#31

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 15.11.2016 23:02
von Pummel • Eumelchen <3 | 295 Beiträge


Im großen, bösen Wald mit Aneela
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Ich war gerade im Begriff die nächsten Beeren zu vertilgen, als die Fremde mir ebenfalls ihren Namen verriet. Aneela. Wie nicht anders zu erwarten kein alltäglicher Rufname. Ich mochte die Sanftheit, die er ausstrahlte, behielt diese Feststellung jedoch für mich. Stattdessen ließ ich meine Augen umherwandern und versuchte mich ein wenig zu orientieren. Die Wälder Cerandíls unterschieden sich von der Umgebung, die ich sonst gewohnt war. Es war schon lustig welchen Unterschied die paar Tage Reise ausmachen konnten.
Es dauerte nicht lange, bis wir den Fluss erreichten. Das leise Plätschern des sauberen Wassers, welches mit jedem Schritt lauter zu vernehmen war, erinnerte mich daran, wie viel Durst ich eigentlich verspürte. Ein Verlangen, welches ich unterdrückt hatte, um meine knappen Reserven nicht verfrüht zu verbrauchen. Kam es mir eigentlich nur so vor, oder wirkte die Frau neben mir mit einem Mal verspannter? Mit schief gelegtem Kopf betrachtete ich, wie sie ans Wasser trat und ihren Durst stillte. Irgendwie surreal. Vielleicht war ich deshalb so perplex, als sie ihre grünen Augen mit einem Mal wieder auf mich richtete und an mich herantrat. Aneela wollte sich meine Verletzung ansehen. Folgsam drehte ich ihr meinen Rücken zu und beobachtete amüsiert aus den Augenwinkeln, wie sie mein blutgetränktes Hemd weiter aufriss. "Wenn du was tust, dann aber richtig, hm." Ihr Kommentar verleitete mich zum nächsten, leisen Lachen. „Jawohl. Keine halben Sachen, wenn es sich nicht verhindern lässt.“
Ich nickte, als sie kurz darauf verkündete gleich wiederzukommen, ohne wirklich zu hinterfragen, wieso sie sich überhaupt von mir entfernte. Die Azalle würde schon ihre Gründe haben. Ächzend ließ ich meine Tasche neben mir auf den Boden fallen und entledigte mich als nächstes des verdreckten Oberteiles. Während dieses noch zu Boden rauschte, trat ich bereits aufs Wasser zu. Ich folgte Aneelas Beispiel von zuvor und bediente mich an dem klaren Wasser, welches einen Teil meiner Lebensgeister wieder erweckte. Zumindest verschaffte es meinen eigenen Gedanken eine gewisse Klarheit. Meine Gesichtszüge spannten sich an, als ich mir der möglichen Tragweite der Ereignisse der letzten Stunden bewusst wurde. Unzufrieden begann ich nun etwas unbeholfen die Spuren des Kampfes von meinem Körper zu waschen. Da ich mich nicht großartig verrenken konnte, sparte ich den Rücken vorerst aus.
Es vergingen einige Minuten, in denen ich realisierte, dass mein Vorhaben um einiges Schwieriger war, als ich anfangs angenommen hatte. Noch dazu, wenn ich nur flüchtige Indizien zur Verfügung hatte.
Ich blickte automatisch auf, als ich aus den Augenwinkeln eine Regung wahrnahm. Meine Retterin war mit einem Fundstück zurückgekehrt. Langsam drehte ich mich ein Stück zu ihr und beobachtete sie dabei, wie sie mir unbekannte Kräuter auf einem Felsen ablegte und anschließend ihre eigenen Finger im Flusswasser säuberte.
"Von wem stammt das andere Blut?"
Ihre Frage lenkte mich kurz von der Bahn. Natürlich hatte ich damit gerechnet sie früher oder später beantworten zu müssen. Ich wäre bald wahrscheinlich selbst damit herausgerückt. Trotzdem war es nicht unbedingt leicht solche Dinge preiszugeben. Ich betrachtete die Grünäugige kurz nachdenklich, ehe ich zu einer Antwort ansetzte.
„Von keinem Freund, das steht schon mal fest.“
Seufzend kehrte ich zum Ufer zurück und ließ mich neben der Dunkelhaarigen nieder. Ich zog meine Tasche näher an mich heran und wühlte mit meinem gesunden Arm darin herum. Mein Blick harrte auf dem dürftigen Inhalt meiner Tasche, während ich leise fortführte.
„Ein Soldat, der sich zu meinem Leidwesen mein Gesicht gemerkt hat. Wir hatten vor einiger Zeit eine kleine... Auseinandersetzung in Niva’hlen. Ich hab ihn anfangs nicht erkannt. Als ich merkte, dass etwas nicht stimmt, habe ich mich in die Wälder zurückgezogen... aber er ist mir gefolgt. Den Rest kannst du dir vermutlich denken.“
Mit unzufriedener Miene fischte ich das Verbandsmaterial, das ich bei mir führte, aus der Tasche und legte es nach und nach neben mir ab. Nach einigem Hadern zwang ich mich dazu zu Aneela zu schauen.
„Vermutlich kein guter Zeitpunkt für sowas. Aber glaub mir. Mein Plan sah eigentlich vor spätesten in drei Tagen wieder Zuhause zu sein. Daraus wird wohl erstmal nichts.“
Meine Augen wanderten ablenkend zu den Kräutern.
„Ich weiß die Hilfe übrigens zu schätzen. Also... falls du mir jetzt nicht doch noch einen Pfeil durchs Herz jagen willst.“


zuletzt bearbeitet 04.05.2017 20:31 | nach oben springen

#32

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 17.11.2016 19:50
von Neyl • Admin | 37.081 Beiträge




„Von keinem Freund, das steht schon mal fest.“
Abwartend beobachtete ich, wie Ethan zurück ans Ufer kehrte, sich niederließ und anfing seine Habseligkeiten zu durchstöbern. Vage Antworten wie diese machten mich oft misstrauisch, doch noch ehe ich ihn mit weiteren Fragen löchern konnte, fuhr er von sich aus zu erzählen fort. Während seiner knappen Ausführung, wanderten meine Gedanken abermals zu dem vergangenen Abend und obwohl jeder, der dem Befehl des Königs folgte, unser Feind war, behagte mir noch immer nicht, wenn einer von den Soldaten sein Leben verlor. Vielleicht, weil ich an dem Glauben festhielt, dass wir besser waren als sie. Dass solche Taten uns verändern würden, bis wir alles verrieten, was uns ausmachte.
"Ja, kann ich...", erwiderte ich bedrückt und fragte mich unweigerlich, ob Ethan zu der Sorte Mensch gehörte, die einem anderen Lebewesen leichtfertig das Leben nahmen, oder er tatsächlich keine andere Wahl gehabt hatte.
Aus irgendeinem Grund hoffte ich Letzteres. Vermutlich, weil mir mein Instinkt sagte, dass er nicht zu den Feinden gehörte. Weil er etwas Vertrautes an sich hatte. Oder machte ich mir gerade selbst etwas vor?
Doch trotz meines -eventuellen trügerischen- Verdachts, dass ich von ihm nichts zu befürchten hatte, ließ ich weiterhin Vorsicht walten und verfolgte schweigend, wie er einige Verbände neben sich verteilte, ehe er seine Augen auf mich richtete und abermals das Wort ergriff.
"Ich hoffe, dass was auch immer du hier suchst lohnenswert ist. Oder was auch immer du hier zu finden glaubst...", erwiderte ich mit einem schwachen Lächeln, ehe er sich für meine Hilfe bedankte. „ Also... falls du mir jetzt nicht doch noch einen Pfeil durchs Herz jagen willst.“, setzte er hinzu, was mich tatsächlich amüsierte. Wäre er vor wenigen Jahren hier angekommen, hätte ich ihn vermutlich weitaus freundlicher in Empfang genommen und so gesehen, konnte er noch von Glück reden, dass ich es gewesen war, der ihn gefunden hatte. Auch wenn ich zurzeit nicht vor Herzensgüte strahlte. "Solange du mir keinen Grund dazu gibst.", lachte ich leise auf, ehe ich mich schnell wieder zusammenriss und erhob, um mir die Verletzung noch einmal anzusehen. "Es gibt Leute in Cerandíl, die wesentlich besser für eine solche Aufgabe geeignet wären, aber...die Alchemilla wirkt wahre Wunder wenn es darum geht, den Blutfluss zu stoppen.", erklärte ich, ehe ich einen Stein aus dem Wasser fischte und begann die Blätter zu zerdrücken. Sie wurde auch noch zu anderen Zwecken verwendet, aber das ließ ich lieber unerwähnt, sonst würde er vermutlich meine Praktiken anzweifeln und diese Wunde musste dringend versorgt werden.
"Das könnte ein wenig brennen.", warnte ich ihn netterweise und vermutlich völlig unnötig vor, als ich die entstandene Paste vorsichtig auf der Verletzung verteilte. "Das müsste erstmal reichen.", bemerkte ich, griff nach dem Verbandmaterial, welches er mit sich geführt hatte und bemühte mich, einen ordentlichen Verband zu fabrizieren. Recht zufrieden nickte ich, als ich das Endergebnis betrachtete, richtete noch kurz beide Übergänge an den Seiten und trat dann erneut ans Wasser. Diesmal, um mir die Reste der Kräuter von den Fingern zu waschen. "Ich würde dir trotzdem raten, das bei Gelegenheit noch einmal von jemandem ansehen zu lassen, der etwas vertrauter mit der Materie ist.", riet ich ihm, drehte den Kopf zu Ethan und lächelte leicht. Immerhin hatte er bisher sein Wort gehalten, weswegen ich erleichtert war, dass ich meinem innerlichen Drang nachgeben hatte.


