#91

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 02.05.2017 23:31
von FutureExMsConnolly • NeylsStalker | 24 Beiträge



Rowan wusste zunächst nicht, wessen deutlich aggressive Stimme er da in seinem komatösen Zustand vernahm, aber diese führte dazu, dass der verprügelte Brünette unter Murren seine schweren Augenlider öffnete. Schmerzen. Überall. Sein Kopf fühlte sich an, als würde eine ganze Armee darauf stepptanzen, seine Arme, die schwer neben ihm lagen, taten höllisch weh und sein Gesicht... Bei den Göttern, er wollte lieber gar nicht wissen, wie sein Gesicht aussehen musste. Der Betrunkene, der ihn vor einigen Tagen angegriffen hatte, war jedenfalls nicht zimperlich mit seinen Fausthieben gewesen und obwohl Rowan versucht hatte, sich so gut es ging zur Wehr zu setzen, war er doch irgendwann unter den Schlägen des Unbekannten zusammengebrochen. Warum eigentlich hatte dieser ihn nochmal angegriffen? Rowan erinnerte sich kaum daran und momentan schmerzte sein Kopf auch zu sehr, als dass er sich erinnern konnte. Eigentlich wollte er sich umdrehen und sich weiter ausruhen, aber es herrschte dermaßen Lärm, dass an weitere Ruhe gar nicht zu denken war. Irritiert lauschte er dem Durcheinander der Stimmen, die ihn von seinem wohlverdienten Schlaf abhielten, versuchte, irgendeine Information herauszufiltern, die ihm helfen würde, aber er konnte nichts erkennen. Viel zu viele rastlose, hektische, verzweifelte Ausrufe auf einmal. Verwirrt runzelte der Mann die Stirn, was ein unangenehmes Ziehen auf seinem ramponierten Gesicht zur Folge hatte, aber das ignorierte er gerade gekonnt. Vielmehr interessierte er sich dafür, was wohl der Grund für dieses heillose Durcheinander war, das von draußen her drang. Es konnte doch nicht sein, dass er so viel verpasst hatte während seiner Zeit, die er hier in seinem Zelt verbracht hatte. Zugegeben, er hatte sich die letzten Tage aufgrund seines Zustands nicht wirklich aus dem Zelt gewagt (es sei denn, er hatte seine Notdurft verrichten müssen), aber es konnte doch nicht sein, dass er dermaßen viel verschlafen hatte? Oder war er gar in ein Koma gefallen und hatte mehrere Monate, vielleicht sogar Jahre, verpasst? Bei den Göttern, das wäre eine grausame Vorstellung!
Mühselig richtete sich der Endzwanziger auf und sammelte sich einen Moment, ehe er seine Beine über die Bettkante schwang und sich auf wackeligen Beinen herausbewegte. Es fühlte sich für ihn beinahe so an, als würde er das Laufen gerade lernen, weshalb er sich in kleinen, unsicheren Schritten fortbewegte. Unsicher ließ er seinen Blick durch die Menge schweifen und spätestens, als er die sorgenvollen Gesichter der Leute gesehen hatte, war ihm klar geworden, dass irgendetwas nicht stimmte. Rowan ignorierte das Pochen in seinem Kopf und schlurfte weiter voran, auf der Suche nach irgendeiner Person, die nicht so aussah, als ob sie in Tränen ausbrechen würde, wenn er sie ansprach, was sich aber als ziemlich schwierig herausstellte. Was in aller Welt war denn passiert, dass hier jeder ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter machte?
Als Rowan sich, nachdem er sich weiter vorangeschleppt hatte, am Eingang Pola und einige andere seiner Freunde und Bekannte entdeckte, zeichnete sich ein minimales Lächeln auf seinem Gesicht ab und er schleppte er sich zum Eingang. Er wollte wissen, was hier gerade los war, und er wollte es jetzt wissen. Dennoch erkannte er auch in den Gesichtern der anderen eben jenen verzweifelten Ausdruck, den er schon bei anderen gesehen hatte.
"Hey...", machte er sich leise bemerkbar und stupste Pola mit seinem Ellbogen sachte an. Er wagte es nicht, Astraea und Killian zu unterbrechen, die sich scheinbar... "nett" miteinander unterhielten.
"Was ist hier los...? Warum sehen alle so... so gebrochen aus? So mutlos?"


zuletzt bearbeitet 04.05.2017 19:47 | nach oben springen

#92

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 03.05.2017 14:32
von Venhedis • Höllenfürstin | 38 Beiträge


Hustend und Wasser spuckend, richtete ich mich auf die Knie und strich mir meine Haare nach hinten. Noch leicht in Schock sah ich zu der Frau hinüber. Sie sah kurz zu mir runter und begutachtete dann den Abhang. Während sie vergeblich versuchte, besagten Abhang zu erklimmen, stand ich wackelig auf und quetschte so viel Wasser aus meinem Kleid und meinen Haaren wie möglich. Während meiner Zeit im Süden hätte ich mich vermutlich über so viel Wasser gefreut, doch jetzt, da mir der Stoff und die Strähnen unangenehm an der Haut klebten, freute ich mich auf nichts mehr, als auf mein warmes Bett und trockene Kleidung.
Ich schenkte der Frau wieder meine Aufmerksamkeit und konnte das belustigte Grinsen nicht zurückhalten, als ich sah, wie sie ein weiteres Mal versuchte, sich an einer Wurzel nach oben zu hieven. „Ich würde es mal weiter flussabwärts versuchen. Die Wurzeln der Bäume halten meist...“, abrupt unterbrach ich mich selbst, als ich die Dame unsanft auf dem Boden landen sah. Aus so einer Höhe musste das verdammt nochmal weh tun. Ich trat vorsichtig an sie heran nachdem sie sich einige Sekunden nicht bewegte. Erst nahm ich an, dass sie schock starr war, oder wartete, dass der Schmerz vorbeiging, doch als sie sich auch verbal nicht meldete nachdem ich nach ihrem Wohlbefinden gefragt hatte, dämmerte es mir, dass sie sich den Kopf vermutlich doch etwas zu hart angeschlagen hatte.
Für eine Sekunde überlegte ich, sie einfach dort liegen zu lassen und zu hoffen, dass sie in ein paar Minuten wieder aufwachen würde und es doch noch den Abhang hinauf schaffte. Sie könnte wieder dahin verschwinden, wo sie herkam und ihr Leben weiter leben... Dazu musste sie jedoch erst einmal aufwachen und danach keine tödliche Lungenentzündung bekommen, was bei der Kälte sehr gut möglich war... Verdammte scheiße, das konnte ich wirklich nicht machen. Ich musste sie zumindest nach drinnen bringen.
Unsicher trat ich auf sie zu, griff sie unter den Armen und zog so sehr ich konnte. Meine nackten Füße gruben sich leicht in den schlammigen Boden und meine Arme zitterten vom Anspannen doch sie bewegte sich höchstens eine Elle weit bevor ich sie wieder ablegen musste. Ich keuchte leicht und machte mich auf den Weg, Hilfe zu holen. Im Grunde musste ich nur jemanden überzeugen, dass es eine Gefahr war, sie hier liegen zu lassen, und dass meine Schuldgefühle bestimmt nichts damit zu tun hatten. Schließlich war es möglich, dass sie jedem den Standpunkt des Verstecks verraten würde. Mit diesem Gedanken, von dem ich mich auch selbst versuchte zu überzeugen, machte ich mich auf den Weg durch den Spalt. Drinnen angekommen hatte ich kaum Zeit nach ein oder zwei starken Helfern Ausschau zu halten, da Kilian gleich auf mich zukam.
Weder sein Ton mir gegenüber noch die Fragen gefielen mir, wobei ich ihm letzteres nicht wirklich verübeln konnte. Zumindest nicht sehr. „Bei mir ist alles gut, danke der Nachfrage,“ entgegnete ich ihm schnippisch. „Und ich war baden, sieht man doch,“ fuhr ich genervt fort, rieb mir dann aber seufzend die Schläfen und versicherte ihm mit gesengtem Kopf, dass ich ihm genaueres später erklären würde. „Draußen liegt eine Frau, aber ich kann sie alleine nicht rein holen. Sie hat sich den Kopf angeschlagen aber weiß vermutlich wo der Eingang zum Versteck liegt. Hilfst du mir, sie rein zu tragen?“ fragte ich und schaute wieder zu ihm hoch. Ich war ihm gegenüber zwar noch grantig wegen der Szene, die er mir in der Taverne machte, aber einen wirklich Streit wollte ich deshalb jetzt sicherlich nicht entfachen. Ich wollte jetzt sowieso nichts anderes als mich in mein Bett fallen zu lassen und heute zu vergessen.

