke unbewusst mitzählte. Ob ich hier sein wollte? Mit ziemlicher Sicherheit nein. Doch ich konnte nicht wirklich mit Ungewissheit umgehen. Zu meiner Unzufriedenheit hatten sich Callums Behauptungen als Wahrheit herausgestellt. Er war derjenige, dem der Erfolg der Gefangennahme zugeschrieben wurde. Wieso hatte er mich dann gehen lassen und sich so verhalten, als sei er das einzige Glied, welches zwischen den Gefangenen und ihrem Henker stand? Je mehr ich darüber nachdachte, desto wahnsinniger machte mich der offensichtliche Widerspruch des Gedankenganges. Ich wusste, dass mein jetziges Verhalten meine verbleibende Zeit abrupt verkürzen konnte. Und doch bewegte ich mich keinen Zentimeter, während ich beharrlich darauf wartete, dass der Grund für meine innere Unruhe von seinen Unternehmungen zurückkehrte.
Ich blickte auf, als ich schließlich das Geräusch von näher kommenden Schritten hörte. Ansonsten bewegte ich mich nicht und blieb an der Wand gelehnt, meine Arme vor der Brust verschränkt. Erst, als ich mir sicher war, dass es sich um den zwiespältigen Samariter handelte, erhob ich die Stimme.
„Ich mag es nicht auf spätere Zeitpunkte vertröstet zu werden. Wenn du deine Angelegenheiten soweit erledigt hast, hätte ich jetzt etwas Zeit.“
Darauf hoffend, dass meine Gesichtszüge die Nervosität nicht verraten hatten, stieß ich mich von der Wand ab und trat einen Schritt auf Callum zu. Mir war durchaus klar, dass meine Aussage auch anders verstanden werden konnte. Für zufällig vorbeikommende Außenstehende, die diese Angelegenheit nichts anging, war so eine Interpretation durchaus erwünscht. Doch ich traute dem Mann vor mir zu die Aufforderung richtig einzuschätzen. Vor allem nach unserem letzten Gespräch.

~~~

Mit der Gewissheit, dass der verbleibende Wachposten meine Anweisungen ganz sicher befolgen würde, machte ich mich zufrieden auf den Weg zu meinem Gemach, um die nötige Kraft für den kommenden Tag zu tanken. Doch diese Nacht wollte offenbar kein Ende finden. Mit einer Mischung aus Überraschung und Überdruss, betrachtete ich die Dunkelhaarige, die mich dort bereits erwartete und stieß ein genervtes Seufzen aus. "Hätte das nicht bis morgen früh warten können?", entgegnete ich und verharrte vor der tollkühnen Frau, deren Auftauchen meine Stirn zu einem kritischen Runzeln brachte. "Hör zu, es war ein verdammt langer Tag und die Idioten können nicht mal ihre eigenen Leute aufspüren.", gab ich gereizt von mir und überbrückte die kurze Distanz zwischen uns mit einem raschen Schritt. Herausfordernd sah auf meine Besucherin hinunter. "Es gibt nur eine Sache, die ich dem Schlaf gerade vorziehen würde. Wenn du also nicht deshalb hier bist, solltest du lieber schnell von hier verschwinden."