Liebe ist nur eine weitere Methode anderen Leid zuzufügen <3

zuletzt bearbeitet 04.05.2017 20:31 | nach oben springen

#33

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 19.11.2016 01:48
von Pummel • Eumelchen <3 | 295 Beiträge


Im großen, bösen Wald mit Aneela
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Ob das, wonach ich suchte, auch den Aufwand wert war? Es wäre vermutlich peinlich zuzugeben, dass ich diese Frage nicht eindeutig beantworten konnte. Wie Aneela wohl reagieren würde, falls sie erfahren sollte, dass ich alles stehen und liegen gelassen hatte, um zusammenhanglose Bilder in meinem Kopf zu ergründen? Da ich nicht glaubte, dass meine Suche den Tod eines Soldaten und die daraus entstehenden möglichen Konsequenzen für die hier lebenden Azallen rechtfertigte, behielt ich jedoch meine Gedanken für mich und beschränkte mich darauf meinen Gegenüber nachdenklich zu beobachten.
Glücklicherweise hakte sie nicht weiter nach, sondern konzentrierte sich auf meine abschließenden Worte. Sie würde mir also nicht den Rest geben, solange ich ihr keinen Grund dazu liefern sollte. Ihr kurzes Lachen war ansteckend. Viel zu schnell verhärteten sich die Züge der Braunhaarigen wieder, als sie sich erhob, um ihre Augen ein weiteres Mal auf meiner Verletzung zu richten.
"Es gibt Leute in Cerandíl, die wesentlich besser für eine solche Aufgabe geeignet wären, aber...die Alchemilla wirkt wahre Wunder wenn es darum geht, den Blutfluss zu stoppen." – erklärte Aneela aufmerksamerweise, ehe sie einen Stein aus dem Wasser fischte und dazu überging die gesammelten Blätter auf dem Felsen zu einer einheitlichen Masse zu verarbeiten. „Hm, sollte ich mir merken. Hab‘s nicht so mit Kräutern.“
Ich blieb brav sitzen, als die Azalle nach einer kurzen Warnung dazu überging die entstandene Paste auf meiner Verletzung zu verstreichen. Die behutsamen Berührungen machten das anfängliche Brennen auf meiner Haut recht schnell wieder wett. Es kam nicht allzu oft vor, dass ich in den Genuss einer persönlichen Krankenschwester kam. Noch dazu einer, die außerordentlich angenehm zu beobachten war. Deshalb unterbrach ich die Prozedur nicht mit sinnlosem Gerede, sondern genoss die Aufmerksamkeit und unterstützte sie nach Möglichkeit, sobald Aneela die Verbände ergriff und sie vorsichtig um meinen Körper wickelte. Es war schneller vorbei, als mit eigentlich lieb war. Schon betrachtete ich sie dabei, wie sie sich von mir entfernte und ihre Finger im Wasser ausspülte.
"Ich würde dir trotzdem raten, das bei Gelegenheit noch einmal von jemandem ansehen zu lassen, der etwas vertrauter mit der Materie ist."
„Ich versuche es zu beherzigen.“
Ich erwiderte das flüchtige Lächeln, welches sie mir zuwarf und hob im nächsten Schritt mein blutgetränktes Hemd vom Boden auf. Ächzend beugte ich mich zum Fluss vor und tauchte das Kleidungsstück ins klare Wasser, welches sich augenblicklich rosa färbte. Während ich versuchte den Stoff halbwegs sauber zu kriegen, blickte ich zu der Dunkelhaarigen auf.
„Sag mal… weißt du, wo ich meine Vorräte auffrischen könnte?“
Noch während ich die Frage stellte, merkte ich, wie ich unerwartet schwankte. Das Hemd in einer Hand behaltend, sackte ich leicht zur Seite und musste mich am Ufer abstützen, um nicht gänzlich das Gleichgewicht zu verlieren. Nichts Ungewöhnliches, wenn man in Betracht zog, welchen Strapazen ich meinen Körper in den vergangenen Tagen ausgesetzt hatte. Für einen kurzen Augenblick gab ich dem Gefühl nach. Ich merkte zu spät, dass der Schatten, den mein Körper auf den mit Gras bewachsenen Boden warf, sich unnatürlich ausdehnte und sich einem dunklen Sirup gleichend langsam immer weiter auf der Rasenfläche ausbreitete. Als ich meinen Blick das nächste Mal hob, hatte er bereits fast Aneelas Schuhspitzen erreicht. Dann, schreckte der spitz zulaufende Schatten mit einem Mal zurück und nahm seine eigentliche, natürliche Form an. Kein gutes Timing.
Unzufrieden strich ich mir kurz über das Gesicht, wrang das Hemd dürftig aus und warf es vorerst ins Gras, ehe ich in meine Tasche langte und ein trockenes Oberteil herausfischte. Darum bemüht die Situation von vorhin zu überspielen, blickte ich erneut zu der Azalle auf und lächelte schief.
„Hey… ich will ja nicht frech wirken… aber könntest du mir vielleicht in das Oberteil helfen? Ich würde deine Arbeit nur ungerne zunichtemachen…“


zuletzt bearbeitet 04.05.2017 20:30 | nach oben springen

#34

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 21.11.2016 21:19
von Katashyna • Pingupups | 39 Beiträge

*hust* ... ähm...ja... ich schleich mich hier auch mal wieder rein *hust*



Das gleißende Sonnenlicht, welches durch das kleine Fenster die beengte Kammer erhellte, lies mich blinzelnd die Augen aufschlagen. Nur einmal würde ich mich gerne zur Seite drehen und einfach weiter schlafen, doch konnte ich mir diesen Umstand nicht leisten. Würde ich nicht in dem Gasthaus erscheinen, würde mich der Besitzer wohl vor die Tür setzen, doch ich brauchte das Geld. Mein Vater alleine verdiente für seine harte Arbeit auch nicht genug, um uns beide sorglos versorgen zu können. Außerdem würde sich die harte Arbeit bestimmt irgendwann bezahlt machen.
Mit einem Seufzer erhob ich mich von der alten Matratze und ging zu der Waschschale am Ende des Raumes. Wie erwartet war das Wasser kalt. Ich hatte noch nie die Möglichkeit mich mit warmem Wasser zu waschen. Allerdings hatte es so den Vorteil, dass ich zumindest wach wurde. Nachdem ich mir Gesicht, sowie Nacken gewaschen und meine Haare gebürstet und hoch gesteckt hatte, zog ich mir mein Arbeitsgewand an. Sehr viel mehr als das besaß ich sowieso nicht. Ein altes, braunes Kleid mit einer Schürze an der die Nähte schon aufgingen. Was für eine Tragödie so etwas tragen zu müssen und selber auch nichts Besseres zu besitzen. Schon gestern wurde ich von diesem jungen Mann an Kilians und Aneelas Seite mit verachtenden Blicken gemustert. Ganz sicher Aufgrund meiner Kleidung, was ich ihm auch nicht verübeln konnte.
Doch die gestrigen Ereignisse wollte ich sowieso alle vergessen. Es war kein schöner Abend gewesen. Mit vielen Tumulten und…anderem. Ich bin froh, dass mich Kilian wenigstens noch nach Hause gebracht hatte. Wahrscheinlich war das das Beste für mich. Ich gehörte nicht zu irgendwelchen Feierlichkeiten. Im Hintergrund machte ich mich viel besser. Solange ich nur meine Arbeiten verrichte, reicht das aus. Oder ich gehe wieder einmal in den Wald. Der einzige Ort, an dem ich immer Ruhe finde. Und bis jetzt auch immer sehr zuvorkommende Leute vorgefunden habe.
Bevor ich jedoch ganz in meiner Gedankenwelt verschwand und noch zu spät ins Wirtshaus kam, machte ich mich eilig auf den Weg. Das Dorf war schon sehr belebt. Kein Wunder, es arbeiten ja auch schon die meisten um diese Zeit. Mein Vater ist Handwerker und verlässt so schon früh morgens unser kleines Häuschen, um seine Arbeit zu verrichten. Ich sehe ihn nur selten. Viel öfter sehe ich meine Nachbarin, die Blumenverkäuferin. »Guten Morgen, Artminea. Du kommst heute aber spät aus dem Haus. Beeil dich lieber mein Kind.« »Guten Morgen. Ich beeile mich ja schon, einen schönen Tag noch.« Ich winkte der älteren Dame zum Abschied und beeilte mich damit ins Wirtshaus zu kommen.
Kaum kam ich zum Hintereingang herein, begrüßte ich die liebe Mary und einige der Lehrlinge. Mein strahlendes Lächeln verschwand schnell aus meinem Gesicht, als ich die bedrückten Blicke der anderen vernahm. »Mein Kind. Schnell, schnell geh wieder nach Hause. Du solltest besser nicht hier sein.«, gab Mary hastig von sich, während sie mich zur Tür schob. Mir war nicht klar was sie damit bezwecken wollte. »Aber Mary…i-ich muss doch arbeiten.«, stammelte ich verwirrt und hörte im nächsten Moment ein lautes Geräusch, als hätte jemand Türen zu- oder aufgeschlagen. Sofort darauf vernahm ich tosendes Gebrüll und ein wütender Mann stürmte in die Küche. »Du unnütze Küchenmagd!« Der Besitzer des Wirtshauses stürmte auf mich zu und schrie Mary an sie solle aus dem Weg gehen. Die arme Frau hatte gar keine andere Möglichkeit, als den Weg frei zu machen. Wohingegen ich wie zu Stein erstarrt stehen blieb und nicht den Mut hatte mich fort zu bewegen. Ein Schlag des Mannes mit der flachen Hand reichte aus um mich zu Boden zu werfen. Das einzige was ich machen konnte war mich zusammen zu ziehen. Ich spürte nur, wie ich wieder auf die Beine gezogen wurde und mich erneut Schmerz überkam. Er hörte nicht mehr auf. Um mich herum nur das weinende Schreien von Mary, die ihn bat aufzuhören und die hilflosen Küchenhilfen, bis mir irgendwann schwarz vor Augen wurde.

Als ich wieder zu mir kam, erblickte ich nur dutzende Gesichter, die mich besorgt anblickten. Unter anderem das von Köchin Mary, die mich mit Tränen in den Augen in den Armen hielt. »Was ist passiert?«, gab ich etwas heißer von mir, als ich mich aufrichten wollte und mit jeder Muskelbewegung den Schmerz im Gesicht spürte. Auch mein Magen schmerzte und ich entschied mich dazu erst einmal auf dem staubigen Boden sitzen zu bleiben. »Los, holt der Kleinen einen Schluck Wasser!«, forderte die korpulentere Dame ihre Helfer auf, von denen sofort zwei los eilten. Ich vermied zu sprechen oder generell mein Gesicht zu bewegen. Sogar das Trinken schmerzte, doch das kühle Wasser tat gut. »Am besten du gehst nach Hause mein Kind, und ruhst dich aus.« Ein einfaches Nicken war meine Antwort auf ihren Vorschlag. Mein Schädel tat so weh, dass ich nicht dazu im Stande war wirklich zu denken. In meinen Gedanken kamen die Bilder hoch, wie der Mann auf mich eingeschlagen hatte. Einer der Lehrlinge drückte mir noch einen Korb in die Hand und fragte, ob er mich begleiten sollte. Mary sagte ihm, dass er doch gerade gesehen hatte, wenn er unerlaubt die Küche während seiner Arbeitszeiten verlässt. Ich danke ihm für sein Angebot, aber Mary hatte Recht. Sie sollten sich nicht auch noch in Schwierigkeiten bringen. Außerdem würde er mich wahrscheinlich nach Hause begleiten und da wollte ich nicht hin. Nicht so. Früher oder später würde mich mein Vater sehen und sich nur Sorgen machen. Ich wollte ihn damit nicht belasten, weshalb ich es heute vermeiden würde irgendjemandem aus dem Dorf zu begegnen. Egal wer mich sehen würde, mein Vater würde alles erfahren. Also musste ich wo anders hin. Am besten an meinen persönlichen Zufluchtsort.