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#93

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 03.05.2017 15:45
von Annika • Nesthäkchen | 22 Beiträge



Nachdem die rothaarige Azalle nach abruptem Abbruch ihres Satzes erneut das Versteck verließ, stand die Brünette erneut alleine da. Zumindestens ohne wirklichen Ansprechpartner, aber die Menge war ohnehin zu aufgewühlt. Ein normales Gespräch anzufangen wäre in dieser Nacht, dem nächsten Morgen und den nächsten Tagen wahrscheinlich schwierig. Die Trauer um den Verlust der Liebsten saß tief in ihren Knochen und Gedächtnissen. Doch alleine wenn sie sich die Anzahl der Verstorbenen besah, kroch ihr die Gänsehaut von den Zehenspitzen bis über die Arme. Sollte sie der Azalle folgen? Was war nur in sie gefahren, bei diesem Unwetter dort draußen ginge doch niemand freiwillig hinaus, vor allem nicht nach den jüngsten Geschehnissen. Pola entschied sich schließlich, sich nach den anderen zu erkundigen. Von ihrem jetzigen Standpunkt konnte sie Tristan ausmachen, allerdings kannte sie die Frau in seinen Armen nicht, doch sie schien bewusstlos und von dem ganzen Trubel hier nichts mitzubekommen. Er schien sich mit Gabriel zu unterhalten, sie wollte beide nicht stören und ließ ihren Blick weiterschweifen. Wer würde möglicherweise noch zu ihnen stoßen? Waren Aneela und der fremde Mann bereits eingetroffen? Nein, nirgendwo konnte sie die beiden ausmachen, abwarten. Ein wenig genervt strich sie sich die immernoch feuchten Strähnen aus dem Gesicht und war gerade daran, sich einen wärmeren Platz zu suchen, als sie auch schon wieder die altbekannte Stimme ihrer Freundin hörte. Es waren lediglich Fetzen, die ihre Ohren erreichten, doch war es nur wenig später bereits etwas anderes das ihr Aufsehen erregt hatte. Sie zwang sich zu einem Lächeln, als sie Rowan sah und begrüßte ihn ebenfalls mit einem „Hey“. Als er sie dann auf die trüben Gesichter und die aufgewühlte Menge ansprach, musste auch sie einmal kräftig schlucken bevor sie bemerkte, dass er an diesem Abend garnicht teilgenommen hat. „Stimmt ja.... also...“, die Wörter blieben ihr im Hals stecken, sie glaubte beinahe, daran ersticken zu müssen. Wie sollte sie sich nur kurzfassen? „Erasmus er....“, erst jetzt bemerkte sie, wie sie das alles mitnahm. Sie verschränkte ihre Arme, nein, sie schlang sie eher um sich und konnte ihm nicht für lange Dauer ins Gesicht sehen, ab und zu huschten ihre Augen zu ihm hoch, das war es aber auch schon. „...Er ist... tot. Wir hielten eine Totenfeier für ihn ab, wollten ihn ein letztes Mal am See verabschieden, dann kamen da plötzlich Soldaten... überall aus dem Wald. Wir flüchteten...“, sie pausierte einige Augenblicke, die Bilder spielten sich erneut in ihrem Kopf ab. Alles ging Schlag auf Schlag. „...wie du siehst, wir hier leben. Viele allerdings nicht mehr“, autsch. Ein kleines Stechen, ein unangenehmes Drücken machte sich in ihrer Brust für einen Moment breit. Ein leises Schluchzen drohte ihr zu entweichen, aber das wollte sie nicht, nicht jetzt. Es brachte ihr und ihren Mitmenschen nicht viel, wenn noch mehr Tränen flossen. „...Wie geht es dir? Deinem Kopf?“, sie biss sich auf die Unterlippe um ihre brüchig werdende Stimme schnell zu ersticken. Zumindestens ihr letztes Wort war schon ein paar Töne höher gewesen. Mittlerweile ließ sie ihren Blick auf seinem Gesicht ruhen.


zuletzt bearbeitet 04.05.2017 19:46 | nach oben springen

#94

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 03.05.2017 22:29
von FutureExMsConnolly • NeylsStalker | 24 Beiträge



So aufmerksam, wie es ihm sein gesundheitlicher Zustand gerade erlaubte, lauschte Rowan der brünetten Frau und glaubte, dass er falsch verstanden haben musste. Beinahe schon wollte er grinsen auf die Erkenntnis hin, dass sein geschädigter Kopf ein solch grausames Szenario zusammenspann. Fast hätte er seinen Arm gehoben und Pola auf den Rücken geklopft, so absurd fand er seine Vorstellung. Aber irgendwas in Polas Gesicht (und in denen aller anderen natürlich auch) sagte ihm, dass es wohl nicht sein Kopf war, die ihm diese grausame Tatsache zuflüsterte. Schockiert starrte er in das Gesicht seines Gegenübers, unfähig, sich davon loszulösen. Langsam bemerkte er, wie das Blut in seinen Ohren zu rauschen begann und ihn die Umgebung wie durch Watte wahrnehmen ließ. Der Trubel, der herrschte, schien weit weg zu sein, fast nur noch ein gedämpftes Flüstern.
"Was?", entfuhr es ihm vielleicht ein wenig zu laut und zu bestürzt, jedoch war er in Anbetracht der Information nicht in der Lage, seinen Schock zu verbergen. Erasmus? Tot? Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein.
Rowan fuhr sich durch das leicht gelockte Haar und stieß einen lauten Seufzer aus. Ungläubig schüttelte er den Kopf und begann, sich nervös auf seiner Unterlippe herumzubeißen, wie er es immer tat, wenn ihm etwas über den Kopf wuchs oder er nervös war. Wie konnte das passieren? Vor ein paar Tagen war noch alles normal gewesen; seine größte Sorge war gewesen, ob sein hässliches blaues Auge bleibende Schäden hinterlassen würde. Und jetzt? Erasmus tot, laut Pola noch weitere Azallen... Tot? Einfach... für immer weg vom Antlitz dieser Welt? Das konnte nicht sein. Das durfte einfach nicht sein.
"Was... Wie ist Erasmus...?", stammelte der Endzwanziger vollkommen überwältigt. Gut, er war ein alter Mann gewesen... Und klar, alte Menschen verließen diese Welt irgendwann. Aber dennoch war es ein Schock gewesen.
"Wen... wen hat es von den anderen denn... wer ist denn...", brabbelte der überforderte Rowan weiter. Er wollte es gar nicht aussprechen. Er weigerte sich zu glauben, dass eine derart schreckliche Tat passiert war. In seinem Kopf malte er sich unwillkürlich aus, wie Soldaten die Trauerfeier störten, ihre Schwerter hoben und damit in die Menge preschten, einen nach dem anderen erledigten, dabei verletzte Personen zum Sterben zurückließen...
"Ich glaube, mir wird gleich schlecht", brach es aus ihm heraus und er nahm ein paar tiefe Luftzüge, während er die Augen schloss, um sich zu beruhigen. Erst seine Schlägerei mit diesem Haudrauf, jetzt noch diese furchtbare Nachricht. Das Schicksal schien es nicht gut mit ihm zu meinen.
"Ja, geht schon", antwortete er schlicht, "Mein Kopf tut noch weh und meine Arme schmerzen, aber es geht. Muss es ja."
Es erschien ihm nicht richtig, in dieser Situation jetzt über seinen Zustand zu jammern. Immerhin war er am Leben, was man von vielen anderen unglücklichen Seelen nicht behaupten konnte.
"Ich werde schon wieder. Mein Dickschädel steht das durch. Darin ist sowieso nichts, was man kaputt machen könnte", schmunzelte er etwas, hätte sich aber gleich, nachdem er es ausgesprochen hatte, am liebsten dafür geohrfeigt. Gerade war nun wirklich nicht die rechte Zeit für solche Scherze!


zuletzt bearbeitet 04.05.2017 19:45 | nach oben springen

#95

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 04.05.2017 17:20
von Katashyna • Pingupups | 39 Beiträge