~~~

Ehe ich mich versah, wurde ich bereits ein weiteres Mal abgewiesen. Zum zweiten Mal an diesem Tag verwehrte Callum mir die Informationen, die ich brauchte, um meine nächsten Schritte zu planen. Wieso hatte ich überhaupt ansatzweise daran geglaubt, dass dieses Gespräch zu etwas führen würde? Das Gefühl der Machtlosigkeit und der aufkeimenden Wut schnürte mir die Brust zu. Die Tatsache, dass er abrupt vor mir auftauchte, machte die Sache nicht einfacher. Unmerklich verkrampfte ich die Finger in meinen Oberarmen und spürte, wie meine Nackenhaare sich bei seinen nächsten Worten aufstellten. Klarer hätte er sich wahrscheinlich nicht ausdrücken könnten. Meine Augenbrauen rückten gegeneinander, während ich seinen stechenden Blick erwiderte und dabei gedanklich abwog, wie viel mein eigenes Leben mir eigentlich wert war. Einige Augenblicke später entspannten sich meine Gesichtszüge. Mit einem leichten Schulterzucken unterbrach ich den Blickkontakt und unterdrückte dabei ein Seufzen. „Von mir aus.“
Während mein Verstand mich kontinuierlich anschrie und darum anflehte umzudrehen und zu meinem Zimmer zurückzukehren, betrachtete ich mich selbst dabei, wie ich an Callum vorbeischritt und die Tür zu seinem Zimmer bestimmend aufschob, ehe ich darin verschwand und dabei von der Dunkelheit verschlungen wurde.

~~~

Meine Mundwinkel zuckten unkontrolliert, als die Dunkelhaarige meinem Angebot unerwarteterweise zustimmte und kurz darauf in dem Inneren meines Zimmers verschwand. Ob sie nun hoffte dadurch weitere Informationen zu erlangen; ihr Leben zu verlängern oder aber plante mich doch noch zu beseitigen, spielte in diesem Moment keine allzu große Rolle. Sie hatte die Höhle des Löwen betreten, ohne auch nur zu ahnen, welche Konsequenzen ihr Handeln vermutlich mit sich ziehen würde. Eins musste man ihr wirklich lassen, sie hatte Schneid.
Sobald ich die Tür jedoch hinter mir zugeschlagen hatte, verschwand jedes Amüsement aus meinen Zügen. Mit großen Schritten durchquerte ich den Raum und drängte Katelyn soweit zurück, dass ihr Rücken gegen die Wand stieß. "Letzte Chance es dir anders zu überlegen...", sagte ich leise, während meine Arme, die ich neben ihr abgestützt hatte den Eindruck vermittelten, dass es dafür schon längst zu spät war.

~~~

Kaum, dass ich das Geräusch der zufallenden Tür hinter mir vernommen hatte, wurde ich bereits gegen eine Wand gedrängt und spürte den kalten Stein am Rücken. Perplex blinzelte ich und versuchte Callums Züge auszumachen, während er mir ein letztes Schlupfloch gewährte. Oder wollte er damit bloß trügerische Hoffnung heraufbeschwören, die er mir danach wieder gewaltsam entreißen konnte? Unschlüssig presste ich die Lippen aufeinander und atmete langsam ein; ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte.
„Redest du immer so viel…?“, fragte ich langsam und war nicht ganz imstande das Zittern in meiner Stimme zu verbannen. Nach einem Moment des Zögerns streckte ich meine Finger nach Callum aus und umfasste sein Kinn. Eine einfache Berührung, die mich paradoxerweise beruhigte. Er war ein Mann aus Fleisch und Blut. Keine geisterhafte Erscheinung, die einen nachts im Schlaf heimsuchte. Nichts, mit dem ich nicht schon fertig geworden war. Nachdem ich mit meinem Daumen kurz über die stoppelige Haut gefahren war, löste ich die Verbindung wieder und senkte meinen Arm. Meine Augen blieben jedoch weiterhin auf ihn gerichtet.
„Irgendwelche Regeln, von denen ich wissen müsste?“

~~~

"Redest du immer so viel...?"
Zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit, zeichnete sich auf meinen Zügen ein ungeplantes Grinsen ab. Und das nicht nur, weil ihre Nervosität deutlich herauszuhören war. "Es wird nicht mehr viel Zeit zum Reden bleiben...", murmelte ich zurück, meine Augen noch immer fest auf ihr Pendant gerichtet. Neugierig darauf zu erfahren, was meine Gegenüber tun würde, wenn ich ihr den ersten Schritt überließ, verharrte ich in dieser Position und lächelte zufrieden, als ihre Finger den Weg zu meinem Gesicht fanden. Die Berührung war unerwartet sanft und doch reichte diese kleine Geste aus, meine Selbstbeherrschung gefährlich ins Wanken zu bringen. Als sie mir nur wenige Sekunden später dieses Privileg bereits wieder entzog, bröckelte auch der Rest. „Irgendwelche Regeln, von denen ich wissen müsste?“
Ich gab einen undefinierbaren Laut von mir. Irgendwo zwischen Belustigung und dem Drang mich nicht länger zurückhalten zu müssen, ehe ich diesem Bedürfnis nachging und mein Gesicht zu ihren Hals senkte. "Ich werde dir deine kleinen Spielzeuge wegnehmen müssen...", hauchte ich gegen die wohlriechende Haut, die mich augenblicklich dazu verleitete sanft hineinzubeißen. "Ansonsten nicht, nein. Es sei denn, du möchtest noch irgendetwas loswerden." Meine Lippen streiften ihre Kinnlinie, als ich weiter gen Norden wanderte und an ihrem Ohr zum Stillstand kam. "Dann solltest du dich aber beeilen."