Der Wald hatte schon immer etwas Beruhigendes für mich an sich. Das einzige was man hier hörte waren das fröhliche Zwitschern der Vögel und seine eigenen Schritte auf dem unebenen Waldboden. Keine Menschen, keine Pferde und Wägen, keine vorlauten Säufer und keine schreienden Kinder. Nur die Natur und nichts anderes. Doch heute war es nicht so einfach die wundervolle Umgebung zu genießen. Es fiel mir schwer das Geschehene zu vergessen.
Erst als ich an dem See ankam, machte ich eine kleine Pause. Ich setzte mich an den Rand des klaren Wassers und blickte auf die spiegelnde Oberfläche. Darin erblickte ich mich selbst. Und der Anblick gefiel mir nicht gerade. Meine Augen waren geschwollen, sowie ziemlich errötet. Ich hatte schon ein paar blaue Stellen und es würden mit Sicherheit noch mehr werden. So konnte ich mich doch nicht in der Öffentlichkeit zeigen. Jeder würde Bescheid wissen. Wie soll ich denn wieder arbeiten gehen?
Um nicht weiter in dieses entstellte Gesicht blicken zu müssen, hielt ich meine Hände ins Wasser und schöpfte mir damit einen Batzen Wasser ins Gesicht. Zwar schmerzte es schrecklich und ich musste vor Schmerz die Zähne zusammen beißen, doch half es mir ein wenig.
Ich war ziemlich weit gelaufen und wollte mich noch etwas ausruhen, bevor ich wieder zurückgehe. Vielleicht auch überlegen, wie ich mein Gesicht am besten vor meinem Vater verstecke, wenn dies überhaupt möglich war. Also kletterte ich auf eine kleine Anhöhe und lehnte mich an einen der Bäume dort. Geschützt von den Büschen kauerte ich mich auf den Boden und schloss die Augen.


zuletzt bearbeitet 04.05.2017 20:30 | nach oben springen

#35

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 25.11.2016 21:24
von Neyl • Admin | 37.081 Beiträge





Ich nickte zufrieden, als Ethan mir versicherte, er würde meinen Ratschlag beherzigen. Mir wurde plötzlich bewusst, dass sein Auftauchen einen Großteil des drückenden Gefühls in meinem Inneren verscheucht hatte, auch wenn ich diese Tatsache nur auf die Ablenkung die er bot zurückführte. Während ich mich wieder aufrichtete, gesellte der Dunkelhaarige sich an meine Seite, um im Meriades die Spuren seiner Sünden zu beseitigen und ich beobachtete diese Szene unauffällig aus den Augenwinkeln.
„Sag mal… weißt du, wo ich meine Vorräte auffrischen könnte?“
Als Ethan unerwartet seine Augen auf mich richtete, zuckte ich ertappt zusammen. Doch im gleichen Moment verlor der Mann offenbar sein Gleichgewicht, konnte sich aber noch rechtzeitig abfangen und besorgter, als vermutlich angemessen, wollte ich mich gerade zu ihm hinunterbeugen, als ich plötzlich verwirrt innehielt.
Für eine Sekunde glaubte ich noch, dass mir meine Augen einen Streich spielten, doch als der Schatten sich stetig weiter ausbreitete, teilten sich meine Lippen vor Überraschung. Abwartend beobachtete ich, wie Ethan seine Entgleisung bemerkte und sofort schrumpfte jener wieder auf normale Größe zurück.
Sichtlich verstimmt führte er sein Vorhaben fort und ich fragte mich, ob er hoffte, dass mir dieser kleine Fauxpas entgangen war. Das verwirrte mich allerdings dahingehend, dass er keine Sekunde gezögert hatte, mir deutlich zu machen, dass er wusste, zu welchem Volk ich gehörte.
„Hey… ich will ja nicht frech wirken… aber könntest du mir vielleicht in das Oberteil helfen? Ich würde deine Arbeit nur ungerne zunichtemachen…“, fragte Ethan plötzlich, was mich aus meinen Gedankengängen riss und ich brauchte einen Moment, um zu realisieren, worum er mich bat. Augenblicklich breitete sich auch auf meinen Lippen ein amüsiertes Lächeln aus und ich nickte, ehe ich das Kleidungsstück aus seinen Fingern zupfte. Ohne lange zu zögern, stülpte ich ihm den Stoff vorsichtig über den Kopf und als unsere Gesichter auf Augenhöhe waren, musste ich unwillkürlich schmunzeln. "Es wirkt übrigens sehr frech.", bemerkte ich, ehe er den Arm mit der gesunden Schulter durch einen Ärmel zwängte und ich ihm bei dem anderen half. Ich war zugegeben erleichtert, dass er seine Kräfte für einen Moment nicht hatte kontrollieren können, denn so hatte ich zumindest eine Antwort darauf, warum ich diese seltsame Vertrautheit zwischen uns spürte. Er war einer von uns.
Ich hob den Blick wieder zu ihm auf, als alles an seinem rechten Platz saß und runzelte fragend die Stirn. "Warum hast du mir nicht gesagt, dass du ein Azalle bist?" Die ehrliche Verwunderung stand mir vermutlich ins Gesicht geschrieben. "Ich wäre viel netter zu dir gewesen, wenn ich es gewusst hätte.", fügte ich lächelnd hinzu und wie um meine Worte zu unterstreichen, legte ich meine Hand auf die unverletzte Schulter und zwang ihn dazu sich hinzusetzen, damit er sich noch einen Moment ausruhen konnte. Während ich ihn jedoch aufmerksam betrachtete, wurde mir klar, dass ein weiterer Azalle dazu gezwungen worden war Blut zu vergießen. Resigniert senkte ich den Blick, weil die Dinge, die ich kurzzeitig verdrängt hatte wieder an die Oberfläche traten. Cerandíl hatte ihn wirklich passend empfangen.


Liebe ist nur eine weitere Methode anderen Leid zuzufügen <3

zuletzt bearbeitet 04.05.2017 20:29 | nach oben springen

#36

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 26.11.2016 20:29
von Pummel • Eumelchen <3 | 295 Beiträge


Im großen, bösen Wald mit Aneela
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Aneela lächelte auf meine Bitte hin sichtlich amüsiert. Sie nickte, ehe sie mir das Kleidungsstück abnahm und es mir ohne groß zu zögern über den Kopf stülpte. Ich unterdrückte das Leise Lachen, welches unerwartet meine Lippen verlassen wollte und konzentrierte mich stattdessen auf die schmunzelnde Frau vor mir. Spätestens, als sie meinte, dass meine Anfrage sehr frech wirkte, konnte ich die ernsthafte Miene auf meinem Gesicht nicht weiter aufrechterhalten. „Keine Sorge, ich habe eigentlich nicht vor es zur Gewohnheit werden zu lassen.“ Grinsend zwängte ich meinen gesunden Arm durch die schmale Öffnung des Ärmels und ließ mir beim anderen dann von ihr helfen. Sobald ich meine Augen das nächste Mal auf die Dunkelhaarige richtete, fiel mit auf, dass sie die Stirn gerunzelt hatte. Sie fragte unerwartet danach, wieso ich nicht gesagt hatte, dass ich ein Azalle war. Die Frage durfte mich eigentlich nicht überraschen. Und doch konnte ich nicht verhindern nun selbst die Augenbrauen zusammenzuziehen.
"Ich wäre viel netter zu dir gewesen, wenn ich es gewusst hätte." Der Nachsatz machte die Wahrheit, die sich hinter ihren Worten verbarg, nur noch deutlicher. Trotzdem ließ ich es mir nicht nehmen leise aufzulachen. Noch ehe ich zu einer Erwiderung ansetzen konnte, spürte ich bereits Aneelas zierliche Hand an meiner Schulter, die mich sanft, aber bestimmend, dazu brachte mich hinzusetzen. Ich beschloss augenblicklich meiner Retterin nicht zu widersprechen. Vor allem nicht, als ich merkte, wie sie betrübt den Blick senkte und mit einem Mal in Gedanken schien.
„Viel netter sagst du... die Menschen hier müssen euch ja wirklich übel zugesetzt haben.“
Ich betrachtete sie kurz, nicht ganz wissend, was ich erwidern konnte, um ihre Gedanken wieder in eine andere Richtung zu lenken. Doch mein erschöpftes Hirn wollte nur bedingt kooperieren.
„Sag mir Aneela... kommt man als Azalle überhaupt noch in die Stadt? Wie schlimm ist es wirklich?“


zuletzt bearbeitet 04.05.2017 20:29 | nach oben springen

#37

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 29.11.2016 19:01
von Neyl • Admin | 37.081 Beiträge



„Viel netter sagst du... die Menschen hier müssen euch ja wirklich übel zugesetzt haben.“
Nachdenklich hob ich meinen Kopf, um meinen Gegenüber abermals betrachten zu können. "Sagen wir einfach, man wird vorsichtiger.", erwiderte ich mit einem leicht gequälten Lächeln, ehe ich abwartend seinen weiteren Worten lauschte. Das Gefühl der Gemeinschaft, das uns Azallen verband, auch wenn wir nicht von der selben Blutlinie abstammten, würde wohl nie jemand verstehen, der nicht zu uns gehörte. Doch es war eines der Dinge, die uns halfen das Leid zu ertragen, welches Eochaid über uns brachte. Und es war auch der Grund, warum ich mich nun vor Ethan setzte und ihm alles erzählte, was ihm helfen würde, sollte er länger in Cerandil verweilen. "Wir gehen in die Stadt, aber es wird schwieriger. Besonders für die, deren Gesichter sie kennen. Was nicht jeden davon abhält, sich trotzdem in die Stadt zu trauen." Ich warf ihm einen Blick zu, weil ich wusste, er würde es verstehen. Kaum ein Azalle zog Sicherheit der Freiheit vor. "Aber ja, viele wurden bereits geschnappt, einige konnten wir retten, andere nicht.", fuhr ich leise fort und starrte auf das treibende Wasser hinaus. Soviel Glück wie gestern, hatten wir nicht immer. Wäre Martius nicht gewesen, hätten wir vermutlich zu spät davon erfahren und...
Ich unterbrach den Gedanken schnell und lenkte ihn auf die Frage, ob es nicht doch bessere Möglichkeiten gab, unsere Sicherheit zu gewährleisten und trotzdem nicht alle Werte aufzugeben, die uns ausmachten. Erasmus hatte zwar jedem Azallen zu gewissen Vorsichtsmaßnahmen geraten, aber im Endeffekt setzen wir alle nur recht wenig davon um. Ich selbst verstieß immer wieder gegen diese Ratschläge, wie sich erst eben gezeigt hatte.
"Da du fremd bist, solltest du die Stadt ungehindert betreten dürfen. Solange du deine Fähigkeiten nicht benutzt, oder wieder einem alten "Freund" begegnest." Ich richtete meine Augen wieder auf den Azallen. "Und natürlich solltest du dich nicht mit jemandem sehen lassen, den sie kennen.", setzte ich hinzu und blickte überlegend in den freien Himmel über uns. Wie ich Corboz einschätzte, würde er nach den vergangenen Missgeschicken seinerseits, die Schlinge um unseren Hals nur weiter zuziehen, auch wenn ich nicht genau abschätzen konnte, auf welche Weise er das tun würde. Außer Frage stand jedoch, dass es für uns zusehends schwieriger werden würde, uns durch die Stadt zu bewegen. Und auch der Wald stellte schon lange keine sichere Zuflucht mehr dar.
Ein kleines Seufzen entwich mir, ehe ich mich nach hinten auf die ausgestreckten Arme stützte und Ethan einige Augenblicke musterte. "Du musst nicht in die Stadt. Wir leben unterhalb von ihr, versteckt und in Sicherheit. Wenn du möchtest, nehme ich dich mit und du kannst dort etwas essen, schlafen... und ich kenne auch jemanden, der sich ausgezeichnet um deine Verletzung kümmern kann. Danach kannst du tun, weswegen du hergekommen bist."