Mondschein fließt durch das kleine Fenster unseres unscheinbaren Häuschens. Nur in meinem Schlafkleid und mit nackten Füßen stehe ich auf dem kühlen Holzboden. Ruhig blicke ich an mir herab. Der Mond leuchtet mich an. Mein Blick wandert zu dem einzigen Fenster. Dort erblicke ich ihn. Den Mond. In seiner vollen Pracht und umgeben von tausend Sternen.
Und auf einmal ist er weg. Er und die tausend kleinen Sterne waren nicht mehr zu sehen. Es war dunkel, stockdunkel.
Wieder erscheint ein Licht. Dieses Mal ist es wärmer und nicht so hell. Langsam drehe ich mich um, bis ich das Feuer unseres Karmins erblicke. Es flackert ruhig vor sich hin und erhitzt dabei den Kessel, der darüber gehängt ist. Daneben sehe ich meinen Vater. Er sitzt auf dem alten, klapprigen Holzstuhl. Langsam trete ich näher an ihn heran. Ich will ihn ansprechen und fragen wie sein Tag war. Doch als ich näher an ihn heran trat, sah ich, dass er schlief. Stillschweigend saß er in dem Stuhl, hatte die Augen geschlossen und atmete ruhig. Eine Weile lang tat ich nichts anderes, als ihn einfach zu beobachten. Wie sich langsam seine Brust hob und wieder senkte. Wie die Flammen des Feuers Schattenmuster auf sein Gesicht zeichneten. Und wie seine Augenlieder leicht zuckten, als würde er träumen. Er so ruhig aus, so sorglos. Ich hätte ihn die ganze Zeit einfach weiterhin so beobachten können. Auf meinen Lippen zeichnete sich mit der Zeit ein sanftes Lächeln ab. Er hatte sonst immer so viele Sorgen. Wie schön, dass diese ihn ihm schlaf wenigstens nicht belästigten.
Weiter sah ich ihn einfach nur an, bis mir auffiel, dass er etwas in den Händen hielt. Es war ein unscheinbar wirkender Stoff. Vorsichtig griff ich danach. Er fühlte sich so vertraut an. Weich und doch rau, als würde ich ihn kennen. Neugierig zog ich ihn langsam aus den Händen meines Vaters und achtete dabei darauf ihn nicht zu wecken. Als ich den Stoff in Armen hielt, merkte ich, dass es sich dabei um ein Kleid handelte. Um mein Kleid. Das Kleid, das ich immer trug, wenn ich zur Arbeit in das Gasthaus ging. Ich hielt es vor mich hin und betrachtete die Vorderseite. Es war sicher nichts Besonderes. Schlicht und unscheinbar, wie das Mädchen, dass es immer trug. Seufzend drehte ich es um und bemerkte einen großen, dunklen Fleck. Eigenartig, was konnte das sein? In dem Licht konnte ich es nicht genau erkennen. Unwissend berührte ich den Fleck. Es war nass. Ich ging näher ans Feuer und blickte auf meine Hand, die auf einmal voll von dieser Flüssigkeit war. Blut.
Und wieder wurde alles schwarz.


Alles war schwarz. Unter hoher Anstrengung schaffte ich es langsam meine Augen zu öffnen. Allmählich wurde es immer lauter und ich nahm unzählige Geräusche wahr. Menschen, es waren Menschen, die redeten. Ihre Stimmen klangen hastig und besorgt sowie wütend und trauernd. Ich öffnete meine Augen weiter und erblickte über mir erst einmal das Gesicht eines fremden Mannes. Auch, wenn er mir bekannt erschien. Doch trotzdem wusste ich nicht, wer er war. Es dauerte eine Weile, bis ich bemerkte, dass er mich in seinen Armen hielt. Ich war gänzlich verwirrt und bekam Angst. Ich versuchte mich zu bewegen, doch dabei spürte ich einen Schmerz in meinem Rücken. Mit dem Ausstoß eines gequälten »Aua.« verzog ich mein Gesicht.
Auf einmal kam alles wieder. Ich war in einem Wald. Dort bin ich auf Kilian und Aneela getroffen. Es war eine Feier. Eine Totenfeier. Dort war ich mitten unter den Leuten, bis dort jemand eingefallen ist. Ich kann mich nur noch daran erinnern, wie ich vor Schmerzen zu Boden ging und mir geholfen wurde. Von einem jungen Mann. Er war es, der mir geholfen hat.
Ich war verwundert. Der Schmerz war noch da, doch er war erträglich. Ich dachte ich muss sterben, solche Schmerzen hatte ich zuvor. Doch nun ging es wieder. »Wo sind wir?«, fragte ich den jungen Mann und merkte wie heißer meine Stimme dabei war. Vermutlich hätte ich Angst haben müssen. Doch so war es nicht. Komischerweise fühlte ich mich sicher, auch wenn ich es mir nicht erklären konnte. Mein Gehirn sagte mir, dass ich das alles hinterfragen sollte. Wer war der Mann? Wieso lag ich in seinen Armen? Wieso ist das alles passiert? Doch so war es nicht. Ich fühlte mich ruhig und geborgen.


zuletzt bearbeitet 04.05.2017 19:44 | nach oben springen

#96

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 04.05.2017 19:17
von Pummel • Eumelchen <3 | 295 Beiträge



Meine Befehle waren eindeutig gewesen. Eine Zelle, keine Befragung oder Folter, bis ich mich den Gefangenen persönlich annehmen würde. Auch wenn mir bewusst war, dass Corboz sobald er von unserem Fang erfahren würde, sich eigenhändig um die Azalle würde kümmern wollen. Und so sehr mir dieser Umstand auch missfiel, gab es eine Angelegenheit, die dringlicher war und die ich schnell zu erledigen gedachte. Selbst der Hauptmann würde in dieser kurzen Zeit keinen allzu großen Schaden anrichten können. Und falls doch, würde ich seine Fehler wieder ausmerzen. Er war nicht so dumm, die junge Frau zu ermorden, ehe sie nicht einige wertvolle Informationen preisgegeben hatte. Das Schicksal ihres Begleiters war jedoch weniger gewiss.
Meine Gedanken jetzt wieder auf das dringlichere Problem gerichtet, lenkte ich meine Schritte zu dem Ort, an dem ich glaubte, die entlarvte Azallengespielin ausfindig zu machen. Angesichts ihres erschrockenen Gesichtsausdruck, als unsere Blicke sich getroffen hatten, vermutete ich, dass Katelyn sich so schnell wie möglich aus dem Staub machen wollte, um ihr hübsches Köpfchen vor dem Galgen zu bewahren. Ein Jammer, wenn ihr die Flucht bereits gelungen wäre.
Feixend huschte mein Mundwinkel in die Höhe, als ich hektische Geräusche aus dem Inneren der Kammer ausmachte, die mit großer Wahrscheinlichkeit von ihrer Bewohnerin herrührten. Schön, dass sie es mir so leicht machte...
Vermutlich hätte sie das Aufschieben der angelehnten Tür nicht einmal mitbekommen, wenn ich sie geräuschvoller geöffnet hätte, so verbissen war die junge Frau, ihre Habseligkeiten zusammenzusuchen, um sich selbst in Sicherheit bringen zu können. Welch Ironie, dass sie dadurch die nahende Bedrohung nicht registrierte, bis ich die Tür absichtlich laut hinter mir zuschlug und mich bei ihrem ertappten Umdrehen amüsiert gegen jene zurücksinken ließ. "Ich hoffe, du hattest nicht vor uns zu verlassen, ohne dich zu verabschieden..."

~~~

Ein einzelner Fehler. Es brauchte nur eine naive Entscheidung, die das Kartenhaus zum Einsturz brachte. All die Entbehrungen, die verpassten Chancen, zum Wohle der Allgemeinheit, des eigentlichen Zieles. Ich hatte in den letzten Jahren einiges erreichen können. Doch es war bei weitem noch nicht genug, um die Waagschale auszugleichen. Was machte ich überhaupt noch hier? Ich war bereits auf halben Wege zum Tor gewesen, als das Sentiment mich hatte umkehren lassen. Nun wühlte ich mein Zimmer nach der kleinen Schatulle ab, als würde mein Leben davon abhängen. Während kostbare Zeit unbarmherzig verrann, jagte ich meiner Vergangenheit nach. Und das Schlimmste war wahrscheinlich, dass ich mir meines törichten Verhaltens bewusst war. Dass ich mir im Klaren darüber war, dass jede weitere Sekunde die Schlinge weiter zuzog. Bis die Falle schließlich mit einer zuknallenden Tür zuschnappte. Mein gesamter Körper versteifte sich angesichts der Erkenntnis meiner Niederlage. Abrupt wandte ich mich um und blickte zum Antlitz des Mannes, der nicht vorhatte mich ziehen zu lassen. Der Klang seiner Stimme beschleunigte meinen tobenden Herzschlag. Seine Worte bewirkten, dass ein zerknirschtes Lächeln sich auf meinen Lippen bildete.
„Ich halte nicht viel von großen Abschieden.“
Meine Gesichtszüge verhärteten sich, die Augen blieben weiterhin auf seinem Gesicht gerichtet. Ab diesem Augenblick war jeder weitere Atemzug ein Geschenk. Ich erlaubte es mir frische Luft in meine Lungen strömen zu lassen. Als ich meinen Blick senkte, erkannte ich schließlich das, wonach ich die ganze Zeit gesucht hatte. Welch Ironie. Jetzt machte es wahrscheinlich keinen großen Unterschied mehr. In einer langsamen Bewegung streifte ich den dunklen Mantel von meinen Schultern, der raschelnd zu Boden glitt. Der nächste Atemzug ließ mich an Vergangenes denken. Ich akzeptierte die Umstände, fasste an meine Seite und durchbrach als erste die Starre. Ehe Callum etwas auf meine Worte erwidern konnte, flogen ihm bereits drei Wurfmesser entgegen. Die improvisierte Ablenkung ausnutzend, pirschte ich vor, stieß mich vom Boden ab und stürzte mich mit erhobenen Waffen auf das einzige Hindernis, welches mir derzeit den Fluchtweg versperrte.