~~~

Es brauchte nicht viel, um den Mann vor mir zum Handeln zu bewegen. Kaum, dass ich meine Frage gestellt hatte, kam er mir bereits näher und widmete sich zunächst meinem Hals. Das Erste, was ich in dieser Nacht über Callum lernte war, dass er überraschend geübt war, in dem, was er tat. Mein beschleunigter Puls war wahrscheinlich vor allem dem Umstand zu verdanken, dass ich nicht genau wusste, was auf mich zukommen würde. Dass ich mir im Klaren darüber war, dass das hier falsch war. Und trotzdem erzeugte sein heißer Atem einen angenehmen Schauer auf meiner Haut. Weckte Sehnsüchte, die ich viel zu lange verdrängt hatte. Es folgte nun doch eine Antwort. Callum bestand darauf meine Spielzeuge zu sichern. Als Reaktion entwich mir ein leises Schnauben. „Fair.“
Der sanfte Biss fühlte sich fast schon wie eine stumme Entschuldigung an. Ein Vorgeschmack auf das, was mich im Gegenzug für das Vertrauen erwarten konnte. Mein Verstand lachte mich aufgrund dieser Mutmaßung aus. Ich durfte nicht vergessen, wieso ich hier war. Doch die darauf folgenden, flüchtigen Liebkosungen machten dieses Unterfangen schwerer, als gedacht. Callum ließ mir die Gelegenheit mich selbst zu äußern. Gab es etwas, das ich noch loswerden wollte, ehe der letzte Faden seiner Selbstbeherrschung reißen würde? Auf meinen Lippen erschien ein mattes Lächeln, als ich flüchtig gegen seine Brust tippte.
„Du solltest deine Sachen ebenfalls ablegen… gleiches Recht für alle…“
Ein wenig mit mir selbst hadernd drehte ich mein Gesicht in seine Richtung, um ihn wieder ansehen zu können. Die Nähe war immer noch ungewohnt, jedoch bei weitem nicht so unangenehm, wie ich befürchtet hatte. „Okay… dann…“, begann ich zögerlich und blickte dabei aus den Augenwinkeln zur Seite. Langsam legte ich eine Hand an meinen Gürtel, an dem die meisten meiner Waffen befestigt waren. Mit wenigen, geübten Handgriffen löste ich den Verschluss, woraufhin mein Inventar von meinen Hüften rutschte und klirrend auf dem Boden unter mir landete. Meine Nasenspitze streifte flüchtig seine Wange, ehe ich das rechte Bein ein Stück anhob und die Ferse gegen die Wand hinter mir lehnte. Nach und nach zückte ich eine Handvoll Wurfmesser aus versteckten Täschchen in der Hose hervor, und reichte diese anschließend kommentarlos dem Mann vor mir. „Das müsste alles sein. Du kannst aber gerne selbst noch einmal nachsehen.“

~~~

Der sanfte Stoß gegen meine Brust, diente wohl dazu, meine Aufmerksamkeit wieder in andere Bahnen zu lenken und widerwillig folgte ich der stummen Aufforderung. Ihren nächsten Wunsch zu erfüllen, fiel mir jedoch ausgesprochen leicht. Einzig die unbeabsichtigte Berührung, als sie sich ihres Waffengürtels entledigte, ließ mich meine Absicht es ihr gleichzutun kurzeitig unterbrechen. Die Verzögerung spielte allerdings keine allzu große Rolle, denn im Vergleich zu meiner Gegenüber, war ich unbewaffnet, sobald der Gurt ihrem folgte. Das erlaubte es mir auch, sie in Ruhe dabei zu beobachten, wie sie eine nicht unerhebliche Anzahl von Messern aus ihren Verstecken zog. Der Verdacht, dass ihr Plan war, mich mit einem von ihnen zu beseitigen verdichtete sich und augenblicklich deutete sich ein Schmunzeln in meinen Mundwinkeln an. Sie konnte noch so sehr darauf beharren, dass ich ihr zuwider war, aber jede kleinste Regung von ihr deutete auf etwas anderes hin. Das Einzige, was sie zurzeit also verabscheute, waren allenfalls ihre eigenen Empfindungen.
Als sie mir ihre Waffen aushändigte, hob ich lediglich eine Augenbraue, ehe ich sie wie die restlichen achtlos zu Boden fallen ließ, ohne meine Augen dabei von der Dunkelhaarigen zu lösen. "Worauf du dich verlassen kannst.", erwiderte ich knapp, schnappte nach ihren Handgelenken und beförderte sie in die gleiche Ausgangslage, wie zuvor in ihrem Zimmer. Mit dem feinen Unterschied, dass ich nun genug Zeit hatte, diese Position auch auszukosten. Da meine Hände zurzeit beschäftigt waren, übernahmen meine Lippen erneut die Aufgabe, die weiche Haut zu erkunden. Alles an ihr war eine stille Einladung sich zu nehmen, was man wollte, doch diesen Gedanken behielt ich vorerst lieber für mich. Es gab noch so viel mehr, was ich mit ihr zu tun gedachte und bereits jetzt lohnte sich jede einzelne Minute.
"Lass die Hände, wo sie sind.", befahl ich warnend, während ich mich langsam zu ihrem Schlüsselbein vorarbeitete. Ohne diese Verbindung zu unterbrechen, fuhren meine Hände langsam ihre Arme hinab, bis sie das Ende des Stoffes erreichten und mit diesem ebenso genüsslich wieder nach oben wanderten. Das Kleidungsstück landete so unbekümmert zu unseren Füßen, wie die restlichen Störenfriede. Zufrieden betrachtet ich die neu freigelegte Haut, ehe ich meine Augen wieder zu ihrem Gesicht wandern ließ. Ob sie ahnte, wie schwer mir diese Zurückhaltung fiel? "Du darfst deine Hände wieder bewegen.", murmelte ich und erlaubte es meinen eigenen an ihrer Taille zur Ruhe zu kommen. Möglicherweise würde ich es bereuen ihr zu gestatten, nun ihrerseits alles tun zu dürfen, was sie wollte. Ganz gewiss sogar.