Liebe ist nur eine weitere Methode anderen Leid zuzufügen <3

zuletzt bearbeitet 04.05.2017 20:29 | nach oben springen

#38

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 30.11.2016 23:05
von Venhedis • Höllenfürstin | 38 Beiträge




Ich folgte Kilian hinaus und streckte mich noch einmal, bevor ich die Versammlung bemerkte. Azallen waren zwar gesellig, aber da stimmte irgendwas nicht. Kein Gelächter, keine fröhlichen Stimmen, die einem zu riefen, man solle doch dazu kommen. Nicht einmal eine hitzige Diskussion oder Margeries krächzende Stimme, die sie immer bekam, wenn sie einen zu lange ermahnte, man solle etwas nicht tun, waren zu hören. Da musste wirklich irgendwas nicht stimmen. Als wir bei den anderen standen, schaute ich mich nach Pola um, da ich sie gestern nicht auf dem Stadtfest sah. Wahrscheinlich schläft sie noch, dachte ich und spielte kurz mit dem Gedanken sie einfach wecken zu gehen und ebenfalls her zu holen. Dieser Gedanke geriet jedoch schnell wieder in Vergessenheit als Aneela aus ihrem Zelt kam und mir nun auch bewusst wurde, weshalb alle so missmutig aussahen. Zwar hatte ich selbst nicht allzu viel mit Erasmus zu tun gehabt, aber ein so wichtiges Mitglied unseres Stammes zu verlieren würde wohl für jeden schwer sein... für manche eben noch ein wenig schwieriger als für andere. Nachdem die junge Azalle ins Freie verschwunden war, richtete sich die Aufmerksamkeit auf Kilian, was ihm wohl nicht sehr gefiel. Ich zog einen Mundwinkel leicht nach oben als er sich wieder zu mir gesellte. "Aneela wird schon wieder zurückkommen... Sie braucht vermutlich einfach etwas Zeit für sich," meinte ich und gab ihm einen leichten Stoß gegen die Schulter.
"Irgendwie wird das schon wieder...", meinte ich, wobei ich mir da selbst nicht so sicher war.
Was ich jedoch ziemlich sicher wusste, war, dass ihm der Tod mehr zu Herzen ging, als er es sich anmerken lassen wollte...aber von allen hier sollte ich das wohl am wenigsten verurteilen.
Würde man Gold dafür bekommen, seine Gefühle zu verstecken würde ich vermutlich in einem Palast leben...
Tristan trat auf uns zu, was mich geistig wieder in die unterirdischen Bauten brachte, welche uns als Unterschlupf dienten.
Wortkarg wie so oft bestätigte er Kilians Frage und ich entschied mich gegen weitere Versuche, die Stimmung zu verbessern. Im Schlaf zu sterben war vermutlich das angenehmste aber das machte es für die Verbliebenen auch nicht besser... jedenfalls nicht viel.
Ich verabschiedete mich schnell und machte mich dann auf um nach Pola zu sehen. Kurz vor ihrem Zelt hielt ich noch einmal inne und überlegte kurz, was ich eigentlich sagen wollte und sortierte meine Gedanken bevor ich schließlich eintrat. Besonders leise oder vorsichtig näherte ich mich ihr nicht, da ich sie ja sowieso wecken wollte. Dies trat ich dann auch indem ich ihr die Decke entzog und sie an der Schulter leicht schüttelte. "Nun wach schon auf," gab ich ihr als Antwort auf ein schläfriges Brummen. "Es gibt ... Neuigkeiten," fing ich an und erzählte ihr dann, was passiert war nachdem ich am Fußende ihres Bettes Platz nahm.


zuletzt bearbeitet 04.05.2017 20:28 | nach oben springen

#39

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 01.12.2016 00:27
von Annika • Nesthäkchen | 22 Beiträge



Auch wenn es nur ein leichtes Rütteln war, sie wollte in diesem Moment am besten garnicht angefasst werden. Besonders wenn man so lieblos geweckt wurde, aber was wollte man von einer rothaarigen Freundin schon erwarten? Besonders wenn diese Person auf den Namen Astraea hört... Als sie dann allerdings halbwegs ansprechbar war, hörte sie sich an, was die Jüngere zu sagen hatte. Doch anders als sie erwartet hatte, es war diesmal nicht irgendein Plan um jemanden einen Streich zu spielen oder einfach um die Braunhaarige zu nerven. Nein, jemand war gestorben. Nach einiger Zeit setzte sie sich müde auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. „Tot? Im Schlaf?“, nunja, jetzt war sie wach. Nachdenkend starrte die Ältere eine Weile in das Leere, erhob sich und bekleidete sich erst einmal, durchkämmte ihre Haare ein paar mal und nach einem Blick in den kleinen Spiegel gab sie Astraea ein kleines Nicken als Zeichen dafür, dass sie fertig wäre. Immernoch ohne einen Ton von sich zu geben ging sie aus dem Zelt, geradewegs auf den Platz, wo eben noch Leute versammelt standen. Immernoch ein wenig verschlafen nahm sie Astraea an der Hand und zerrte sie nach draußen, beide verstanden sich ohne Worte.

Es war friedlich, friedlich und leise, einzig den Wind konnte man hören wie er durch die Blätter rauschte. Doch mit einem Mal war da nur noch Astraea, Astraea und der Wald. „Pola? Pola, wo steckst du jetzt schon wieder?“, fragte die Azalle verwirrt. Mit einem Mal ertönte ein Tier nachempfundener Schrei und wurde zu Boden gerissen. Immernoch dezent lachend lag Pola neben der Rothaarigen und betrachtete den Himmel. Ihre rechte Hand benutzte sie als Kissen, die andere lag schlapp neben ihr. Als sie allerdings zu ihrer Freundin blickte und nur ein einfaches, kurzes Lächeln ihrer Nachbarin sah, da verschwand das Lachen beinahe direkt. „Ich weiß, ich weiß. Ich wollte die Stimmung nur ein bisschen aufheitern.“ Mit einem kurzen, aufmunternden Lächeln betrachtete sie erneut den klaren, blauen Himmel. Es war beinahe zu ruhig, um wahr zu sein. Sie wusste nicht warum, aber sie hatte keine Trauer verspürt, als Astraea ihr von den frischen Ereignissen erzählte... Es war eigenartig, denn sie hatte rein garnichts verspürt, obwohl sie den kürzlich Verstorbenen immer als weise und sympathisch empfunden hatte, sie ihn auch schon Jahre kannte, da war nichts. Als sie wieder auf den Beinen stand, reichte sie der anderen eine Hand und half ihr auf. Noch einmal versuchte sie, tief in sich hinein zu gehen, irgendetwas auszugraben, wovon sie nicht wusste, was es war. Nein, sie wusste es wirklich nicht.


zuletzt bearbeitet 04.05.2017 20:27 | nach oben springen

#40

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 06.12.2016 23:13
von Pummel • Eumelchen <3 | 295 Beiträge


Im großen, bösen Wald mit Aneela
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Man wurde vorsichtiger. Das war die simple Erklärung, die Aneela mir mit einem verzerrten Lächeln auf den Lippen gab. Die trübe Stimmung, die ihre Gedanken gerade beherrschen musste, war beinahe greifbar. Ohne es mir wirklich erklären zu können glaubte ich für einen kurzen Moment die Verzweiflung nachempfinden zu können. Die Ungewissheit, die mit all den Umständen einherging. Natürlich suchten die hier lebenden Azallen weiterhin die Stadt auf. Auch, wenn es gefährlich erschien und jeglicher Vernunft widersprach. Für einen Außerstehenden musste sowas wahrscheinlich leichtsinnig erscheinen. Nicht für mich. Denn worin bitte unterschied sich mein jetziges Vorhaben von dem, was diese Leute hier zu erreichen versuchten? Ich war der Letzte, der dazu berechtigt wäre sie zu belehren.
"Aber ja, viele wurden bereits geschnappt, einige konnten wir retten, andere nicht." Die Endgültigkeit dieser Aussage bescherte mir ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Es zeigte nur noch mehr die Ungerechtigkeit, der die hier lebenden Azallen ausgesetzt waren. Weshalb hegte König Echoaid so einen unbändigen Hass ihnen gegenüber? Ich presste die Lippen unzufrieden aufeinander, während Aneela ihre Augen aufs Wasser richtete und weitersprach. Sie erklärte, dass ich relativ gute Chancen hatte die Stadt ungehindert zu betreten, solange ich einige Regeln einhalten würde. Ich verzog kurz das Gesicht, als sie auf alte „Freunde“ von mir zu sprechen kam. Zugegeben. Nach meinem Auftritt zuvor wunderte es mich nicht wirklich, dass sie meine friedfertige Natur anzweifelte. Es würde vermutlich auch nichts bringen sie jetzt vom Gegenteil überzeugen zu wollen. Also begnügte ich mich vorerst damit ihr zuzunicken und mir ihre Erklärungen sorgsam einzuprägen.
"Und natürlich solltest du dich nicht mit jemandem sehen lassen, den sie kennen."
„Ich nehme mal an du gehörst zum Kreis der bekannten Gesichter?“
Es war nur eine Vermutung. Aber irgendwie glaubte ich nicht, dass diese Frau lange unbemerkt bleiben konnte. Wenn sie bereits ihr Leben lang in der Stadt lebte und den politischen Umschwung miterlebt hatte, war es unwahrscheinlich, dass sie lange im Schatten geblieben war. Ich konnte mich natürlich auch irren. Die Zeit würde es wohl zeigen.
"Du musst nicht in die Stadt..." Eigentlich hatte ich nicht mit so viel Hilfsbereitschaft gerechnet. Schließlich war ich ein Fremder, der mit seinem Unwissen eine mögliche Gefahr darstellte. Und trotzdem bot Aneela mir gerade an mich zu ihrem Versteck zu führen. Zu dem Ort, an dem sie und Ihresgleichen Zuflucht suchten und auf bessere Zeiten hofften. Nahrung. Ein Schlafplatz. Medizinische Versorgung, bis ich bereit wäre meine eigenen Ziele weiter zu verfolgen. Sie fragte nicht danach, was ich vorhatte. Die Azalle wollte nur helfen. Ein wenig perplex betrachtete ich sie einige Augenblicke lang unschlüssig. Nicht ganz sicher, was ich erwidern sollte. Irgendwie war ich es nicht mehr gewohnt...
Am Ende blieb mir nichts Anderes übrig, als ihr dankbar zuzulächeln.
„Ich nehme das Angebot dankend an. Ich stehe tief in deiner Schuld Aneela. Merk dir das, falls du jemals Hilfe gebrauchen solltest. Ich bin fähiger, als ich aussehe...“
Immer noch lächelnd spannte ich die erschöpften Muskeln zu einem letzten Kraftakt an und kam wieder auf die Beine.
„Okay... ich bin direkt hinter dir... oder neben dir... was dir eher liegt...“


zuletzt bearbeitet 04.05.2017 20:27 | nach oben springen

#41

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 10.12.2016 00:35
von Neyl • Admin | 37.081 Beiträge