~~~

Abwartend beobachtete ich Katelyn, deren Anblick mir äußerstes Vergnügen bereitete. Das Raubtier, dass seine Beute in die Enge getrieben hatte und ihm damit die Entscheidung zwischen Angriff oder Flucht zunichte gemacht hatte. Deshalb war es auch nur eine Frage der Zeit, bis das Unausweichliche eintraf. Und sie enttäuschte mich nicht. Nur knapp schaffte ich es, den mir entgegengeschleuderten Messern auszuweichen, ehe die Dunkelhaarige sich mir bereits entgegenwarf und der kleinste Fehler meinerseits mir ein weitaus weniger erfreulicheres Ende dieses Tages bescheren würde. Das konnte ja lustig werden...
Ich war nicht so dumm, meine Gegenüber zu unterschätzen. Diese Denkweise hatte schon so manchen eines Besseren belehrt, weswegen ich auf langes Geplänkel verzichtete und mit einem festen Schlag dafür sorgte, dass ihre Waffe außer Reichweite geriet und ihre Krallen vorerst das einzige waren, womit sie mich verletzen konnte. Eine durchaus verlockende Vorstellung, wenn auch eher unter anderen Umständen. Und da ich vermutete, dass Katelyn anhand der jüngsten Geschehnisse wie eine Löwin um ihr Leben kämpfen würde, musste ich sie dazu zwingen, mir zuzuhören. "Wenn du dich für einen Moment beruhigen und deinen Kopf gebrauchen würdest, käme dir der Umstand, dass ich alleine hier bin vielleicht fragwürdig vor...", zischte ich ihr ins Ohr, meinen Arm fest um ihre Kehle geschlungen. Eine viel zu riskante Position, wie mir einen Moment später klar wurde, weshalb ich ihren Körper gegen die Tür bugsierte und ihre Handgelenke sicherheitshalber nachdrücklich über ihren Kopf drückte, ehe sie noch weitere Waffen aus ihrer Kleidung hervorzaubern würde.

~~~

Ich hatte gewusst, dass meine Chancen nicht sehr hoch standen. Trotzdem kratzte es an meinem Ego, als er mit einem schnellen Schlag den Dolch beiseite schlug, als sei es ein Spielzeug. Ehe ich mich versah, hatte Callum mich bereits überwältigt und in einem eisernen Griff umklammert, der mich kurzzeitig strampeln und den Boden unter den Füßen verlieren ließ. Und als wäre das noch nicht genug Demütigung, pinnte er mich im nächsten Augenblick gegen die Tür, wodurch ich ihn zwangsläufig ansehen musste. Von der beklemmenden Lage ganz abgesehen. Mein gehetzter Atem entwich stoßweise aus meinen Lungen, während ich ein letztes Mal aufbegehrte, in dem kläglichen Versuch meine Handgelenke wieder zu befreien. Doch vergebens. Was körperliche Stärke anging war Callum mir um Meilen voraus. Schon immer. Und ich hasste es bis heute. Für den Moment blieb mir wahrscheinlich nichts anderes übrig, als die Niederlage zu akzeptieren. Also hob ich mein Gesicht ein Stück weit und blickte zu dem Mann hinauf, der mir bedrohlich nahe gekommen war.
Er wollte spielen? Gut, von mir aus. Vielleicht würde sein Hochmut ihm am Ende ja doch noch zum Verhängnis werden, wenn er sich die Finger verbrannte.
„Worauf willst du hinaus?“

~~~

"Du lebst noch.", erwiderte ich mit einem angedeuteten Lächeln und verharrte einige Sekunden schweigend, ehe mein Blick von ihrem Gesicht langsam abwärts wanderte. "Hätte ich vor dich zu verraten, wäre dem nicht mehr so." Meine Mundwinkel gingen in die Breite, als ich eine meiner Hände löste, ohne den Druck dabei auf ihre Handgelenke zu vermindern. Der Finger meiner nun freien Hand fuhr im Kontrast dazu fast behutsam eine Linie über ihren Hals, während ich nachdenklich weitersprach. "Genau da..."
Weitere Momente verstrichen, ehe ich mein Augenpaar abermals auf ihr Pendant richtete. "Wäre doch eine Verschwendung diesen hübschen Hals zu verunstalten. Nein...ich hab andere Pläne.", fuhr ich grinsend fort und genoss dieses Katz und Mausspiel viel zu sehr, als dass ich es vorzeitig beenden würde. Doch es gab Dinge, die es als erstes zu erledigen galt, weshalb meine Mimik schlagartig ernster wurde. "Versuch also gar nicht erst auf dumme Gedanken zu kommen, wenn du willst, dass es dabei bleibt." Mit diesen Worten rückte ich ein wenig von ihr ab und gab sie wieder frei, nicht ohne sie dabei im Auge zu behalten, falls sie doch so dumm wäre, meinen Ratschlag nicht zu befolgen.


zuletzt bearbeitet 04.05.2017 19:45 | nach oben springen

#97

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 04.05.2017 19:30
von Annika • Nesthäkchen | 22 Beiträge



Als die angenehme Wärme des Verstecks ihn umhüllte, gab er ein erleichtertes Seufzen von sich. Für einen Moment schloss er seine Augen und atmete einmal tief durch. Seine Arme schmerzten mittlerweile, auch wenn die Frau in seinen Armen nicht unglaublich schwer war, war es dennoch Gewicht, das er zu tragen hatte. Der Gedanke, nie wieder ohne diese Erinnerungen in den Wald zurückkehren zu können, waren unvorstellbar für Tristan, wie denn auch? Es dauerte eine Weile bis die laute Unruhe bis zu seinen Ohren drang und er seine Augen erneut öffnete. Enngelin hatte sich inzwischen dem, immernoch für ihn unbekannten, Jungen angenommen. Er hätte diesem Kind etwas Schöneres gewünscht, als an diesem Abend Teilnahme zu haben, auch allen anderen für die es bereits zu spät war, wie auch allen die immernoch lebten und der Schock tief saß. Wie konnte man das auch übersehen? Ihre Gesichter waren für jeden, der Augen besaß, ein offenes Buch. Schließlich wandte Gabriel sich Tristan zu und erkundigte sich nach ihm und der Bewusstlosen. Nach einem kurzen Blick nach unten war er sich zumindestens ziemlich sicher, dass sie noch immer bewusstlos war. Mit einem kleinen Nicken und einem dankbaren Blick wollte er es eigentlich belassen. Dankbar? Ja, dankbar dafür, dass Enngelin sich der Verwundeten angenommen hatte und sie ihn im Wald nicht alleine gelassen hatten. So wusste er immer, dass zumindestens sie noch lebten. Diese Tatsache alleine war eine Erleichterung für ihn gewesen. Ist es immernoch. Aber irgendetwas in ihm sagte ihm, dass er vielleicht doch einmal seinen Mund aufmachen sollte und sich mit Leuten unterhalten sollte. Man weiß nie, was innerhalb kurzer Zeit mit diesen Personen geschehen kann. „Es geht mir gut... Es sind lediglich meine Beine und Arme, die dran glauben mussten“, er brachte sich selbst zu einem kleinen Schmunzeln. Gerade als er noch etwas sagen wollte, regte sich etwas in seinen Armen, ein gequältes „Aua“ später und er sah, dass die zuvor Bewusstlose nicht mehr ganz so bewusstlos war und viel mehr wach schien. „Wo sind wir?“, fragte sie, ihre Stimme klang heiser. Nach einem Moment zögern merkte er, dass sie mit ihm sprach. „Sicher“, meinte er knapp. „...So viel zur Sache mit „Mund aufmachen“, dachte er sich, überlegte ob er an seine kurze Antwort noch ein „vorerst“ hängen sollte, beließ es aber dann. „Was sagst du jetzt zu ihr? Hast du das Sprechen verlernt?“, so hallte es durch seinen Kopf. Er verzog sein Gesicht kurz, kaum merklich. „Hast du Schmerzen?“, es klang erst härter als gewollt, also fügte er diesmal dann doch noch in einem etwas sanfteren Ton hinzu „Ich bin übrigens Tristan.“


zuletzt bearbeitet 04.05.2017 19:40 | nach oben springen

#98

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 05.05.2017 17:49
von Katashyna • Pingupups | 39 Beiträge