~~~

Nur am Rande nahm ich das Klirren meiner herabfallenden Messer wahr. Dafür war ich viel zu sehr auf den Mann konzentriert, der mich soeben endgültig entwaffnet hatte. Ich war recht schnell zu dem Entschluss gelangt, dass es keine gute Idee war ihm etwas vorzumachen. Oft genug hatte ich bereits erleben dürfen, was Callum mit jenen anstellte, die ihn hintergingen. Und mir lag, trotz allem, noch einiges daran den nächsten Sonnenaufgang zu erleben.
Wahrscheinlich begehrte ich deshalb nicht auf, als er meine Handgelenke gegen die Wand drückte und mich somit in das Gespräch in meiner Kammer zurückversetzte. Mit einer ungesunden Mischung aus Arglosigkeit und Neugier verfolgte ich, wie er seine Lippen erneut zum Einsatz brachte und mich dabei tonlos aufseufzen ließ. Ich konnte deutlich spüren, wie mein Puls sich beschleunigte, als sein leiser Befehl an meine Ohren drang. Stumm gab ich mich den zarten Liebkosungen hin und blickte kurze Zeit darauf perplex meinem Hemd hinterher, welches dasselbe Schicksal ereilte, wie unsere Waffen zuvor. Ich spürte warme Finger an meiner Körpermitte. Und dann war da noch der gierige Blick des Mannes, der so viele widersprüchliche Gefühle gleichzeitig in mir auslöste. Sobald er seine vorige Anweisung zurücknahm, erlaubte ich es mir etwas lauter auszuatmen und ließ meine Arme dabei langsam wieder sinken. Mein Atem war mittlerweile beschleunigt, das Herz schlug mir bis zum Hals. Wieso ließ er sich nur so viel Zeit? Er musste doch wissen, dass ich keinen Widerstand leisten würde. So zwang er mich dazu jede Berührung bewusst wahrzunehmen, ohne die Chance irgendetwas auszublenden. Es machte mich verrückt.
So lebhaft, wie meine Gedanken gerade auch waren, drangen sie glücklicherweise nicht an die Oberfläche. Meine Gesichtszüge blieben verhältnismäßig entspannt, die Augen prüfend auf ihm gerichtet. Zielstrebig fanden meine Finger ihren Weg zu den festgezurrten Riemen und Schlaufen, die seine Rüstung in Position hielten. Mit geübten Handgriffen löste ich sie nach und nach bereicherte den Boden unter uns mit weiteren Accessoires, bis ich Callums Unterhemd schließlich ganz freilegte. Kein schützender Stoff mehr, der einen Angriff abschirmen konnte. Meine Hände blieben kurz unschlüssig auf seiner Schulter und der Brust haften, ehe ich ihn ein Stück von mir schob, um mich meinen Stiefeln widmen zu können. Meine Augen blieben trotzdem unablässig auf ihm gerichtet. Ob er wohl darauf wartete, dass ich einen Fehler beging oder ihn angriff, um dieser Farce ein Ende zu bereiten? Ich war mir nicht ganz sicher. Vor allem das Lächeln, welches er mir gerade so offen entgegen brachte, ließ mich irgendwie zögern.
„Wieso bin ich immer noch am Leben?“

~~~

Wie von mir nicht anders erwartet, wurde mein Vorhaben sie zum Äußersten zu reizen schwieriger, als sie nun ihrerseits ihre Fingerfertigkeiten an mir erprobte. Ich konnte nur erahnen, was in ihrem Kopf vorging, als meine Rüstung nun ebenfalls zu Boden glitt, meinte jedoch ein kurzes Aufflackern in ihren Augen zu erkennen. Hatte ihr die kleine Lektion vorhin etwa nicht gereicht? Würde sie es wirklich erneut versuchen? Die Vorstellung amüsierte mich noch immer und ich wartete nun ein wenig geduldiger ab, wie ihre Hände zu ihren Stiefeln wanderten. Wie lange konnte ich warten, damit sie sich noch sicher war, dass ihr erneuter Angriff aufgehen würde? Doch zu meiner Überraschung unterbrach Katelyn ihr Handeln, was mich zugegebenermaßen selbst ein wenig aus dem Takt brachte.
"Weil du noch nicht so dumm warst mich erneut anzugreifen...", erwiderte ich prompt und nickte mit dem Kopf zu ihren Stiefeln, in denen sie vermutlich noch die eine oder andere Waffe aufbewahrte. Meine Mimik verfinsterte sich bedrohlich, während ich fortfuhr. "Aber eine bessere Gelegenheit wird sich dir vermutlich nicht bieten. Also, versuch dein Glück...", forderte ich sie heraus, trat wieder einen Schritt vor und sah abwartend auf die Dunkelhaarige hinunter.