"Aneela wird schon wieder zurückkommen... Sie braucht vermutlich einfach etwas Zeit für sich."
Nachdenklich richtete ich meinen Blick auf die rothaarige Azalle, die mir einen kleinen Klaps gegen die Schulter versetzte, offenbar als Geste der Aufmunterung. Vermutlich verleitete gerade ihre Unbeholfenheit mich zu einem kleinen Schmunzeln, welches sich erst bei ihren darauffolgenden Worten verflüchtigte. "Irgendwie wird das schon wieder..."
"Das wird es doch immer...", erwiderte ich stirnrunzelnd, ehe ich meine Aufmerksamkeit dem Azallen widmete, der meiner Schwester die traurige Nachricht überbracht hatte. Seine Erwiderung auf meine Frage fiel wie erwartet kurz aus und ich nickte nur unbestimmt, ehe ich Astraea hinterherblickte, die sich daraufhin verabschiedete. Einige Momente blickte ich ihr sorgenvoll nach, ehe Tristan abermals an meiner Seite auftauchte und fragte, was nun passieren sollte. Um ehrlich zu sein, hatte ich keine Ahnung, was uns noch alles bevorstand, oder wie wir darauf reagieren sollten und so gesehen, war es auch nicht meine Aufgabe, das zu wissen. Doch so ganz konnte ich mich der Verantwortung wohl auch nicht entziehen, besonders jetzt, wo Aneela entschlossen hatte, sich aus dem Staub zu machen. "Nun sollten wir alles für die Totenfeier vorbereiten und der Rest wird sich zeigen.", erwiderte ich mit ernstem Blick, ehe ich Tristan zunickte und mich auf den Weg zu dem Zelt unseres ehemaligen Ältesten aufmachte. Einige Sekunden verharrte ich unschlüssig vor der Öffnung, ehe ich mir einen Ruck gab und das Innere betrat.





Ein mattes Lächeln zierte Aneelas Gesicht, als Ethan ihr als Gegenleistung seine Dienste anbot. Nicht, weil sie die Geste nicht zu schätzen wusste, sondern weil sie sich davor fürchtete, diese irgendwann in Kauf nehmen zu müssen. Die Gefallen, die sie dieser Tage einforderte, hatten selten einen schönen Beweggrund, weswegen sie im Stillen hoffte, sein Angebot niemals annehmen zu müssen. "Ich habe dich keine Sekunde für unfähig gehalten.", erwiderte sie wahrheitsgetreu auf seine Aussage und schaffte es sogar ein amüsiertes Lächeln an den Tag zu legen, um ihm nicht unnötigerweise noch mehr Last auf die Schultern zu legen. Sollte er länger in Cerandíl verweilen, würde er vermutlich früh genug mit dem Kummer konfrontiert werden, der ihrer beider Volk begleitete.
„Okay... ich bin direkt hinter dir... oder neben dir... was dir eher liegt...“
Die Azalle erhob sich behände und verdrehte lächelnd die Augen, ehe sie ihm mit einer kleinen Handbewegung andeutete, ihr zu folgen. Um einiges wachsamer, als bei ihrem Hinweg, führte die junge Frau ihren neuen Begleiter am Rande des Meriades entlang, darauf bedacht, jede mögliche Gefahr frühzeitig zu erkennen. Obwohl sie sich bemühte, sich Ethans Tempo anzupassen, bemerkte sie schon bald, dass der Weg ihn zusehends ermüdete. Kein Wunder, bedachte man seine Verletzung und das offensichtliche Ausbleiben einiger Mahlzeiten. Deshalb versuchte sie ihn durch ein paar Ammenmärchen, die man sich über den Archadewald erzählte abzulenken und erst als sie die Brücke fast erreicht hatten, berichtete die Azalle Ethan, was sich die Nacht zugetragen hatte. "Er war nicht nur unser Anführer, sondern für viele der Jüngeren, die ihre Eltern verloren haben eine Art Vater." Dass sie zu diesen Personen gehörte, verschwieg sie jedoch, da sie ihrem Volk nun um einiges gefasster entgegentreten wollte. "Wir sind fast da.", sagte sie deshalb ablenkend und wenige Minuten später erreichten sie den versteckten Eingang, der sie zu dem Unterschlupft führte, wo ihre Rückkehr von einigen schon sehnlichst erwartet wurde. Allen voran Kilian, der sichtlich genervt wirkte und sie brauchte nicht lange, um zu erraten, woran das lag. Er hatte sich schon immer gegen die Rolle gewehrt, in die er hineingeboren wurde und berief sich stets darauf, dass seine Blutlinie ihn nicht zu einem Nachfahren der Adelsfamilie machte. Der Meinung waren allerdings offenbar nicht alle.
Doch noch ehe er dazu kam etwas zu sagen, bemerkte er den Fremden an der Seite seiner Schwester und runzelte argwöhnisch die Stirn. "Ich werde mich um alles kümmern. Später.", versicherte sie Kilian brüsk und war für den Moment froh, dass die übrigen Azallen ihr den nötigen Freiraum gaben, den sie noch für einige wenige Minuten auskosten wollte. "Wie du siehst, geht es gerade ein wenig drunter und drüber.", bemerkte sie leise zu Ethan und schob dann den Vorhang zu ihrem eigenen Zelt beiseite. "Du solltest dich ausruhen. Ich habe keine Zeit, mir noch um meinen Gast Sorgen zu machen.", lächelte sie leicht und deutete mit einem Nicken ins Innere des Zeltes. "Fürs erste kannst du hier schlafen und ich werde jemanden vorbeischicken, der dir Wasser und etwas zu Essen bringt.", fuhr sie fort und betrachtete ihren Gegenüber einen Moment nachdenklich. "Heute Abend wird die Totenfeier stattfinden. Wenn es dir bis dahin besser geht, wäre es schön, wenn du uns begleitest." Aneela hatte schon des Öfteren gehört, dass einige Azallenstämme sich verteilt und auseinandergelebt hatten und irgendwie vermutete sie, dass es Ethan ähnlich ergangen war, weswegen sie ihre Aussage durchaus ernst meinte. "Es gibt ein paar Dinge, die ich erledigen muss, aber wenn du etwas brauchst, wende dich an mich, oder meinen verkniffen dreinsehenden Bruder.", scherzte die Azalle und nickte mit dem Kopf ihn Kilians Richtung, der beide misstrauisch beobachtete. Wo steckte Astraea, wenn man sie brauchte?
Mit einem letzten sanften Lächeln, wandte sich Aneela zum Gehen und klärte ihren Bruder über ihren Begleiter auf, ehe sie ihrerseits Informationen von ihm verlangte. Darum bemüht möglichst gefasst auszusehen, lauschte sie der Erzählung ihres Bruders, was sich in ihrer kurzen Abwesenheit zugetragen hatte, ehe sie sich zuerst den anderen Neuankömmlingen widmete. Mirah und Jaelyn, die sie ebenso wie Ethan zur abendlichen Totenfeier einlud, ehe sie Margerie aufsuchte und den Moment hinauszögerte, an dem sie abermals in das Gewand schlüpfen musste, welches so viele schmerzhafte Erinnerungen barg.

...

Schweigend führte Aneela die kleine Gruppe an, die sich als Letztes auf den Weg gemacht hatte, um Erasmus Übergang in eine andere Welt zu begleiten. Da es zu gefährlich wäre, mit einer solchen Vielzahl von Menschen gesammelt zum See zu marschieren, hatten sich die Azallen angewöhnt, solche Strecken in kleinen Gruppierungen hinter sich zu legen. Wenn sich die Azalle recht erinnerte, war es einst Erasmus selbst gewesen, der diese Sicherheitsvorkehrung eingeführt hatte.
Schweigend blickte die junge Frau hinauf zum sternenklaren Himmel, ehe sie einen kurzen Blick über ihre Schulter warf, um ihre Begleiter zu betrachten. Ethan, bei dem eine ordentliche Mahlzeit und ein paar Stunden Schlaf wahre Wunder bewirkt zu haben schienen. Mirah und Martius, das ungleiche Geschwisterpaar. Jaelyn und Tristan, die zusammen mit Margerie, unserer Ältesten und ihrem Sohn Seth die Nachhut bildeten. Gedankenverloren drehte die Dunkelhaarige einen Pfeil zwischen ihren Fingern, während das Mondlicht die Szenerie, die sich bald vor ihnen auftat in ein weißes, strahlendes Licht tauchte. Fackeln erhellten die Lichtung zusätzlich und augenblicklich fiel ihr Blick auf den in weiße Leinen eingehüllten Leichnam, der auf einem kleinen Floß am Ufer des Sees ruhte. Weiße Lilien und blaue Kornblumen verzierten traditionell den leblosen Körper und auch die Gewänder der Azallen waren in jenen Farben gehalten. Ihr Blick kreuzte den ihres Bruders, der gemeinsam mit Astraea und Pola ein wenig abseits stand. Doch die junge Azalle suchte in der Menschenmenge nach zwei anderen Gesichtern und als sie den Jäger und seine Cousine erblickte, huschte ihr ein kleines Lächeln über die Lippen. Während Margerie an den See trat, um die letzten Vorbereitungen zu treffen, drehte Aneela sich zu Ethan, umschloss sein Handgelenk und führte ihn zu den beiden Personen, die ein wenig unentschlossen zwischen den übrigen Azallen verweilten. "Komm."
Normalerweise war es nicht üblich, dass Leute nicht azallischen Blutes diesem Ritual beiwohnten. Doch auch, wenn Enngelin sich dessen nicht bewusst war, wusste Aneela genau, dass sie eine Azalle war, weswegen ihre Anwesenheit durchaus ihre Berechtigung hatte. Und Gabriel...nun, bei ihm hatte sie sich den Umstand zunutze gemacht, dass man ihrem Wunsch nicht widersprechen würde. Und wenn man bedachte, was er schon alles für die Azallen, insbesondere für sie, riskiert hatte, war dies nur eine kleine Geste, ihm ihre Dankbarkeit ersichtlich zu machen. "Schön, dass ihr gekommen seid.", begrüßte Aneela die zwei und lächelte Gabriel kurz zu, ehe sie sich an die Heilerin wandte. "Ich hatte in der Früh einen kleinen Einsatz, der eher in dein Aufgabengebiet fällt und wenn es dir nichts ausmachen würde, könntest du dir vielleicht ansehen, ob meine ´Praktiken´ ausreichend waren?", bat sie die junge Frau mit einem entschuldigenden Lächeln. Die Azalle hoffte nur, dass Enngelin nicht glaubte, dass sie Gabriel deshalb darum gebeten hatte, sie mitzubringen. "Ach ja...", entfuhr es Aneela, als ihr klar wurde, dass sie ein wenig übereifrig reagiert hatte. "Ethan, das sind übrigens Gabriel und Enngelin. Sie ist die junge Frau, von der ich gesprochen habe.", erklärte sie ihm, ehe sie ihre Augen wieder von ihm löste und auf Gabriel richtete. "Tut mir Leid, dass ich vorhin so abrupt aufgebrochen bin, ich...", fing die Azalle leise an sich zu erklären, brach dann aber unsicher ab und blickte ablenkend zum See hinüber. "Aber ich bin froh, dass ihr hier seid."