Erwartungsvoll blickte ich ihn an. Er zögerte einen Moment, bis er mir eine Antwort gab. »Sicher.« Erleichterung durchströmte mich, als ich nur dieses eine Wort von ihm vernahm. Es war schön dieses Wort zu hören und ich hoffte auch, dass es dabei bleiben würde, dass wir sicher waren. Ich weiß noch immer nicht wirklich was da am See eigentlich passiert ist. Ich kann mich nur noch daran erinnern, wie alle auf einmal hektisch wurden und davon liefen, während ich angestrengt versuchte meine letzten Kräfte zu mobilisieren und weg zu kriechen. Ich will mir gar nicht ausmalen, was passiert wäre, hätte er mich nicht hochgenommen und wäre mit mir davon gerannt. Ich verdrängte die Bilder, die gerade in mir hoch kamen. Das Leid, von dem ich umgeben war. Denn nun waren wir sicher und nur darauf kam es an.
Erneut sprach mich der Mann, in dessen Armen ich lag, an und fragte mich ob ich noch schmerzen hatte. Daraufhin fügte er mit sanfter Stimme noch seinen Namen hinzu. »Tristan.«, flüsterte ich diesen nach und sah ihm in die Augen. »Ich bin Artminea.« Als ich erneut versuchte mich zu bewegen, spürte ich wieder einen Schmerz im Rücken. »Es…wird besser.«, erwiderte ich auf seine Frage, während ich versuchte das Gesicht nicht zu verziehen.
»Aber ich….naja.. Ich glaube…du kannst mich wieder runter lassen.«, gab ich etwas verlegen von mir, nachdem ich mir wieder in Erinnerung gerufen hatte, dass ich in den Armen eines Fremden war. Auch wenn er mir quasi das Leben gerettet hat, war es doch etwas seltsam.
»Und…für deine Hilfe. Also…ich wollte…naja. Danke.«


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#99

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 06.05.2017 17:28
von Neyl • Admin | 37.081 Beiträge



Wütend betrachtete ich die leichtsinnige Azalle, deren Äußerungen meine Augenbraue bei jedem weiteren Wort missbilligend Richtung Haaransatz wandern ließ. "Du machst mich wahnsinnig, das ist dir bewusst, oder?", gab ich mit einem leisen Seufzen von mir und betrachtete meine Gegenüber unschlüssig, ehe sie mit einer ungewöhnlichen Bitte fortfuhr. "Eine Frau?", wiederholte ich erstaunt, nickte dann jedoch augenblicklich und folgte Astraea, nach einem letzten Blick über die Schulter, aus dem Versteck.
Der Regen hatte mittlerweile etwas nachgelassen, dennoch hatte ich Probleme die Unbekannte auf den ersten Blick auszumachen und als meine Begleiterin mir den Weg zeigte, wusste ich auch weshalb. Der Körper der Anderen war Schlammüberzogen, weshalb sie sich kaum von ihrer Umgebung abhob. Nur vereinzelte blonde Strähnen stachen hervor und ließen mich alarmiert das Gesicht der bewusstlosen Frau näher in Augenschein nehmen. "Das ist nicht irgendeine Frau...", sagte ich nach einigen Sekunden ernst, ohne den Blick von jener abzuwenden. "Sie ist eine Soldat und war dabei..."
Weitere Sekunden verstrichen, in denen ich die Bewusstlose einfach nur schweigend betrachtete und versuchte den aufkeimenden Groll in mir zu beherrschen. Die Gedanken, die sich in meinen Kopf schlichen, waren mir neu und in jeder anderen Situation wären sie mir vermutlich beängstigend vorgekommen, doch nicht heute. Jetzt, in diesem Moment, hatten sie etwas Befriedigendes an sich.
"Sie wird uns verraten, wenn wir sie hier liegen lassen.", stimmte ich Astraeas vorheriger Vermutung tonlos zu, ehe ich die junge Frau über meine Schulter bugsierte und mit der rothaarigen Azalle den Rückweg antrat.
Das Bild, dass sich uns beiden bot, hatte sich in den wenigen Minuten unserer Abwesenheit kaum verändert. Vielen Azallen sah man die Erschöpfung deutlich an, doch allem Anschein nach, fühlte sich niemand sicher genug sich den nötigen Schlaf zu gönnen. Ein weiteres Seufzen unterdrückend, rief ich nach zwei Azallen, die einen etwas gefestigteren Eindruck machten und wies sie an, den Eingang zum unterirdischen Gang zu bewachen. Nur kurz darauf, kamen weitere Männer hinzu, die wissen wollten, wer unser unbekannter "Gast" war. "Sie ist eine von Corboz Leuten.", erwiderte ich knapp und nachdenklich ließ ich meinen Blick über die Menge schweifen, ehe ich kurzerhand die Fremde in die Arme meines Gegenübers bugsierte. "Bring sie in das kleine Gewölbe, südlich und fessel sie." Rodrick tat, wie ihm geheißen, während ich ihnen finster nachblickte und ohne meine Position zu verändern, das Wort wieder an Astra richtete. "Muss ich das Gleiche auch mit dir machen, oder bleibst du freiwillig hier?"


Liebe ist nur eine weitere Methode anderen Leid zuzufügen <3
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#100

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 07.05.2017 12:16
von Fionien • Giftzwerg | 63 Beiträge



Als ich die Augen öffnete, sah ich auf kalten Stein. Ich fror, mein Kopf schmerzte wahnsinnig und ich konnte weder Hände noch Arme bewegen.
„Aufgewacht, Prinzessin?“ Die Stimme war kalt, Abscheu und Wut war daraus zu hören. Ich hob den Kopf und sah zu einem Mann in den besten Jahren auf, braunes Haar, bittere graue Augen. Ich versuchte mich aufzusetzen und realisierte, dass meine Hände und Arme gefesselt waren.
„Liegen bleiben“, befahl er, „sonst siehst du gleich wieder Sterne.“
Ich sah ihn kühl an, blieb aber liegen. Meine Kleidung war nass, wie ich merkte. Langsam kamen die kürzlichen Erlebnisse zurück.
„Du bist ein Azalle, nehme ich an?“, fragte ich und unterdrückte einen Hustenreiz. Der Mann gab keine Antwort, sondern starrte nur auf mich herab. Ich nahm das als Ja. Also musste ich... bewusstlos hierher gebracht worden sein. Ich wünschte, ich hätte gekämpft, anstatt solch eine Schmach über mich ergehen zu lassen. Wie viel Zeit wohl vergangen war? Ließ Corboz nach mir suchen? Vermutlich nicht gründlich. Ich bezweifelte, dass sie mich finden würden, wenn es nicht wirklich gute Spurensucher waren, die zu viel Geld für Corboz kosteten, als dass er sie auf mich verschwenden würde.
„Was habt ihr mit mir vor“?, fragte ich.
„Mund halten.“
Meine Hand zuckte vor Wut in den Fesseln, allerdings sollte ich lieber einen kühlen Kopf bewahren. Ich lebte, also hatten sie entweder Interesse an Informationen oder eine andere Verwendung. Vermutlich verlängerte das mein Leben solange, bis sie bemerkten, dass ich nichts nützliches wusste, was ich ihnen erzählen würde. Ich hatte allerlei Ammenmären über die Azallen gehört, von unmenschlichen Kräften über barbarisches Verhalten und tierischen Trieben folgenden Sitten, die mich ein wenig beunruhigten.
Nun gut. Aktuell sah ich schwarz für einen Fluchtversuch.


zuletzt bearbeitet 07.05.2017 13:04 | nach oben springen

#101

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 07.05.2017 15:48
von Venhedis • Höllenfürstin | 38 Beiträge