~~~

Die Antwort auf meine Frage fiel genauso einfach, wie unbrauchbar aus. Klar gesprochen brachte sie mich keinen Schritt weiter. Sie gab keinen wirklichen Aufschluss über die Art, wie er dachte. Keinen Hinweis dazu, was ihn antrieb. Callum blieb ein großes Fragezeichen, aus dem ich einfach nicht schlau wurde. Und ich zweifelte nicht daran, dass er genau das mit seinem Verhalten bezwecken wollte.
Ich verharrte in meinen Bewegungen, als seine Miene sich mit einem Mal verdunkelte und er mit einem kurzen Kopfnicken auf meine Stiefel deutete. Seine herausfordernden Worte bestätigten meine Vermutung. Wenigstens etwas. Trotz meiner Lage blieb ich absurderweise recht entspannt. Meine Lippen verformten sich zu einem Lächeln, welches meine Augen jedoch nicht erreichte. Es war wohl an der Zeit die Karten aufzudecken.
„Ich passe. Wenn du den Angriff erwartest, habe ich keine Chance… und das weißt du.“
Langsam entledigte ich mich des ersten Stiefels und ließ ihn achtlos auf dem Boden unter mir aufkommen.
„Du wirst dich wahrscheinlich noch ein wenig gedulden müssen, ehe du zum Zug kommst.“, ergänzte ich mit einem leichten Schulterzucken und wurde nun auch den zweiten Stiefel los. Das falsche Lächeln war mittlerweile aus meinem Gesicht gewichen, doch meine Augen blieben weiterhin auf mein Ziel gerichtet.
„Ich verabscheue dich, Callum. Da ich dich aber nicht umbringen kann, muss ich die Zeit anders nutzen. Außer du hast deine Worte vorhin nicht ernst gemeint?“
Fragend legte ich den Kopf schief und betrachtete den Mann vor mir abwartend.

~~~

Mit festem Blick, lauschte ich ihrer Verneinung und für einen Moment wäre es mir lieber gewesen, Kate hätte nicht eine Sekunde gezögert, diese Gelegenheit zu nutzen. Offenbar kannte sie weitaus weniger Geschichten über mich, als ihr klar war, andererseits hätte sie es wohl nicht gewagt auch nur in meine Nähe zu kommen, geschweige denn sich mir derart auszuliefern. "Es gibt sicher Leute, die behaupten, Geduld würde nicht zu meinen Stärken zählen.", gab ich ruhig zurück, ohne meine Augen von der Frau zu lösen, die diesem Trugschluss vermutlich zustimmen würde. Ohne mich auch nur einen Millimeter zu rühren, beobachtete ich Kate weiter, die trotz dieser kleinen Unterbrechung dieses Spiel fortzusetzen gedachte. Mit dem kleinen Unterschied, dass sie nun keinen Hehl mehr daraus machte, wie sie zu mir stand. Ihre Offenbarung erschütterte mich jedoch nicht in dem, was ich zu wissen glaubte.
"Ich meine alles ernst, was ich sage.", erwiderte ich auf ihren eventuellen Versuch doch noch den Hals aus der Schlinge zu ziehen, ehe diese sich zuzog. "Und Abscheu ist etwas, das mir nicht fremd ist, wie du dir vielleicht vorstellen kannst.", setzte ich hinzu, während meine Augenbrauen gefährlich nahe zueinander rückten. "Ich präferiere ihn sogar." Nun war ich derjenige, der sich von seinem Schuhwerk befreite, ohne sie dabei auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen. "Aber das ist nicht der Grund, warum du hier bist. Dass du auf eine Gelegenheit hoffst mich zu töten, dürfte wohl spätestens nach der kleinen Aktion vorhin klar sein. Außerdem ist es recht offensichtlich, dass du wissen willst, was ich mit dir vorhabe. Beides hättest du haben können, ohne dich dem Mann anzubiedern, den du so verabscheust." Mit unveränderter Miene umschloss ich ihr Gesicht mit meinen Händen und versuchte zu ergründen, welche Antworten in diesen dunklen Augen verborgen lagen. "Wieso bist du also wirklich hier? Denn du wirst keine der beiden Dinge bekommen..."