Liebe ist nur eine weitere Methode anderen Leid zuzufügen <3

zuletzt bearbeitet 04.05.2017 20:27 | nach oben springen

#42

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 11.12.2016 12:22
von Arrabella • Team Zyr | 78 Beiträge



Die Azallen waren wahrhaftig ein großes Volk. Viele Menschen hatten sich heute hier am See versammelt um den Tod ihres Ältesten zu betrauern. Manche Azallen sprachen über die guten Taten die dieser „Erasmus“ für das Volk vollbracht hatte, andere schwiegen nur und gaben sich ihrer Trauer ganz und gar hin.
Noch nie hatte ich einem Fest der Azallen beigewohnt, heute war das erste Mal. Normalerweise war es Außenstehenden nicht erlaubt, die Traditionen der Azallen hautnah miterleben zu dürfen, umso überraschter war ich, als Aneela mich eingeladen hatte. Zwar hatte sie nicht direkt erwähnt, was eigentlich der Grund für die „Feier“ war, aber jetzt verstand ich.
Ich wurde mir auch bewusst, wieso die Azallen so viel Wert auf ihre Rituale legten. Es war bewundernswert und erstaunlich, was die Azallen hier bewerkstelligt hatten. Der Anlass dagegen war weniger erfreulich, hatten doch die Menschen hier einen treuen Freund und weisen Ältesten verloren. So viel hatten Enngelin, meine Cousine, und ich bisher von den Menschen hier erfahren.
Die Trauer und Betroffenheit war vielen ins Gesicht geschrieben. Obwohl ich den Verstorbenen nicht persönlich kannte, wurde ich doch ein klein wenig von der traurigen Stimmung mitgerissen und unweigerlich fühlte ich mich so, als hätte auch ich einen meiner engsten Freunde verloren.
Als Aneela kam, lächelte ich ihr aufmunternd zu, ich verstand nun ihr Verhalten von vorhin. Niemand kann den Tod eines geliebten Menschen verhindern, zumindest nicht ewig. Irgendwann war für jeden die Zeit gekommen und meist war der Abschied für die Hinterbliebenen schmerzhaft und grausam. Aneelas Blick hatte etwas Abweisendes und sie schien in ihren Gedanken vertieft zu sein. Sie richtete ihren Blick in den Himmel und ich fragte mich, was die Azallen eigentlich für einen Glauben vertraten. Erasmus, der Verstorbene. Lebte er für die Menschen hier im Himmel weiter oder starb seine Seele mit dem Körper?
„Schön, dass ihr gekommen seid.“, begrüßte Aneela mich und meine Cousine als sie vor uns stand. „Es freut uns, dass du uns eingeladen hast.“, erwiderte Enngelin höflich und neigte leicht den Kopf. „Ihr alle habt unser tiefstes Mitgefühl.“, fügte sie dann noch hinzu und ich nickte zustimmend. Ich war froh, dass sie dabei war und ich nicht allein hier stand. Gefühle auszudrücken, zählte eindeutig nicht zu meinen Stärken und vermutlich hätte ich, taktlos wie ich war, sowieso nie die richtigen Worte gefunden. Im Gegenteil zu mir war Enngelin einfühlsam und konnte sich gut in die Lage anderer Menschen hineinversetzen, ab und zu bewunderte ich sie für ihre Empathie. Was ich natürlich nie zugeben würde.
„Ich hatte in der Früh einen kleinen Einsatz, der eher in dein Aufgabengebiet fällt und wenn es dir nichts ausmachen würde, könntest du dir vielleicht ansehen, ob meine ‚Praktiken‘ ausreichend waren?“, fragte die Azalle Enngelin, ehe sie den jungen Mann an ihrer Seite vorstellte. Ethan. Irgendwie mochte ich ihn nicht. Er hatte etwas an sich, dass mächtig nach Ärger rief. Mit meiner Vermutung lag ich wahrscheinlich auch ganz gut, immerhin war er auf Aneelas „Praktiken“ angewiesen. Was auch immer das zu bedeuten hatte.
„Tut mir Leid, dass ich vorhin so abrupt aufgebrochen bin, ich…“, meinte Aneela, jedoch sprach sie den Satz nicht zu Ende. „Aber ich bin froh, dass ihr hier seid.“, sagte sie dann.
„Kein Grund dich zu entschuldigen…Danke nochmals für die Einladung.“, sagte ich dann und dachte an unser Treffen im Wald zurück.

„Hast du Sehnsucht nach mir gehabt?“, fragte mich die Azalle, als ich ihr im Wald begegnete. „Was machst du hier?“, fügte sie dann mit ernsterer Miene hinzu. Irgendetwas war anders, ich spürte, dass Aneela nicht glücklich war.
„Ich wollte allein sein und die Stille des Waldes genießen. Aber das Schicksal meinte wohl, dass ich dringend Gesellschaft brauche.“, erwiderte ich grinsend und lehnte mich mit meiner Schulter an einen Baumstamm. Aneela lächelte milde, machte auf mich aber einen ziemlich traurigen Eindruck. Ich fühlte mich in meiner Vermutung bestätigt, wusste aber nicht wie ich auf ihre momentane Stimmung reagieren sollte. Ich beschloss, sie direkt darauf anzusprechen, etwas anderes war einfach nicht meine Art.
„Was ist los?“, fragte ich und musterte sie mit sorgvollem Blick. Normalerweise war Aneela lebenslustig und fröhlich, ich konnte mich nicht erinnern, sie jemals traurig gesehen zu haben.
„Kennst du das Gefühl etwas vermeiden zu wollen und nicht zu können?“, antwortete sie mir mit einer Gegenfrage und ich nickte. Viel zu oft hatte ich so etwas schon erlebt. Ich hatte meine Familie nie richtig beschützen können, den Tod und die Angst nie von ihnen fernhalten können. Auch meine Freunde litten unter dem König, doch ich hatte nicht die Macht das Leid von ihnen zu nehmen. Und das machte mich unglaublich wütend.
„Was genau bedrückt dich?“, hackte ich weiter nach, da ich wissen wollte, was genau Aneela damit meinte. Es gab viele Wege ihre Aussage zu deuten und ich verstand nicht ganz, was sie mir damit sagen wollte.
Aneela schien kurz zu überlegen, erhob sich dann und sagte: „Komm heute Abend zum See. Dann wirst du verstehen.“ Ohne noch mehr zu sagen, drehte sie sich um und ging. Als sie fast schon im Wald verschwunden war, blieb sie plötzlich doch noch einmal stehen, drehte den Kopf zu mir und meinte: „Und bring Enngelin mit.“, ehe sie ihren Weg fortsetzte.






Nach all den Unruhen und Aufregungen heute, wollte ich eigentlich nur mehr ins Bett. Umso überraschter war ich, als Gabriel plötzlich vor meiner Tür stand und meinte, dass wir zum See müssen. Ein wenig verwundert fragte ich ihn, wie er denn auf die Idee kam, jetzt zum See zu gehen. Mein Cousin sagte nicht viel, er meinte bloß, dass Aneela ihn und mich mehr oder weniger eingeladen hatte, zum See zu kommen. Was der Anlass war, konnte mein Verwandter mir selbst nicht erklären.

Als Gabriel und ich zum vereinbarten Ort kamen, waren viele Azallen anwesend, nur die mir bekannten fehlten fast alle noch. Manche Azallen betrachteten uns mit argwöhnischen Blicken, anderen schien unsere Anwesenheit nicht zu stören.
„Entschuldigt bitte, aber was für ein Anlass ist das heute?“, fragte ich eine etwas ältere Dame ahnungslos und sie lächelte mich sanft an. „Eine Totenfeier. Erasmus, unserem Verstorbenen, wird heute die letzte Ehre erwiesen.“, klärte mich die alte Frau auf und ich nickte leicht. „Ihr habt mein Mitgefühl.“, sagte ich und die Frau nickte, ehe sie sich der Person neben sich zuwandte und über Erasmus sprach.
Ich warf Gabriel einen traurigen Blick zu, ich hatte nicht gewusst, dass es sich hierbei um einen Totenfeier handelte. Auch mein Cousin schien überrascht und betroffen zu sein, jedoch blitzte auch Erkenntnis in seinen Augen auf, die ich jedoch nicht deuten konnte. Ich frage mich, wieso Aneela uns eingeladen hatte. Gabriel und ich waren keine Azallen, deshalb verwunderte es mich, dass die junge Azalle uns zu dem Fest eingeladen hatte. Ich wusste nicht viel über die Kultur der Azallen, jedoch war es allgemein bekannt, dass das Volk lieber unter sich blieb und nur selten irgendwelche Fremden in ihr Leben miteinbezogen. Ich interessierte mich für das Leben der Azallen, ihre freiheitsliebende Art und ihr Zusammenhalt waren für mich faszinieren und ich wollte mehr über das Volk und ihre Traditionen erfahren. Deshalb konnte ich kaum erwarten, den Ablauf des Festes mitzuerleben, obwohl der Anlass selbst weniger erfreulich war.