Auf seine Nachfrage hin versicherte ich ihm, dass ich Männer und Frauen auseinanderhalten konnte, und brachte ihn dann auf direktem Wege zu ihr. Wir standen einige Momente in der Kälte, bevor er mich wissen ließ, dass die Frau wohl eine Soldatin war. Bei dem Angriff achtete ich nicht wirklich auf die Gesichter der anderen, ihre Waffen schienen meine Aufmerksamkeit mehr zu verdienen. Immerhin hätte ich diesen ja ausweichen müssen, wenn mir einer nah genug gekommen wäre. Natürlich waren Azallen und Soldaten einander so wohl gestimmt wie Katzen und Hunde, doch im Moment sah ich dort nur eine Frau, die wegen mir ohnmächtig am Boden lag. Ich war erleichtert, als er sie aufhob und zurück ins Versteck brachte. Schon komisch, dachte ich als wir wieder drinnen waren, wie wenig wir gerade auffielen.
An jedem anderen Tag hätten sich wahrscheinlich schon einige Azallen um uns versammelt und Kilian hätte nicht nach Leuten rufen müssen.
Aus dem Gespräch, wenn man es überhaupt als solches bezeichnen konnte, hielt ich mich raus, da ich merkte, wie meine Augenlieder immer schwerer wurden und ich hoffte, mich so schnell wie möglich in mein Bett fallen lassen zu können. Kilian übergab die Frau an einen der anderen Azallen und wies an, wie man mit ihr verfahren solle, bevor er sich an mich wand und fragte, ob man mich wohl ebenfalls fesseln müsste. Mir war zwar bewusst, dass meine kleine Aktion ihm wohl alles andere als gefallen würde, aber diese Reaktion hätte ich wirklich nicht erwartet. Ich betrachtete ihn einen Augenblick und lächelte dann schief. "Deine verborgenen Fantasien können wir ein andermal ausleben", meinte ich in einem vermutlich kläglichen Versuch, ihn etwas zu beschwichtigen. "Ich werd mich hinlegen und versuchen zu schlafen. Die ganze Nacht aufzubleiben und sich Gedanken über den Tag zu machen bringt jetzt auch nichts mehr", erklärte ich ihm und machte mich dann auf den Weg durch die Menge, welche sich mittlerweile etwas gelichtet hatte.
Auf dem Weg zu meiner Jurte wünschte ich noch Pola und Rowan, der wohl endlich für mehr als fünf Minuten wach war, eine gute Nacht. Drinnen angekommen entknotete ich meine Kette und legte sie auf eine der Kisten, welche am Rand standen. Morgen früh, entschied ich mich, würde ich wohl nach einem neuen Band suchen müssen. Weder das Umziehen noch Hinlegen blieben mir im Gedächtnis, als ich in einen traumlosen Schlaf fiel.

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#102

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 09.05.2017 22:05
von Arashi • Grünschnabel | 10 Beiträge

Sorry Leute, dass ich so lange nicht geschrieben habe >.<" aber seit dem Praktikum bin ich in letzter Zeit immer so platt, dass es mich selber nervt << (ich komm zu buchstäblich nichts DX) und hinzu kommt, dass ich echt Null Ahnung habe was ich mit J anstellen soll v.v
Daher der Versuch eines kurzen Posts zusammenzubekommen damit Mirah ggf. wieder frei ist und ja...k.A. was dann ^^" (an der Stelle dickes Sorry an Miss "noName" >.< tut mir Leid, dass du meinetwegen festgehangen hast)


Jealyn

Ich wusste nicht, ob meinem Flehen Gehör geschenkt wurde, geschweige denn, dass es die Ohren jener, an die es gerichtet war, erreichte. Selbst ich hatte das Gefühl meine eigene Stimme viel zu leise wahrgenommen zu haben. Hatte ich überhaupt laut ausgesprochen, was ich dachte? Doch war es andererseits wichtig? Würde es etwas an der Situation ändern? Vermutlich nicht.
Plötzlich spürte ich eine Hand an meinem Arm. Mein Blick wanderte langsam hoch und erblickte meine Helferin. Sie sagte nichts, fragte nichts. Sie sah mich nur eindringlich an. Sie wollte von hier verschwinden, soviel konnte mein Verstand noch fassen, war es doch auch kein untypischer Gedanke in dieser Situation. Wie es aussah wollte sie, dass ich mitkam. Wenn ich weiterhin sitzen bliebe, würde sie auch bleiben? Aber dann wäre sie in Gefahr. Das konnte ich nach alledem doch nicht zulassen. Ich sollte es nicht zulassen, doch würde sie darauf hören, wenn ich ihr sagte zu gehen? Ohne mich... Wohl eher nicht, sonst hätte sie es sicher schon getan. Ich musste also aufstehen. Vom Gefühl her immer noch trunken versuchte ich aufzustehen. Ihre Unterstützung half dabei und irgendwie hatte ich es dann geschafft, dass ich endlich wieder stand. Zwar recht wackelig, aber ich stand. Dann ging alles sehr schnell. Wir verschwanden von diesem Ort. Ich ließ mich einfach von ihr führen. Keinen Ahnung wo hin, Hauptsache fort. Nichts von dieser Flucht war mir später im Gedächtnis geblieben. Weder wo wir hingegangen waren, noch wann es passierte, dass ich das Bewusstsein verlor...
Mit schweren Lidern wurde ich langsam wach und versuchte angestrengt meine Augen zu öffnen. Das Ergebnis war eher ein etwas größerer Guckspalt, als das sie wirklich offen waren. Ich lag in einem Bett. Unwissend welches es war oder wo. Anstelle mich darüber zu wundern oder herauszufinden wo ich war, kam mir vorerst nur ein Gedanke: War das alles nur ein schlimmer Traum gewesen? Ich hoffte es, das kneifende Gefühl in meiner Magengegend ignorierend. Es musste ein Albtraum gewesen sein, denn es durfte einfach nicht wahr sein...


zuletzt bearbeitet 09.05.2017 22:09 | nach oben springen

#103

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 10.05.2017 22:24
von Annika • Nesthäkchen | 22 Beiträge



Eine kleine Gänsehaut breitete sich auf seinen Armen aus, als sie seinen Namen aussprach. Jetzt sah sie ihm auch noch in die Augen! Ja, natürlich sieht man seinem Gegenüber normalerweise in die Augen während einem Gespräch, aber das hier war etwas völlig anderes. Als sie ihm dann auch noch ihren Namen, Artminea, verriet, konnte er die Wärme spüren, die sein Gesicht immer mehr erwärmte. Wenn er Glück hatte, sah er nicht all zu rot wie eine Tomate aus, oder aber sie bemerkte es nicht. Erneut blieben ihm die Worte aus, Gott sei Dank hatte sie noch etwas zu sagen. „Es... wird besser“, mit Sicherheit waren die Schmerzen nicht mehr so groß, als der Pfeil noch in ihrem Rücken steckte, aber verschwunden waren sie doch bestimmt auch noch nicht, oder? Tristan zumindestens hatte noch nie einen Pfeil in seinem Rücken stecken gehabt, er hat es auch nicht vor. „Aber ich….naja.. Ich glaube…du kannst mich wieder runter lassen“, fügte sie im Nachhinein noch hinzu. Mittlerweile hatte er ganz vergessen, dass er sie noch immer trug. Als sie ihn allerdings daran erinnert hatte, kam auch das unangenehme Gefühl in seinen Armen wieder. Jetzt war nur die Frage, wohin er sie legen könnte? Stehen wäre eindeutig zu viel verlangt, auch sitzen dürfte nicht das angenehmste in diesem Falle sein. Noch bevor er seinen Gedankengang beendet hatte, ertönte erneut ihre sanfte Stimme in seinem Kopf, als sie sich für seine Hilfe bedankte.„Ich konnte dich nicht einfach dort liegen lassen“, meinte er und versuchte dabei, nicht ins Stottern zu geraten. Bevor er seinen Weg antrat, wünschte er Gabriel noch eine angenehme Nacht. Es dauerte nicht lange, da zog er auch schon den Stoff seiner Jurte zur Seite und ging hinein. „Du solltest weiterschlafen, wir sehen morgen dann, wie es weitergeht. Und keine Sorge, du kannst in Ruhe ausschlafen“, versicherte er ihr und legte sie vorsichtig auf dem Bett ab. „Wenn etwas sein sollte, ich bin direkt da draußen“, als er sie auf dem Bett abgelegt hatte, bahnte er sich auch schon wieder seinen Weg nach draußen, aber nicht ohne sich noch einmal umzudrehen und sich zu versichern, dass sie auch sicher nichts braucht, bis er dann schließlich wieder hinaus trat. Er schnappte sich einen Stuhl und stellte diesen vor seine Jurte. Mit einem erleichterten Seufzen ließ er sich darauf sinken und stützte seine Arme auf den Knien ab, den Kopf in die Hände gelegt, rieb er sich über die Augen. Es dauerte nicht lange, bis Tristan seine Position wieder änderte und sich mit verschränkten Armen nach hinten lehnte und den Kopf nach hinten fallen ließ. Ein kleines Lächeln, welches sich in ein Grinsen verwandelte, umspielte nun seine Lippen als er wieder seine Jurte betrachtete. Er hatte ein Leben gerettet, er hatte ihr Leben gerettet. Gab es da etwa keinen Grund, um sich zu freuen? Mit diesen letzten Gedanken, schloss er dann für diesen Tag seine Augen.