~~~

Wahrscheinlich war es falsch gewesen die schützende Fassade abzulegen; selbst wenn die Wahrheit doch so offensichtlich war. In einem trügerischen Impuls hatte ich alles auf eine Karte gesetzt und verloren. Das sagte mir zumindest mein Bauchgefühl, als die erhoffte Reaktion ausfiel. Stattdessen erfuhr ich vom kurzen Geduldsfaden meines Gegenübers und der Tatsache, dass er alles Gesagte ernst meinte. Doch Callum kam erst wirklich in Fahrt und ging dazu über meine Worte und mein Verhalten vor meinen Augen zu sezieren. Ich merkte nicht einmal wirklich, wie er es mir gleich tat und sich seines Schuhwerkes entledigte. Erst, als ich seine Hände unerwartet auf meinen Wangen spürte, presste ich die Lippen unzufrieden aufeinander und durchbrach den Augenkontakt, weil ich die Eindringlichkeit seines Blickes nicht mehr ertragen konnte. Er wollte wissen, wieso ich wirklich hier war und rieb mir gleichzeitig unter die Nase, dass er mir ohnehin nichts geben würde. Zumindest nicht das, auf das ich in erster Linie hoffte.
„Es macht doch keinen Unterschied, wieso ich hier bin.“
Ich hasste es. So sehr, dass dieses Gefühl mich von innen heraus zerfraß. Ich hasste diesen Mann. Ich hasste diese verlogene Stadt und deren heuchlerischen Anwohner, die die Augen vor dem Offensichtlichen verschlossen und sie abwandten, um sich der Verantwortung zu entziehen. Ich hasste es nach einer so langen Zeit kaum vorangekommen zu sein. Und Callum schürte nur Öl zum Feuer und ließ die so sorgsam unterdrückte Wut unkontrolliert aufflammen. Ich war nicht mehr imstande das Zittern zu unterdrücken, als ich mich dazu zwang wieder zu ihm zu schauen.
„Anscheinend bin ich nur ein dummes, kleines Mädchen, welches sich in Angelegenheiten hinein galoppiert hat, die ihren Intellekt übersteigen. Belassen wir es einfach dabei.“

~~~

Katelyn schaffte es nicht, meinem Blick standzuhalten, weshalb ihr das freudlose Lächeln verborgen blieb, das bei dieser Reaktion über mein Gesicht huschte. Es wäre so viel einfacher für sie, würde sie den Teil in sich akzeptieren, mit dem ich schon vor langer Zeit meinen Frieden geschlossen hatte. Stattdessen suchte sie nach vagen Ausflüchten, die ich nur stillschweigend hinnahm und geduldig auf ihre nächste Handlung wartete. Jede kleine Regung in mich aufsaugend, betrachtete ich die junge Frau, deren Maske mit jeder Sekunde mehr zerbröckelte. Oder versuchte sie nur eine andere Taktik? Der Gedanke rief widersprüchliche Gefühle in mir wach und beinahe behutsam ließ ich meinen Daumen über ihre Unterlippe gleiten, ehe ich mein Gesicht dem ihren wieder näherte. "Ungünstig, wenn man mit den großen Jungs spielen will...", pflichtete ich ihr leise bei, ehe ich meine Lippen auf ihren Hals setzte und