Nach und nach füllte sich der Platz und als Aneela mit den letzten Azallen ankam, hatte auch die letzte Gruppe ihr Ziel erreicht. Die alte Frau neben mir hatte mich über das Fest aufgeklärt. Die Azallen teilten sich in verschiedene Gruppen auf um zum See zu kommen. Das war weniger riskant, denn zur Zeit patrouillierten viele Soldaten im Wald und eine große Menschenmasse hätte da nur Aufsehen erregt. Ich richtete meinen Blick auf die Lichtung, die durch das Licht vieler Fackeln hell aufleuchtete. Am Ufer des Sees lag der Leichnam Erasmus, eingehüllt in weißen Leinen. Manche Menschen hier sprachen über den Ältesten, die Azallen hatten seine Ratschläge und Ideen immer sehr geschätzt. Erasmus hatte auch eine bedeutende Rolle im Widerstand gegen den König gespielt, viele Menschen hier bewunderten ihn für seine Taten. Ich bedauerte, dass ich Erasmus nicht persönlich gekannt hatte, nur zu gerne hätte ich mit einem Ältesten der Azallen gesprochen und etwas von ihm gelernt.
Als Aneela auf Gabriel und mich zukam, begrüßte sie uns freundlich. „Es freut uns, dass du uns eingeladen hast.“, erwiderte ich und höflich neigte ich meinen Kopf.
„Ihr alle habt unser tiefsten Mitgefühl.“, fügte ich dann noch hinzu und Gabriel nickte zustimmend. Ich wusste, wie schwer es war, einen geliebten Menschen zu verlieren, viel zu oft hatte ich die Trauer schon selbst am eigenen Leib erfahren dürfen. Ich hatte meine Familie verloren und selbst als Heilerin war ich nicht in der Lage Menschen vor ihrem Tod zu bewahren.
„Ich hatte in der Früh einen kleinen Einsatz, der eher in dein Aufgabengebiet fällt und wenn es dir nichts ausmachen würde, könntest du dir vielleicht ansehen, ob meine ‚Praktiken‘ ausreichend waren?“, bat Aneela mich mit einem entschuldigendem Lächeln. Ich erwiderte ihr Lächeln und hörte Aneela aufmerksam zu, als sie uns den Verletzen vorstellte.
„Ethan, das sind übrigens Gabriel und Enngelin. Sie ist die junge Frau, von der ich gesprochen habe.“ „Freut uns Euch kennenzulernen“, begrüßte ich ihn. Gabriel schien zwar nicht gerade begeistert über den Neuankömmling zu sein, aber Höflichkeit war noch nie seine Stärke gewesen. Außerdem war Gabriel fremden Menschen nie wohlgesonnen, also durfte man ihm sein Verhalten nicht böse nehmen. Während Aneela sich an Gabriel wandte, fragte ich Ethan: „Ich denke, hier ist nicht der richtige Ort um Eure Verletzungen genauer anzusehen. Wäre es möglich, sich hier irgendwo weiter abseits niederzulassen?“
Ich ließ meinen Blick durch die Menge schweifen. „Oder ist es unhöflich, sich jetzt vom Fest für einen kurzen Moment zurückzuziehen?“, fragte ich unsicher.


zuletzt bearbeitet 04.05.2017 20:26 | nach oben springen

#43

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 11.12.2016 23:16
von Arashi • Grünschnabel | 10 Beiträge

Jaelyn


Nach meiner kleinen Unterhaltung mit der älteren Dame, sah ich mich wieder um. Eigentlich wollte ich ja gehen, doch da viel mir Aneela ins Auge. Bevor ich ging, wollte ich mich noch bei ihr bedanken, wenn die Umstände auch etwas unpassend waren. Sie kam mir entgegen und als sie vor mir stand, teilte ich ihr vorerst mein Beileid mit. "Es tut mir Leid wegen Erasmus und euren Verlust." Man konnte ihr deutlich ansehen, dass es sie mitnahm. Sie nahm meine Kondulenz an und lud mich im Gegenzug zur Totenwache ein, bei der der alte Mann dem Wasser übergeben werden sollte. Im ersten Moment wusste ich nicht was ich darauf sagen sollte. Jedoch kam es mir mehr als unhöflich vor ihre Einladung auszuschlagen, zu mal auch die ältere Frau mir ein "Sie kommen doch auch mit?" an den Kopf warf. "Sicher.", gab ich daher für beide mit einem warmherzigen Lächeln von mir.
Bis zum eigentlichen Event dauerte es noch einige Stunden, aber dennoch blieb ich im Unterschlupf. Jetzt in die Stadt zu gehen und wieder zurück würde nicht viel bringen, eher noch ein Risiko bergen, dass jemand auf einen aufmerksam wurde und im schlimmsten Fall auch noch folgte.

Die Sonne versank langsam in einem blutrot hinterm Horizont und wich der Nacht. In dessen Schutz brachen die Azellen auf ihrem ehemaligen Ältesten die letzte Ehre zu erweisen. Dabei bewegten sich die Leute in kleinen Gruppen fort um nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Was mich anging, so lief ich ganz hinten mit der Witwe und ihrem Sohn, ebenso wie mit dem jungen Mann, welcher vorhin mit Killian gesprochen hatte. "Mein Beileid zu Ihren Verlust.", verbeugte ich mich leicht vor den drei Personen, um auch ihnen meine Aufwartung zu machen. Die alte Frau nickte nur und versuchte dabei ein Schluchzen zu unterdrücken. Ich mochte mir gar nicht vorstellen wie sie sich gerade fühlte. Es musste furchtbar sein einen geliebten Menschen zu verlieren. Langsam liefen wir durchs Dickicht des Waldes, wobei es trotz Fackeln gar nicht mal so einfach war, was zu sehen. Da konnte man nur von Glück sprechen, dass ich mich hier sehr gut auskannte. Für die ältere Dame war es jedoch mühseliger. "Wartet. Ich helf Ihnen.", meinte ich und reichte ihr meinen Arm, an welchen sie sich festhalten konnte. "Danke.", erklang ihre Stimme heiser, worauf ich nur freundlich lächelte. Und so liefen wir untergehakt weiter, wobei ich meinen Blick immer mal wieder streifen lief. Dabei landete dieser immer mal wieder auf den braunhaarigen jungen Herrn, welcher mit Killian vorhin gesprochen hatte. Nur warum konnte ich nicht sagen.
Auf der Lichtung angekommen tummelten sich schon so einige Leute, doch wie auch schon zuvor kannte ich die wenigsten davon. Daher suchte mein Blick automatisch nach vertrauten Gesichtern. Als ich Aneela entdeckte, bewegte diese sich gerade mit jemanden auf eine kleine Gruppe aus zweien zu. Etwas von Neugier getrieben neigte ich meinen Kopf und erkannte zu meiner Überraschung, dass ich das Mädchen des Paares zuvor schon mal gesehen hatte und zwar ebenfalls hier im Wald, als ich auf Raik gestoßen war. Kurz überlegte ich zu ihnen zu gehen, doch so wie es aussah führten sie eine etwas ernste Unterhaltung, als nur das übliche Austauschen von Emphatie. Also blieb ich bei der Witwe und den beiden Herren. Der Verstorbene war derweil auf ein Floß gelegt worden; in weiße Laken gehüllt und mit Blumen bestückt. Der See lag derweil ruhig da und schwarz wie die Nacht selbst. Irgendwie traurig. Nun sicher war es ein trauriger Anlass, aber ihn so ins Dunkel zu übergeben.... Ich spürte ein leichtes Stechen in der Brust und kam in Folge dessen zu einem Entschluss. "Entschuldigt mich kurz." Ich lief zielstrebig auf eine der Fakeln zu und nahm sie kurzer Hand an mich. Dann lief ich wieder zurück und drückte sie dem braunhaarigen jungen Mann in die Hand mit den Worten: "Halte das mal bitte." Anschließend nahm ich beide Hände hoch, atmete einmal durch und machte eine schöpfende Bewegung, so als ob ich den Schein des Feuers einfangen wollte. Mit nun geschlossenen Händen wandte ich mich an die Witwe, welche mit ihrem Sohn noch einige Blumen niederlegen wollte. Als ich mich vor sie stellte mit einem "Darf ich?" sah sie mich etwas irritiert an, ließ mich aber gewähren. Langsam öffnete ich meine Hand über eine der Blüten wieder und Licht kam zum Vorschein welches ich ins Zentrum der Blüte setzte und diese ganz ohne Feuer zum leuchten brachte. Ich nahm die Blüte und lief zum Ufer wo ich sie behutsam ins Wasser ließ. Als ich mich umdrehte um den Vorgang zu wiederholen, bemerkte ich den Blick der Witwe. Vielleicht sollte ich mein Tun erklären. "Verzeihung. Ich dachte nur.....Als ich noch mit meiner Gauklerfamilie unterwegs war, hatte mir mal jemand erzählt, dass Glühwürmchen eigentlich kleine Geisterlichter sind, die die Seelen Verstorbener sicher auf die andere Seite führen. Natürlich war dies nur eine Geschichte, aber..." Ich schöpfte wieder etwas Licht von der Fackel ab und trug sie zur alten Dame. "Ich dachte nach allem was er Ihnen und den anderen bedeutet hat, sollte er auch ein Licht erhalten, dass ihn sicher durch die Dunkelheit geleitet." Ich nahm die nächste leuchtende Blüte, als die Frau kurz meine Hand ergriff. Ihrer Augen waren mit Tränen gefüllt, doch war in ihnen auch deutlich ihr Dank zu sehen. Ich lächelte nur sanft und ging zum Ufer um ein weiteres Licht zu Wasser zu lassen. Nach und nach wich das Schwarz ums Floss herum und ich spürte wie auch mein Herz leichter wurde.


zuletzt bearbeitet 06.01.2017 23:01 | nach oben springen

#44

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 14.12.2016 19:36
von Pummel • Eumelchen <3 | 295 Beiträge