zuletzt bearbeitet 11.05.2017 17:00 | nach oben springen

#104

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 11.05.2017 13:04
von Pummel • Eumelchen <3 | 295 Beiträge



Die Worte meines Gegenübers ließen mich für einen Augenblick inne halten. Ich fragte mich, was er mit seinem Verhalten bezwecken wollte. Was ging in seinem Kopf vor, während er reglos auf mich hinab blickte? Das schwache Lächeln auf seinen Lippen irritierte mich. Und seine nächsten Aussagen verstärkten nur noch das unangenehme Gefühl in meiner Bauchgegend. Ich hielt den Atem an, als er mit seinen Fingern eine unsichtbare Linie auf meinem Hals entlangzeichnete, um seine Worte zu unterstreichen. Die Berührung selbst löste Empfindungen aus, die ich nur zu gerne im Keim erstickt hätte. Unter anderem die Gänsehaut. Eine kribbelnde Sensation, die meinen Atem unmerklich beschleunigte. Es fiel mir schwer seinem Blick unter solchen Umständen standzuhalten. Was nicht bedeutete, dass ich es trotzdem tat und eine Augenbraue hob, als er zu schlecht verpackten Komplimenten überging.
Dann, mit einem Mal, wandelte sich die Stimmung wieder. Die Miene des Mannes vor mir wurde erneut unnahbar und ernst. Kurz nachdem er eine Warnung ausgesprochen hatte, gab Callum meine Gelenke wieder frei und trat einen Schritt zurück, um mir etwas Freiraum zu gewähren. Abwesend rieb ich mir über die Handgelenke, ohne meine Deckung gänzlich aufzugeben. Mein Rücken blieb dabei an der Tür gelehnt, die Augen auf ihm gerichtet. Ich war mir immer noch nicht ganz sicher, worauf er hinaus wollte. Vielleicht war es ja eine schlecht gesetzte Falle. Oder der Versuch mich in Zukunft zu erpressen. Ich hatte zumindest nicht vor diesem Mann Vertrauen entgegen zu bringen. Aber vielleicht würde ich diese komische Konstellation ausnutzen können, ehe er mich den Wölfen zum Fraß vorwarf.
„Wie sehen denn deine Pläne aus, wenn man fragen darf?“

~~~

Zumindest vorerst, schien Katelyn meine Warnung zu berücksichtigen. Das hielt mich erstmal davon ab, zu drastischeren Maßnahmen zu greifen und sorgte hoffentlich dafür, dass ich mich schnellstmöglich um mein anderes Problem kümmern konnte. Doch meine Gegenüber konnte anscheinend nicht genug von mir bekommen und zögerte diese Unterhaltung unnötig in die Länge.
"Das besprechen wir in aller Ruhe ein anderes mal.", erwiderte ich leise, während mein Blick weiterhin auf ihrem Gesicht ruhte. Ob ich diese Entscheidung noch bereuen würde? Die Zeit würde es wohl zeigen. Bis dahin musste ich wohl auf Kates Instinkte vertrauen. Oder eher darauf, dass sie nicht so lebensmüde war, wie es nur allzu oft den Anschein erweckte. "Es gibt Angelegenheiten, um die ich mich kümmern muss...", fuhr ich erklärend fort, ehe ich einen weiteren Schritt zurück trat und ihr mit einem knappen Kopfnicken signalisierte, von der Tür wegzutreten. "Angelegenheiten, die dich durchaus interessieren könnten, betrachtet man die neusten Erkenntnisse um deine Freunde." Ich ließ diesen Satz einige Sekunden lang im Raum stehen, um dessen Wirkung zu beobachten. Dann legte ich meine Hand auf den Türgriff, ließ den einzigen Zugang jedoch noch verschlossen. "Wie du siehst, ist es durchaus in deinem Interesse, dass ich mich dieser Sache schnellstmöglich annehme. Soweit ich gehört habe, ist Corboz nicht sonderlich geduldig, wenn es um diese Frau geht." Ein kleines Lächeln deutete sich in meinen Mundwinkeln an, als ich daran dachte, was ich selbst mit den beiden Azallen vorhatte. Gut, dass die Dunkelhaarige keine Gedanken lesen konnte, denn dann hätten sie meine Worte vermutlich noch weniger beruhigt, als sie es ohnehin taten. Und dann hätte sie die Wahl gehabt zwischen Pest und Cholera.

~~~

Natürlich erhielt ich keine Antwort auf meine Frage. Stattdessen vertröstete mich die Bestie auf ein anderes Mal. Es gab nämlich Angelegenheiten, um die er sich kümmern musste. Angelegenheiten, die es ihm unmöglich machten eine einfache Frage mit wenigen Worten zu beantworten. Nein. In Wahrheit hatte er niemals beabsichtigt etwas zu erklären. Mit zusammengepressten Lippen betrachtete ich den Mann, der sich noch ein Stück von mir entfernte und mit einem knappen Nicken signalisierte, dass ich ihm etwas Platz machen sollte. Auch, wenn alles in mir sich dagegen sträubte, befolgte ich die stumme Aufforderung und Trat langsam einen Schritt von der Tür weg.
"Angelegenheiten, die dich durchaus interessieren könnten, betrachtet man die neusten Erkenntnisse um deine Freunde.", führte der freundliche Samariter unerwartet weiter. Langsam war ich mir nicht mehr sicher, ob er es vielleicht darauf anlegte mich so lange zu provozieren, bis ich ein weiteres Mal auf ihn losgehen würde. Vielleicht stand er ja auf solche Spielchen. Ziemlich wahrscheinlich sogar. Die Stille, die nun einkehrte, verstärkte nur dieses unangenehme Gefühl. Ich wollte schon etwas sagen, als Callum sich wieder regte. Kaum, dass er seine Hand an den Türgriff gelegt hatte, warf er mir bereits die nächste Offenbarung entgegen, die mir einen Stich in der Brust versetzte. Es bestanden keine Zweifel daran, wen er mit der Frau meinte. Falls er an dieser Stelle mit einer Reaktion gerechnet hatte, enttäuschte ich ihn. Denn im Gegensatz zu meinem tobenden Inneren, blieben meine Gesichtszüge unverändert. Sein angedeutetes Lächeln quittierte ich mit einem Stirnrunzeln.
„Niemand hält dich auf.“
Kaum, dass diese Worte meine Lippen verlassen hatten, trat ich an ihm vorbei in den Raum hinein. Darauf bedacht meine Atemzüge gleichmäßig zu halten. Nicht zu schwanken oder Schwäche zu zeigen. Erst als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, erlaubte ich es mir entnervt aufzustöhnen. In einer automatisierten Bewegung beugte ich mich herunter und hob die Kette vom Boden auf, die sich in einem Loch zwischen zwei Dielen festgesetzt hatte. Ein kleiner Fehler. Mein Daumen strich abwesend über den verzierten Anhänger, während ich darauf wartete, dass mein Herzschlag sich wieder beruhigte. Allem voran musste ich die Fassung wahren. Keine unüberlegten Schritte in die Wege leiten. Leichter gesagt, als getan. Denn ich hatte kein gutes Gefühl bei der Sache.
Seufzend strich ich kurz über die kribbelnde Stelle am Hals Ich achtete auf meine Atemzüge. Ließ die letzten Minuten noch einmal Revue passieren. Und spürte, wie die Wut allmählich zurückkehrte. Ich würde mich wohl ein wenig rumhören müssen. Falls er nicht gelogen hatte und Aneela tatsächlich gefangen genommen wurde, dann blieb nicht viel Zeit.