mich über die weiche Haut nach oben arbeitete. In einem zumindest schienen wir uns einig zu sein. Es wurde Zeit, diese Farce zu beenden. "Corboz ist nicht bei Sinnen, wenn es um dieses Mädchen geht. Einstweilen hab ich dafür gesorgt, dass seine Angst größer ist, aber ich fürchte das wird ihn nicht ewig aufhalten. Du solltest also nicht zu lange warten.", flüsterte ich, als mein Mund auf ihr Ohrläppchen traf und nutzte dann die letzte Gelegenheit mich in den weichen Strähnen zu vergraben, ehe ich abrupt von ihr abließ. "Geh jetzt.", befahl ich ihr mit fester Miene, ehe ich mich nach meinem Schwert bückte und unerledigter Dinge auf mein Bett fallen ließ.

~~~

Das leise Zugeständnis ließ mich jeden meiner bisherigen Schritte bereuen. Darum bemüht die letzten Reste meiner Selbstachtung zu wahren, behielt ich den Blick gesenkt, als ich eine Berührung an meiner Lippe wahrnahm. Seine Antwort entlockte mir ein leises, frustriertes Schnauben. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Callum sich abermals meinem Hals näherte und diesen sanften Küssen benetzte. Ein feiner Schauer breitete sich auf meiner Haut aus; eine Reaktion, die ich trotz größter Bemühungen nicht unterbinden konnte. Am Ende hasste ich mich selbst wahrscheinlich am meisten.
"Corboz ist nicht bei Sinnen, wenn es um dieses Mädchen geht. Einstweilen hab ich dafür gesorgt, dass seine Angst größer ist, aber ich fürchte das wird ihn nicht ewig aufhalten. Du solltest also nicht zu lange warten." Die geflüsterten Worte meines Gegenübers kamen so unerwartet, dass ich für einen Moment glaubte mich verhört zu haben. Stockend beobachtete ich, wie Callum die Verbindung zwischen uns durchbrach und mit befahl zu gehen, ehe er mit seinem eigenen Schwert vorliebnahm und sich damit auf seine eigene Matratze zurückzog. Es dauerte einige Sekunden, bis ich mich aus meiner Starre löste und unkoordiniert begann meine Sachen vom Boden aufzuheben. Eilig schlüpfte ich in Hemd und Stiefel und wollte gerade die Tür ansteuern, als ich den Fehler machte meine Augen noch einmal zum Bett zu richten. Callum lag auf dem Rücken, seine Augen geschlossen. Ein trügerischer, friedlicher Anblick.
„Ich… werde es im Hinterkopf behalten.“
Gerade noch so widerstand ich dem Drang noch einmal umzukehren, um… ja, um was eigentlich? Mit einem kurzen Kopfschütteln trat ich hastig aus dem Raum und kam erst wieder zum Stillstand, als ich mein eigenes Zimmer erreichte. Mit einem Seufzen auf den Lippen schob ich die Tür hinter mir zu und lehnte mich gegen das spröde Holz. Meine Finger streiften abwesend über meinen Hals, während ich versuchte einen Sinn aus dem Erlebten zu ziehen. Doch am Ende war nicht viel schlauer, als vorher. Mit einer, kleinen Ausnahme.