Am See, nimmt sich mit Enngelin eine kleine Auszeit
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Sie hatte mich also keine Sekunde lang für unfähig gehalten? Das unerwartete Kompliment entlockte mir tatsächlich ein leises Lachen. Amüsiert folgte ich der Dunkelhaarigen, die mir den Weg zu einem sicheren Ort wies, an dem ich wieder zu Kräften würde kommen können. Was ich wohl ohne ihre Hilfe getan hätte? Die Möglichkeiten, die mir in den Sinn kamen, waren allesamt weniger angenehm. Eigentlich mochte ich es nicht in der Schuld anderer zu stehen. Die Azalle vor mir hatte bereits mehr als genug getan. Und trotzdem hatte ich es nicht fertig bringen können ihren Vorschlag abzuschlagen. Ob es wohl an den Umständen lag, unter denen wir uns begegnet waren? Mit ihrem Auftritt vorhin hatte sie zumindest mein Interesse geweckt. Und das obwohl ich keine tiefe Verbindung zu meinem eigenen Volk verspürte. Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt mit den hier lebenden Azallen unnötig in Kontakt zu geraten. Doch jetzt hatten sich meine eigenen Prioritäten geringfügig verschoben. Ich wollte mit eigenen Augen sehen, ob mich hier noch mehr Überraschungen erwarteten.
Mit den verstreichenden Minuten spürte ich mehr und mehr die Müdigkeit in meinen steifen Gliedern, die es mir erschwerte mit Aneelas Tempo mitzuhalten. Und das, obwohl sie ihre Laufgeschwindigkeit bereits gedrosselt hatte. Die Dunkelhaarige lenkte mich mit einigen Geschichten ab. Manche davon kannte ich, andere waren mir noch völlig fremd. Wir näherten uns gerade einer Brücke, als sie mir davon erzählte, was sich vergangene Nacht zugetragen hatte. Einer ihrer Ältesten war im Schlaf von ihnen gegangen. "Er war nicht nur unser Anführer, sondern für viele der Jüngeren, die ihre Eltern verloren haben eine Art Vater." Die Worte meiner Begleiterin stimmten mich ein wenig nachdenklich. Ich kam jedoch nicht mehr dazu mich zum Thema zu äußern, da wir kurz darauf den versteckten Eingang zum unterirdischen Gewölbe erreichten. Hier lebten also die meisten Azallen aus Cerandíl? Es war eindeutig größer, als ich mir vorgestellt hatte. Wie viele hier wohl lebten? Bereits von weitem fiel mir der junge Mann auf, der uns nicht unbedingt freundliche Blicke zuwarf. Oder eher nur mir? Aneela wimmelte ihn zumindest mit einem knappen Versprechen ab und führte mich zu einem der Zelte. Neugierig lugte ich ins Innere der Behausung, sobald sie den Vorhang beiseiteschob und mir riet mich auszuruhen. Sie hatte schließlich keine Zeit, um sich um ihren Gast Sorgen zu machen. „Ach, um mich muss man sich keine Sorgen machen. Ich lasse mich nicht so leicht kleinkriegen.“ Ich nickte, als sie versprach jemanden vorbeizuschicken, der mir etwas zu Essen vorbeibringen würde. Nach einer kurzen Pause erwähnte sie noch eine Totenfeier für den verstorbenen Azallen, die am heutigen Abend an einem See stattfinden sollte. Ihre Einladung zur Teilnahme nahm ich mit einem leichten Stirnrunzeln zur Kenntnis. Ich war mir nicht ganz sicher, wieso meine Anwesenheit bei so einer Zeremonie erwünscht wäre. Schließlich war ich doch ein Fremder, der diesen Erasmus nicht einmal gekannt hatte. Doch etwas in Aneelas Blick verriet mir, dass es am Ende nicht darum ging. Also nickte ich erneut.
„Ich werde dabei sein. Ist vermutlich das Mindeste, was ich tun kann…“ – erwiderte ich mit einem schiefen Lächeln. Damit trennten sich vorerst unsere Wege. Nun. Zuvor erfuhr ich noch, dass es sich bei dem grimmig dreinschauenden Mann von zuvor um Aneelas Bruder handelte. Ein höchst lebensfroher Geselle, wie es schien. Vielleicht lagen die Nerven der hier Lebenden zurzeit aber auch einfach nur blank. In einigen Tagen würde ich es wahrscheinlich besser verstehen. Falls ich dann noch hier sein sollte.
Aneela hielt ihr Versprechen. Wenige Minuten später wurde mir etwas zu Essen und Trinken von einem der Anwohner gebracht. Ehe ich mich versah, hatte ich die Portion bereits verschlungen. Danach folgte ich dem Rat meiner Retterin und gönnte meinem Körper etwas Ruhe. Ich fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Umso abrupter war daher das Erwachen, als eine junge Azalle vorsichtig an meiner Schulter rüttelte und mir schüchtern erklärte, dass die letzten Gruppen sich gleich zum See aufmachen würden. Ich brauchte einige Augenblicke, bis ihre Worte für mich Sinn ergaben, doch schließlich bedankte ich mich bei ihr und folgte ihr aus dem Zelt.
Wie es der Zufall so wollte, wurde ich der letzten Gruppe zugeteilt, die von Aneela angeführt wurde. Nun, vermutlich lag es einfach daran, dass ich so lange gebraucht hatte, um wieder zu mir zu kommen. Gemeinsam traten wir aus dem Versteck und richteten unsere Schritte zum See. Nun, eigentlich folgte ich einfach den Azallen vor mir, ohne genau zu wissen, wo es eigentlich hinging. Die Stimmung um mich herum war bedrückt. Jeder der Anwesenden schien in seine eigenen Gedanken vertieft zu sein. Der Tod eines Stammesmitgliedes, eines Anführers, war wohl niemals leicht. Vor allem in einer Stadt, wie Cerandíl, in der die unterdrückten Azallen es auch so schon schwer hatten ihren Alltag zu bestreiten. Wer die Herde wohl jetzt weiter führen würde? Vielleicht würde der Wechsel ja etwas Positives Hervorbringen. Und wieso machte ich mir deshalb schon wieder so viele Gedanken? Es war nicht so, dass die Geschehnisse innerhalb dieser Gruppe einen Einfluss auf mich selbst haben würden.
Das erste, was mir auffiel, sobald wir uns unserem Ziel näherten, waren all die Azallen, die sich die Zeit genommen hatten, um dem Alten die letzte Ehre zu erweisen. Der See war in das helle Mondlicht getaucht. Er spiegelte sich fast makellos im Wasser wieder. Am Ufer selbst entdeckte ich ein kleines Floß, auf dem der Leichnam in Laken gewickelt gebettet worden war. Zusätzliches Licht spendeten Fackeln. Ich löste meinen Blick abrupt von der Szenerie, als jemand nach meinem Handgelenk griff. Aneelas leises „komm“ hinderte mich daran weitere Fragen zu stellen. Ich ließ mich von ihr zu einem Paar führen, welches inmitten so vieler anderer Leute irgendwie verloren wirkte. Oder kam es mir nur so vor? Die Dunkelhaarige begrüßte die beiden und machte mir auch gleich deutlich, wieso meine Anwesenheit gerade von Nöten war.
"Ich hatte in der Früh einen kleinen Einsatz, der eher in dein Aufgabengebiet fällt und wenn es dir nichts ausmachen würde, könntest du dir vielleicht ansehen, ob meine ´Praktiken´ ausreichend waren?" Meine Augen fielen auf den Braunhaarigen, der als Gabriel vorgestellt wude. Kam es mir eigentlich nur so vor, oder wirkten alle männlichen Wesen in Aneelas Umfeld irgendwie verkniffen und reserviert? Nach einem kurzen Nicken in seine Richtung konzentrierte ich mich auf seine deutlich entspannter wirkende Begleitung. Enngelin. Sie war also diejenige, von der Aneela gesprochen hatte?
„Freut uns Euch kennenzulernen“ Ich winkte ihre Worte mit einem schiefen Lächeln ab.
„Ach… nenn mich einfach Ethan. Übertriebene Höflichkeit ist nicht von Nöten…“
Während Aneela sich dem knapp angebundenen Gabriel widmete, wollte Enngelin gleich tatkräftig zur Arbeit übergehen. Sprich sich mein geschundenes Schulterblatt ansehen. Sie fragte, ob wir uns irgendwo abseits niederlassen konnten. Verwundert hob ich meine Augenbrauen angesichts der kompromisslosen Hilfsbereitschaft. Daran würde ich mich erst einmal gewöhnen müssen.
„Oder ist es unhöflich, sich jetzt vom Fest für einen kurzen Moment zurückzuziehen?“ Eine berechtigte Frage, die ich selbst kaum beantworten konnte. „Eh… also…“ Fragend warf ich einen kurzen Blick zu Aneela. Nachdem sich die Dunkelhaarige vergewissert hatte, dass noch genug Zeit blieb, gab sie uns ihr okay.
„Alles klar, ich werde Enngelin hier nicht länger, als nötig, beanspruchen.“ – versprach ich mit einem schiefen Grinsen, bevor ich meine Augen auf die junge Dame richtete, die sich meiner annehmen wollte. Gemeinsam entfernten wir uns vom größten Gedränge, um uns ungestört meinen Wehwehchen widmen zu können. Es dauerte nicht lange, bis meine neue Wegbegleitung eine geeignete Stelle entdeckt hatte. Ächzend drückte ich das Ende der brennenden Fackel, die ich unterwegs „geliehen“ hatte, in den fruchtbaren Boden und ließ mich dann auf mein Hinterteil nieder.
„Nagut… dann vermutlich einfach loslegen?“ Ich schenkte meiner neune Krankenschwester ein kurzes Lächeln, ehe ich mühsam begann mich aus dem lästigen Oberteil zu schälen. „“Es ist eine Stichverletzung von hinten. Die rechte Schulter. Ist auch nicht mehr so lästig, wie vor ein paar Stunden.“ Es war heute schon das zweite Mal, dass ich mich vor einem weiblichen Wesen entblößte. Für die Zukunft nahm ich mir vor mich ab jetzt nicht mehr hinterrücks von wild gewordenen Soldaten angreifen zu lassen. Auch wenn ich nicht behaupten konnte, dass es sich unbedingt schlecht anfühlte von jungen Damen betütelt und versorgt zu werden.
„Du bist also Ärztin?“


zuletzt bearbeitet 04.05.2017 20:25 | nach oben springen

#45

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 14.12.2016 23:57
von Fionien • Giftzwerg | 63 Beiträge



Er nahm mir die Frucht ab und ich blieb neben ihm stehen, bis er fertig gegessen hatte. Dann sah ich ihn an.
„Wünscht Ihr noch etwas zu tun?“, fragte ich steif. Es würde Ärger geben, wenn der Prinz nicht bald nach Hause ins Schloss fand, und dieser würde sich an mich richten, deshalb wollte ich ihn so schnell wie möglich im Schloss absetzen. Abgesehen davon, dass es eigentlich nicht zu meinen Aufgaben zählte, auf den Prinzen aufzupassen.
Auch wenn ich mich nicht beklagen sollte. Immerhin war auch Zivildienst dieser Ausmaße nicht meine Aufgabe, aber würde es nur nach Corboz gehen, wäre Zivildienst mein Leben. Beziehungsweise säße ich vor meinem Stickkissen zuhause im Schloss.
„Ich hätte gerne noch so eine Frucht“, sagte er lächelnd und kramte in seinen Taschen. Bevor er jedoch mir sein Geld in die Hand drücken konnte, machte ich mich lieber wieder allein auf den Weg zum Stand.
Der Prinz war seltsam. Es fühlte sich unbequem an, so vertraut mit ihm zu sprechen und ich wünschte, er würde einen forscheren Ton an den Tag legen und etwas mehr daran denken, was sich gehörte. Allerdings war ich niemand, der dazu berechtigt war, dem Prinzen des Landes Vorschriften zu machen. Leider.
Als ich zurückkam, stand der Prinz nicht mehr dort. Er war weg. Kurz schloss ich die Augen. Dieses Fest lief ganz und gar nicht nach meinen Vorstellungen. Während ich mich eilig durch die Menge drängelte, auf der Suche nach dem Prinzen, dachte ich daran, welche Probleme auf mich zukamen, sollte ich den Prinzen nicht wiederfinden und wohlbehalten zurück aufs Schloss bringen. Finster dachte ich daran, was Corboz sagen würde und versuchte, schneller durch die dicke Massen an Menschen zu kommen. Ihm die Gelegenheit zu geben, mich weiter zu erniedrigen – und das sogar beinahe begründet – lag nun wirklich außerhalb meiner Prioritäten.
Ich erhaschte den Haarschopf Balains und schlängelte mich zwischen den Menschen hindurch – ein weiterer Grund, Feste solcher Ausmaßen zu hassen.
Wo war er hin? Ich sah ihn nicht mehr. Einen Moment lang stand ich reglos, bis ich angerempelt wurde und ein Wiehern hörte.
Ein Gasthaus. Balain war eventuell mit einem Pferd gekommen, hatte er es hier untergebracht?
Durch die Gasse hinter das schäbige Wirtshaus. Aber ich war zu spät. Ich sah nur noch, wie der Prinz auf und davon Richtung Wald ritt.

Mein Pferd stand nun gemütlich im Stall. Ansonsten wäre ich ihm gefolgt. Ich ließ mich gegen die Steinmauer sinken. Diesen Mist durfte ich jetzt Corboz erklären.
Was das nur für ein freudiger Tag werden würde. Ich machte mich auf den Weg zum Schloss.
Inzwischen spürte ich die Müdigkeit, die langsam wuchs, und wünschte mir einfach nur noch zu schlafen. Aber das musste warten. Wie so häufig.


Wuhu, ich habe ein eigene Signatur^^ *stolz* xD

zuletzt bearbeitet 04.05.2017 20:24 | nach oben springen


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