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#105

RE: ~Cerandíl~

in Cerandíl - Origins 11.05.2017 13:27
von Neyl • Admin | 37.081 Beiträge





Es hatte eine Weile gedauert, bis ich die übrigen Azallen soweit beruhigt hatte, dass sich die meisten von ihnen dazu bereit erklärten, sich den so dringend benötigten Schlaf zu genehmigen. Doch nach und nach verteilte sich die Menge in die einzelnen Zelte, um dort die wenigen verbliebenen Stunden jener furchtbaren Nacht zu verbringen. Zum ersten Mal seit Stunden, erlaubte ich es mir, einen Moment aufzuatmen und die wirren Gedanken in meinem Kopf zu sortieren. So viele Dinge, um die sich gekümmert werden mussten. So viele offene Fragen.
Nachdenklich drehte ich meinen Kopf zur Seite und betrachtete den Durchgang zu den südlichen Bunkern. Eventuell lagen dort einige Antworten, die mir meine Entscheidung, welche Schritte als nächstes getan werden mussten, vereinfachten.
Nur wenige Minuten später, erreichte ich den Eingang, vor dem Rodrick stand und so angewidert aussah, wie ich mich gerade fühlte. "Mach eine Pause.", sagte ich an den Azallen gewandt, legte kurz meine Hand auf seine Schulter und schob mich dann an ihm vorbei ins Innere, wo die Gefangene bereits wartete. Ich machte mir nicht mal die Mühe, meinen finsteren Gesichtsausdruck abzumildern, als ich vor der Fremden in die Hocke ging und sie einige Sekunden stillschweigend musterte. Ihr Gesicht kam mir vage bekannt vor, doch zurzeit wollte mir partout nicht einfallen, wo ich sie schon einmal gesehen hatte.
"Weißt du, wer ich bin?"

~~~

Eder sah ihn kühl an und schüttelte den Kopf. Obwohl es weder Zeit noch Ort dafür war, fühlte sie sich degradiert, geduzt zu werden und konnte nicht verhindern, dass Ärger in ihr aufstieg. Um das Gefühl der Unterlegenheit auszugleichen, setzte sie sich auf, um wenigstens auf Augenhöhe mit dem Mann vor ihr zu sein.

~~~

Ob nun meine Worte der Grund waren, oder sie nur den Eindruck von Stärke vermitteln wollte; die junge Frau richtete sich auf, so dass unsere Augenpaare sich nun auf gleicher Linie begegneten. Ich registrierte diese veränderte Körperhaltung unbeeindruckt und nickte nur leicht, um zu signalisieren, dass ich ihre nonverbale Geste verstanden hatte. Im Normalfall hätte ich mich spätestens an dieser Stelle vorgestellt, doch war ich viel zu sehr damit beschäftigt, meinen Zorn im Zaum zu halten. Stattdessen kam mir der Gedanke, ob ich hier gerade nicht unnötig meine Zeit verschwendete, während es dort draußen vielleicht noch Azallen gab, die meine Hilfe dringend benötigten. "Wie habt ihr uns gefunden? "

~~~

Wenn Eder diesem Mann erzählt hätte, dass die Azallen nur durch Zufall gefunden worden waren, hätte das sicher ein schlechtes Licht auf den König und die Truppen geworfen. Andererseits bestand die Gefahr, dass die Azallen sich ein neues Versteck suchten, vorsichtiger würden oder eventuell sogar eine Revolte starteten, sollte sie sagen, der König hätte Mittel und Wege, das herauszufinden. Wenn sie es schaffte, von hier zu fliehen, konnte man die Azallen schnell in den Kerker bringen. Die Ehre des Königs war das geringste Problem.
"Zufällig. Feuer in einem dunklen Wald ist recht auffällig."

~~~

Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich den Umstand, dass dieses Massaker rein zufällig von statten gegangen war, als beruhigend oder höchst bedenklich empfinden sollte. Allerdings bestätigte sie mir dadurch nur meine eigene Vermutung. Wäre der Angriff geplant gewesen, hätte Eochaid wohl jeden verfügbaren Mann zur Verfügung gestellt. Nicht auszudenken, wie diese Begegnung dann geendet hätte. "Das ist es wohl...", gab ich leise zurück und ballte meine rechte Hand zur Faust, um ihr nicht zu demonstrieren, wie schwierig es tatsächlich war, dieses Element zu ignorieren. Doch ein viel beunruhigender Gedanke, überschattete selbst den Hass, den ich für ihresgleichen empfand. Was, wenn die Frau vor ihm nicht alleine gewesen war und sie nur die Stellung hielt, bis ihr Kamerad mit der halben Königsgarde zurückkehrte? Alarmiert versuchte ich in dem Gesicht meiner Gegenüber irgendein Anzeichen zu entdecken, ob meine Überlegungen der Wahrheit entsprachen. Doch war nicht mittlerweile soviel Zeit vergangen, dass längst etwas hätte passieren müssen? Corboz würde gewiss nicht in Ruhe seinen Tee zu Ende trinken, wenn er die Möglichkeit hatte, alle Azallen mit einem Schlag auszurotten. Ich versuchte die aufkeimende Panik erst einmal zurückzudrängen und bedachter an dieses Problem zu gehen. Sie kannten nur den einen Eingang und das Herannahen einer Horde würde nicht unbemerkt bleiben. Selbst wenn der schlimmste Fall eintreffen würde, wären sie rechtzeitig gewarnt, um durch den anderen Tunnel zu entkommen.
Sobald ich mich selbst mit diesen Worten beruhigt hatte, wallte sogleich der Groll gegen jene auf, die uns seit Jahren das Leben zur Qual machten und voller Verachtung richtete ich meinen Blick wieder auf die Gefangene. "Eins würde mich noch interessieren. Hat es wenigstens Spaß gemacht? Unschuldige Männer und Frauen zu töten? Sie wie Tiere durch den Wald zu jagen und dann abzuschlachten?"

~~~

Der Mann schien eine Weile nachzudenken, dann aber richtete er einen Blick voller Hass auf Eder.
Sie sah ihn mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Abscheu an. Er war ein Azalle. Er war einer der Barbaren, die sich mit Magie Vorteile anderen gegenüber sicherten, raubten und nahmen, was sie wollten. Einer derjenigen, die weder Ehre noch Moral kannten.
"Interessant, das von deinesgleichen zu hören."
Sie überlegte, ob sie wirklich weitersprechen sollte, denn sie bezweifelte, dass ihr Gegenüber ihren Worten Glauben schenken würde. Sie tat es dennoch, nach wie vor kühl und mit einem musternden Blick.
"Ich kämpfe nur gegen diejenigen, die sich mir entgegenstellen. Das ist alles."

~~~

"Wie meinesgleichen? ", lachte ich tonlos auf und war gespannt darauf, was nun folgen würde. Ihre Aussage ließ mich beinahe meine Geste wiederholen. "Also gegen diejenigen, die sich nicht freiwillig abschlachten lassen wollen? ", gab ich verbittert zurück. Versuchte sie gerade wirklich ihre Taten so zu rechtfertigen, oder war sie wirklich so naiv? Zumindest ließ ihr anklagender Blick darauf schließen, dass sie ihren Worten tatsächlich Glauben schenkte. Allein die Vermutung, ließ mich ungläubig den Kopf schütteln. Ich wollte gerade zu einer weiteren Rechtfertigung ansetzen, als ich abrupt innehielt. Wenn sie so dumm war zu glauben, dass wir in dieser Geschichte die Bösen waren, dann würde sie ohnehin keinerlei Erklärung vom Gegenteil überzeugen. Und es spielte auch eigentlich keine Rolle. Angeschlagen von den Vorkommnissen des Tages, rieb ich mir zermürbt über die Stirn, ehe ich mich wieder in eine aufrechte Position begab. Dann verließ ich den Raum und kehrte einige Minuten später mit einer Decke zurück, die ich der Frau in den Schoß warf. "Sei froh, dass dich nicht deine eigenen Leute gefangen genommen haben...", kommentierte ich mein Handeln und überlegte dann , was als nächstes zu tun war.

~~~

Sein verbittertes Lachen änderte nichts an der kühlen Miene Eders. Sie sagte ihm nicht, dass sie Angreifer damit meinte. Wozu sollte sie einen Azallen über sich aufklären?
Als er den Raum verließ, suchte sie nach Möglichkeiten, die Fesseln zu lockern. Vielleicht waren sie locker im Stein, hatten Rost angesetzt oder waren anderweitig unsicher, aber vergeblich. Als er wiederkam, ließ sie das Kettenrasseln verstummen und fixierte ihn. Wer wusste schon, was er mit ihr vor hatte.
Eine Decke landete auf ihren Knien. Seine Aussage ließ sie aufmerken? Ihre eigenen Leute? Wusste er von ihrer schlechten Beziehung zu Corboz? Oder war das nur ein versuch, sie einzuschüchtern? Sie beschloss, das nicht ernst zu nehmen und sich auf ihre Manieren zu berufen.
"Danke."
Vielleicht sollte sie schlafen. In diesem Fall wäre es am klügsten, sich auf die Decke zu legen, und das einfachste war es dazu, da sie nur wenig Bewegungsfreiheit hatte. Ihre Kleidung würde irgendwann trocknen, wenn auch recht langsam, allerdings war Eder nicht zimperlich. Sie war eine Soldatin. Das durfte ihr nichts ausmachen.


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