Liebe ist nur eine weitere Methode anderen Leid zuzufügen <3
nach oben springen

#120

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 18.05.2017 19:23
von Neyl • Admin | 37.081 Beiträge



Es war seltsam nach all der Zeit wieder in die so vertraute Umgebung zurückzukehren. Gelogen wäre es außerdem, würde ich bestreiten, dass ich keine Angst davor hatte, was mich hier erwarten würde. Doch ich hatte keine andere Wahl gehabt.
Missmutig kniff ich bei diesem Gedanken die Lippen aufeinander, ehe ich den Archadewald betrat und hoffte, dass meine Rückkehr unbemerkt blieb. Zumindest von Eochaids Lakaien und einem gewissen Jemand, der mich definitiv in meiner jetzigen Verfassung nicht zu Gesicht bekommen sollte. Abwesend strich ich mir über den Bauch, der eine kaum zu kaschierende Wölbung zeigte und seufzte bei dem Gedanken, dass mich dieses Kind irgendwann für meine Entscheidungen hassen könnte.
Erschöpft genehmigte ich mir nach einer Weile eine erneute Pause und verfluchte den Umstand, dass sich meine Reise so schwierig gestalten ließ. Die wertvolle Fracht, die ich jedoch mit mir führte, erschwerte das Vorankommen ungemein. Doch jetzt war mein Ziel nicht mehr weit.
Ich hatte gerade eine weitere Meile hinter mich gebracht, als ich zu spät bemerkte, dass ich nicht mehr alleine war. Ein Knacken ganz in der Nähe ließ mich alarmiert im Dickicht Schutz suchen und mir entfuhr ein leiser Fluch, als ich mir bei dieser Aktion einen schmerzhaften Kratzer an der Wange zuzog. Zu spät wurde mir bewusst, dass ich vielleicht lieber die Klappe gehalten hätte und als das Knacken lauter wurde, griff ich mit rasendem Herzklopfen nach meinem Dolch. Angespannt wartete ich auf die Person, die nicht mehr weit entfernt sein konnte und blickte wachsam durch die freien Stellen zwischen dem Geäst hindurch. "Pola?" Als ich das Gesicht der Azallen zweifellos erkennen konnte, kämpfte ich mich aus dem Gestrüpp und wurde von meinen eigenen Haaren ausgebremst, die sich in einigen Zweigen verfangenen hatten. "Ach, verdammte Scheiße.", schimpfte ich, riss genervt an meinen Haarsträhnen und drehte mich dann grinsend zu meiner Freundin um. "Verdammt, muss ausgerechnet die hübscheste Azalle mich gleich daran erinnern, dass ich aussehe, als würde ich einen Elefanten in mir tragen." Zu spät erinnerte ich mich daran, dass ich niemanden in mein kleines Geheimnis eingeweiht hatte. "...Ähm...Mist." Ich zog eine Grimasse, ehe ich unbekümmert mit den Schultern zuckte. "Spielt eh keine Rolle mehr, das lässt sich ja schwer verstecken.", bemerkte ich mit einem leichten Augenverdrehen, ehe ich endlich die Entfernung zwischen uns überbrückte und Pola in meine Arme schloss. "Ich hab dich vermisst."


Liebe ist nur eine weitere Methode anderen Leid zuzufügen <3

zuletzt bearbeitet 26.05.2017 22:49 | nach oben springen


Besucher
0 Mitglieder und 1 Gast sind Online

Besucherzähler
Heute waren 6 Gäste online.

Forum Statistiken
Das Forum hat 680 Themen und 221329 Beiträge.

Heute waren 0 Mitglieder Online: